Risiko Auslandsentsendung: Wenn fern der Heimat der Staatsanwalt droht
Tausende deutsche Mitarbeiter sind für ihr Unternehmen im Ausland tätig. Doch obwohl Entsendung für viele Organisationen längst zum Alltag gehört, werden die damit verbundenen Risiken oft nicht ausreichend beachtet. Das betrifft den Mitarbeiter ebenso wie den Arbeitgeber.
Deutsche Arbeitnehmer in Konflikt mit ausländischem Recht begegnen uns in den Schlagzeilen immer wieder. So wurde im Zuge der VW-Dieselaffäre jüngst der langjährige VW-Manager Oliver Schmidt in den USA zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ebenfalls für Aufsehen sorgten vor Jahren die monatelange Untersuchungshaft für den deutschen Kunsthändler Nils Jennrich in China wegen angeblichen Zollbetrugs oder die Festsetzung des Geigers Stefan Arzberger in New York wegen behaupteten Mordversuchs.
99 Prozent aller Entsendungen mögen völlig unproblematisch verlaufen. Die prominenten Einzelfälle machen aber deutlich, dass Tätigkeiten im Ausland mit vielfältigen Risiken verbunden sein können. Dabei reicht das Spektrum von der Immigration (Visum, Arbeitserlaubnis etc.) über ein mögliches Fehlverhalten im Zuge der beruflichen Tätigkeit (kulturelle „Fettnäpfchen“, Straftaten) bis hin zu Verstößen ohne direkten Bezug zur Entsendung.
Haftungsfalle Meldepflichten
Betrachten wir allein die Immigrationsrisiken: Versäumt ein Unternehmen beispielsweise notwendige Anmeldeprozesse oder erlaubt es sich Fehler, wird der Aufenthalt in schwerwiegenden Fällen als illegal eingestuft und führt zur persönlichen Haftung des entsandten Mitarbeiters. Das kann nicht nur Abschiebungen, Strafbarkeit und Bußgelder mit sich bringen, sondern auch Einreisesperren, die bisweilen lebenslang gelten können. Umgekehrt können dem Mitarbeiter bei unterbliebener Abmeldung die Ausreise verweigert oder Nachweise für die Zahlung von Einkommenssteuer vorenthalten werden.
Korruptionswächter mit langem Arm
Noch problematischer sind mögliche Verhaltensverstöße im Kontext der beruflichen Tätigkeit. Nicht selten verstoßen Arbeitnehmer zum Beispiel gegen lokale Regeln, etwa Korruptionsgesetze. Das geschieht manchmal aus Unkenntnis – oft aber auch angesichts der falschen Auffassung, in dem betreffenden Land sei dies „üblich“ oder „nicht so gravierend“, etwa in einem Schwellen- oder Entwicklungsland. Die meisten Staaten belegen insbesondere Korruption aber inzwischen mit drakonischen Strafen.
So sind beispielsweise in China in besonders schweren Fällen sogar Hinrichtungen möglich. Nachdem der Fokus in vielen Regionen zunächst auf inländischen Beamten und Politikern lag, werden heute auch Ausländer weit konsequenter verfolgt. Hinzu kommen gesetzliche Vorschriften wie der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) in den USA oder der UK Bribery Act (UKBA), die zur starken Internationalisierung von Korruptionsverfahren beigetragen haben. Die USA stellen nach FCPA beispielsweise auch die Bestechung ausländischer Amtsträger unter erhebliche Strafen, gepaart mit internationaler Verfolgung. Unternehmen wird es insbesondere im Fall der Korruption alles andere als egal sein dürfen, was ihre Mitarbeiter im Ausland tun.
Von kultureller Sensitivität bis zur Sorgfalt bei Organmitgliedern
Ein weiterer Fallstrick sind unterschiedliche kulturelle Gepflogenheiten und Wertungen. So wird der Tatbestand des „Harassment“ in den USA meist deutlich sensibler gehandhabt. Intensives und wiederholtes „Anstarren“ während eines geschäftlichen Meetings hat hier beispielsweise nicht nur Verstimmungen zur Folge, sondern kann auch Ansprüche begründen. Gleiches gilt für körperbetonten zwischenmenschlichen Umgang, der in streng islamischen Ländern wie Saudi-Arabien sexuell ausgelegt werden und die Sittenwächter auf den Plan rufen könnte.
Nicht zuletzt sollten Unternehmen bei Organmitgliedern ganz besondere Sorgfalt walten lassen. In etlichen Ländern geht die Haftung von Mitgliedern der Geschäftsführung deutlich weiter als in Deutschland. Unternehmen und Mitarbeiter können aber auch von Fehlverhalten „anlässlich“ des Auslandsaufenthalts, sprich: im privaten Umgang, tangiert werden. So ist eine Entsendung privat, kulturell und sozial eine große Herausforderung für den Arbeitnehmer.
Rechtliche Verpflichtung seitens der Unternehmen
Steht ein Regelverstoß im Raum, sind auch ermittlungsbezogene und prozessuale Risiken nicht unerheblich. In den USA kann ein Verstoß gegen die sogenannte „Pre-trial Discovery“ sogar als Beweisvereitelung bewertet werden. Selbst bei Verstößen gegen kollidierende Datenschutzvorschriften in anderen Ländern ist es damit kaum möglich, sich dem Erkenntnisappetit der US-Ermittler zu entziehen.
Nun mag man denken, Unternehmen stünden ihren Mitarbeitern im Ausland allein aus der rechtlichen Verpflichtung heraus oder spätestens aus moralischen Gründen bei. Viele Arbeitgeber tun das durchaus; sie verauslagen Strafverteidigungskosten und unterstützen organisatorisch. Dort drohen allerdings Zielkonflikte: So wälzen Organisationen die Schuld für organisatorische Vergehen im Einzelfall auf ihre Auslandsmitarbeiter ab, um Schaden von der Firma abzuwenden. In anderen Konstellationen wiederum würde der Arbeitgeber gerne im Rahmen der Strafverfolgung unterstützen, muss hier aber gut abwägen – denn unter Umständen erfüllt die Übernahme von Geldstrafen und Bußgeldern den Tatbestand strafbarer Untreue.
Analyse und Bewertung von Risiken erforderlich
All diese Aspekte zeigen: Die Entsendung von Mitarbeitern verlangt einem Unternehmen und seinen Mitarbeitern einiges ab und sollte keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden. Absolute Professionalität ist hier essenziell. Das beginnt schon bei der Analyse und Bewertung der Risiken einer Entsendung. Die Organisation sollte für jedes einzelne Entsendungsland Klarheit über unterschiedliche Gesetze, insbesondere strafrechtlicher Natur, und über kulturelle Fallstricke gewinnen. Hinzu kommen präventive Compliance-Maßnahmen. Um Mitarbeiter besser auf den Einsatz vorzubereiten, sollte das Unternehmen sie für kulturelle Unterschiede sensibilisieren, zum Beispiel mittels Cultural Awareness Trainings.
Bei all diesen Maßnahmen geht es nicht um die Erarbeitung eines Kompendiums, das am Ende niemand mehr liest oder Mitarbeitern gar Angst macht vor dem Auslandseinsatz. Auch wird man nicht jedes Risiko vorwegnehmen können. Deutlich erhöhen lässt sich die Resilienz der Organisation aber durch volle Transparenz über die zu erwartenden Umstände und Rahmenbedingungen sowie klare Prozesse, Regeln und Verantwortlichkeiten für den Notfall. Auch Mitarbeiter können sich dann deutlich sicherer fühlen.
[dropshadowbox align=“none“ effect=“lifted-both“ width=“auto“ height=““ background_color=“#ffffff“ border_width=“1″ border_color=“#dddddd“ ]
Die Autoren:
Dr. Stephanie Troßbach ist Rechtsanwältin und Spezialistin für Compliance sowie die strafrechtliche Beratung von Unternehmen bei der Kanzlei FS-PP.
Dr. Axel Boysen ist Managing Partner des Frankfurter Büros der Kanzlei Fragomen und Experte für internationales Arbeitsrecht und Einwanderungsrecht.
[/dropshadowbox]