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Matthias Hentschke (© PassportCard)

„Pandemien waren für Auslandsversicherer bis vor Kurzem kaum ein Thema“

Mitten in der Corona-Krise steigt der zur David Shield Group gehörende Versicherer PassportCard in den deutschen Expat Markt ein. Expat News sprach mit Vertriebsdirektor Matthias Hentschke unter anderem über die Herausforderungen, denen sich das Unternehmen aktuell stellen muss, über das einzigartige Konzept der Schadenregulierung, die Bedeutung von Transparenz in der Versicherungsbranche und das Arbeiten in interkulturellen Teams.

Expat News: Was sind die größten Herausforderungen, denen sich Expats derzeit stellen müssen?

Hentschke: Die Kernfrage ist für die meisten Expats, ob es überhaupt losgeht. Sehr viele, die ins Ausland gehen wollen, bleiben momentan unsicher zurück. Die Grenzschließungen und Reisebeschränkungen haben ihre Pläne durcheinandergebracht. Viele Auslandseinsätze werden verschoben, wobei die Corona-Pandemie eine langfristige Dimension hat, so dass eine große Unsicherheit bleibt. Etliche Expats hatten bereits ihre Wohnungen untervermietet, ihre Kinder in der heimischen Schule abgemeldet und so weiter.

Dann gibt es die großen Sorgen derjenigen, deren Versicherungsschutz nicht ausreicht beziehungsweise die nicht richtig abgesichert sind. Insbesondere die klassischen Reiseversicherungen leisten bei Pandemien wie COVID-19 nicht. Bei diesen Menschen besteht regelrecht Panik, krank zu werden. Dann sind da noch jene, deren Krankenversicherung ausgelaufen ist oder vorzeitig beendet wurde. Wir wissen von vielen Deutschen in Südamerika, die dort gestrandet sind und über keinen adäquaten Versicherungsschutz mehr verfügen. Die „Hotspots“ der Betroffenen ändern sich – das merken wir auch.

Expat News: Viele Auslandskrankenversicherungen haben ihren Kunden aufgrund der Corona-Pandemie den Versicherungsschutz gekündigt bzw. stark eingeschränkt. Woher kommt diese risikoaverse Haltung?

„Auslandskrankenversicherungen werden oft mit spitzem Bleistift kalkuliert“

Hentschke: Der Markt der Reise- und Expat-Versicherungen ist hart umkämpft und dieser Kampf wird oft mit niedrigen Versicherungsbeiträgen ausgetragen, die dann mit spitzem Bleistift kalkuliert sind. Die Kosten und Folgen von Pandemien sind häufig nicht einkalkuliert, ebenso wenig wie Beiträge für Rückversicherer. Nicht alle Kunden sind schließlich bereit, in Nicht-Krisenzeiten höhere Versicherungsbeiträge für zukünftige schlechte Zeiten zu zahlen.

PassportCard, als Anbieter von speziell für Expats entwickelten Produkten, kalkuliert ganz anders und ist daher für Krisenzeiten besser gewappnet. Allerdings bedeutet das für Kunden auch, den entsprechenden Preis zu zahlen. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass insbesondere die Deutschen bereit sind, für Qualität Geld auszugeben.

Expat News: Ist das ein Grund, warum PassportCard auf den deutschen Markt drängt?

Hentschke: Der deutsche Expat-Markt ist sehr attraktiv, denn Deutschland als Exportnation entsendet nicht nur viele Arbeitnehmer ins Ausland, sondern tut dies auch sehr planvoll und mit einem hohen Fürsorgeanspruch. Die deutschen Expats wissen um die Bedeutung einer guten Absicherung und haben ein Qualitätsbewusstsein. Das deutsche Gesundheits- und Krankenversicherungssystem funktioniert extrem gut, das spiegelt sich auch in der Anspruchshaltung der Expats wider. Ihr Anspruch an einen Versicherer ist zwar hoch, aber die Bereitschaft, für diese Qualität einen angemessenen Preis zu zahlen eben auch. Das ist bei vielen anderen Nationen nicht immer in dem Maße der Fall.

Expat News: Wer kann Ihre Versicherungen abschließen? Haben Sie eine bestimmte Zielgruppe?

Hentschke: Für uns ist ein Expat, eine Person, die sich mindestens drei Monate lang in einem anderen Land als ihrem Heimatland aufhält. Dabei machen wir keine Unterscheidung zwischen Personen, die im Geschäftsbereich entsandt werden oder selbstständig ins Ausland gehen, denn die Anforderungen an eine Versicherung unterscheiden sich nicht wesentlich. Alle Personen eint der Wunsch, im Ausland nicht auf Gesundheitskosten sitzen zu bleiben und im Krankheitsfall eine schnelle Behandlung in Anspruch nehmen zu können.

Wir bieten eine dreistufige Produktlinie an: von Compact über Comfort zu Premium. Die dritte Stufe ist diejenige mit dem größten Leistungsumfang und vor allem für Unternehmen interessant, die ihre Expats absichern können. Hier unterscheiden sich die Bedürfnisse insofern, als dass Firmen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht die Haftung für die Krankheitskosten ihrer Expats übernehmen müssen. Deswegen gibt es in diesem Produktsegment bei PassportCard auch kein Jahreshöchstlimit. Auch haben wir dort ein Assistance-Paket integriert, das den besonderen Anforderungen von im geschäftlichen Kontext entsandten Expats gerecht wird.

„Für Unternehmen ist es wichtig, dass Expats auch bei Krankheit den Auslandseinsatz nicht abbrechen müssen“

Expat News: Inwiefern unterscheiden sich die Leistungen zu Expats, die im privaten Kontext ins Ausland gehen?

Hentschke: Unternehmen investieren sehr viel Zeit und Geld in eine Auslandsentsendung und alles ist darauf ausgerichtet, dass der Mitarbeiter vor Ort das geplante Projekt umsetzt beziehungsweise die Ziele erreicht. Es ist wichtig, dass der Expat seinen Einsatz nicht abbricht – auch nicht bei Krankheit. Deshalb ermöglicht es unsere Assistance-Dienstleistung für Firmen, dass auf Wunsch Angehörige des Expats ins Aufenthaltsland eingeflogen werden und dass der Mitarbeiter in einem Krankenhaus behandelt wird, dass sich wenigstens in der Nähe seines Einsatzortes befindet – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass er dort die bestmögliche medizinische Behandlung erhält. Sollte der Transport in ein anders Land erforderlich sein, weil es dort die bessere medizinische Behandlung gibt, so ermöglichen wir das ebenfalls.

Expat News: Sie bieten eine Art Prepaid-Karte an, mit der Versicherte direkt beim Arzt die Behandlungen bezahlen können. Inwieweit ist diese Karte bei Behandlern akzeptiert? Viele Menschen klagen darüber, dass die Europäische Gesundheitskarte (EHIC) von Ärzten im Ausland nicht anerkannt wird.

Hentschke: Unsere Karte, die wir gemeinsam mit MasterCard entwickelt haben, folgt einem ganz anderen Prinzip der Leistungserstattung als es üblich ist. Ein Beispiel: Eine Kundin muss in Nairobi zum Arzt, weil sie sich den Arm verstaucht hat. Zuvor ruft sie einfach unser Service-Center an oder kontaktiert dieses per WhatsApp oder über unsere App und schildert ihre Beschwerden. Innerhalb weniger Minuten prüfen die Kollegen, was die Behandlung eines solchen Krankheitsbildes üblicherweise in Nairobi kostet. Dafür werden über viele Jahre gesammelte und ausgewertete Daten zugrunde gelegt. Auf den Durchschnittswert addieren wir noch einmal einen Sicherheitspuffer und dieser endgültige Wert wird dann auf die Karte aufgeladen.

Das System funktioniert einwandfrei und ist nicht vergleichbar mit der Europäischen Gesundheitskarte. Wir haben damit das komplette Leistungserstattungsprinzip quasi um 180 Grad auf den Kopf gestellt.

„Wir bei Passportcard setzen auf die persönliche Beratung von Expats“

Expat News: Nicht immer ist dem Versicherten jedoch klar, was für ein Krankheitsbild er haben kann. Was passiert, wenn es sich dann doch um eine komplexere – und damit auch teurere Krankheit handelt?

Hentschke: Es kann schon mal vorkommen, dass das Geld nicht reicht, zum Beispiel wenn Zusatzuntersuchungen stattfinden müssen. Kann die Rechnungssumme nicht vollständig abgebucht werden, wird aus einem automatischen ein manueller Prozess. Wir nehmen dann Kontakt zum behandelnden Arzt oder Krankenhaus auf und klären die Kostenübernahme. Das ist dann ein übliches Vorgehen bei Auslandskrankenversicherungen. Dabei prüfen wir natürlich auch, wie sich die veranschlagten Kosten zusammensetzen und entweder korrigieren wir die aufgeladene Summe oder der Arzt seine Rechnung.  In der Regel  liegen wir mit unserer Kostenkalkulation aber richtig, da haben wir ausreichend Erfahrungswerte.

Expat News: Auf der Suche nach dem richtigen Anbieter sind viele Verbraucher schnell frustriert. Eine große Kritik ist die mangelnde Transparenz. Insbesondere Versicherungsschutz bei Pandemien haben viele Anbieter nicht hinreichend kommuniziert, so dass tausende Expats feststellen mussten, dass etwa COVID-19 nicht versichert ist. Wie handhabt PassportCard das Thema Offenheit und Transparenz?

Hentschke: Die Frage ist auch, wie viel Transparenz man einem Kunden zumuten will. Natürlich ist es unendlich mühsam, sich durch die kompletten Versicherungsbedingungen zu arbeiten. Wir setzen daher auf die persönliche Beratung. Unsere Telefonbereitschaft erstreckt sich über 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. Wir halten den Online-Abschluss nicht unbedingt für den besten Weg, um eine langfristige Auslandskrankenversicherung zu kaufen, denn da ist Enttäuschung beim Kunden mitunter vorprogrammiert. Im telefonischen persönlichen Kontakt, ist es viel einfacher, den tatsächlichen Versicherungsbedarf des einzelnen zu ermitteln. Auch können wir mittels medizinischen Underwritings direkt die Gesundheitshistorie des Kunden abklären. Unsere Produkte schließen Vorerkrankungen  ein, aber dafür müssen wir Gesundheitsfragen stellen und gegebenenfalls Risikozuschläge erheben.

In punkto Coronavirus muss man der Verteidigung halber sagen, dass der Versicherungsschutz von Pandemien bis vor einem Jahr kein großes Thema war und die Anbieter deswegen keinen Grund gesehen haben, dies offensiv zu kommunizieren. Wir reden aktiv darüber und setzen auch ein Zeichen, dass wir trotz oder eben gerade wegen der Krisenzeiten neu in den deutschen Auslandskrankenversicherungsmarkt einsteigen. COVID-19 ist in unseren Produkten selbstverständlich eingeschlossen.

„Ich schätze es sehr, in interkulturellen Teams zu arbeiten“

Expat News: Apropos Markteintritt: Ursprünglich war dieser bereits vor zwei Jahren geplant und es gab erste Meldungen dazu. Warum hat sich der Produktlaunch auf dieses Jahr verzögert?

Hentschke: Für PassportCard ist Deutschland der wichtigste Markt in Europa, es ist gleichzeitig das Tor zu den anderen europäischen Ländern, in denen wir ebenfalls Fuß fassen wollen. Als wir damals die ersten Schritte in Deutschland gingen, kamen auch erste Anfragen aus europäischen Ländern und wir haben entschieden, dass wir zunächst unsere Systeme an die Diversität des europäischen Binnenmarktes anpassen wollen, um nicht im Nachhinein wieder aufwendige Systemänderungen durchführen zu müssen, wenn wir das Geschäft aus Deutschland heraus bündeln.

Expat News: PassportCard ist ein israelisches Unternehmen, das in Australien und Großbritannien vertreten ist. Was sind die Vorzüge dieser Internationalität, was die Herausforderungen?

Hentschke: Ich persönlich kenne das internationale Arbeiten schon länger und schätze es sehr, in interkulturellen Teams zu agieren. In einem israelischen Unternehmen zu arbeiten, hat noch einmal ganz besondere Vorzüge, denn Israel ist in Sachen technischer Innovationen sehr weit vorne. Wir waren von Anfang an technisch sehr gut ausgestattet und erhalten viel Support von der Muttergesellschaft. Bei PassportCard herrscht eine Start-up-Mentalität, die viel Flexibilität zulässt. Das wiederum zieht viele international denkende Arbeitnehmer an.

Die israelische Kultur ist sehr persönlich und direkt. Die Kommunikation ist ehrlich und straight, man weiß genau, woran man ist. Diese offene Unternehmenskultur hilft dabei, Themen voran zu bringen, auch weil Weniger hierarchiebasiert stattfindet und viel auf Teamarbeit gesetzt wird. Hierarchien ergeben sich durch Wissen und Fähigkeiten, weniger durch Positionen.

„Eine Entsendung ins Ausland wird heute nicht als Risiko, sondern als Chance gesehen“

Expat News: Für ein paar Jahre der Karriere wegen oder aus Abenteuerlust ins Ausland zu gehen, ist in den vergangenen Jahren viel selbstverständlicher geworden als etwas vor zehn Jahren. Wie kommt es, dass es für viele Menschen keine Hürde mehr darstellt, ihre Heimat für eine gewisse Zeit zu verlassen?

Hentschke: Die Mobilität der Menschen hat in der Tat deutlich zugenommen. Viele deutsche Unternehmen sind international vernetzt und haben globale Produktionsprozesse, das erhöht auch den Bedarf an Fachkräften vor Ort. Eine Entsendung ins Ausland wird heute nicht als Risiko, sondern als Chance und Mehrwert gesehen, die den Horizont erweitert. Wir sehen insbesondere eine Zunahme von Expats, die mit ihren Familien Auslandstätigkeiten aufnehmen und haben dafür spezielle Leistungen und Prämienmodelle entwickelt.

Expat News: Es kursieren unterschiedliche Statistiken über die Anzahl der Deutschen, die im Ausland lebt. Was ist Ihre Schätzung hinsichtlich der tatsächlichen Anzahl?

Hentschke: Die unterschiedlichen Zahlen ergeben sich durch unterschiedliche Definitionen. Wir schauen nicht pauschal auf alle Deutschen im Ausland, sondern nur auf diejenigen, die für unsere Produkte in Frage kommen. Personen, deren Eltern zum Beispiel vor 30 Jahren ausgewandert sind und noch nie in Deutschland waren, aber den deutschen Pass haben, sind lokal eingebunden und nicht unsere Zielgruppe. Nach unseren Berechnungen kommen circa 1,7 Millionen Deutsche im Ausland für unsere Produkte in Frage, mehr als ein Viertel davon verbleiben innerhalb der EU, aber auch die USA und Asien sind wichtige Zielregionen für deutsche Expats.