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Auslandsbeschäftigung
Omer Dotou, Experte für internationale Beschäftigung © Dirk Beichert, BusinessPhoto

„Auslandsbeschäftigung ist die Zukunft!“

Die Pandemie hat den Trend zum mobilen Arbeiten verstärkt, wobei „Auslandsbeschäftigung“ zum neuen Schlagwort avanciert ist. Jedoch sind sich Arbeitgebende oft nicht bewusst, welchen rechtlichen Risiken sie sich dabei aussetzen. Omer Dotou ist einer der führenden Experten für „Homeoffice im Ausland“ und Leiter der Unternehmensberatung BDAE Consult. Im Interview sagt er, warum man statt von Entsendungen von Auslandsbeschäftigung spricht.

 

Expat News: Hat das Interesse am „Homeoffice im Ausland“ zugenommen?

Dotou: Absolut! In der Unternehmensberatung gehen derzeit 90 Prozent der Anfragen um Themen wie Homeoffice, Mobiles Arbeiten und Workation im Ausland. Dies ist im Vergleich zu früher deutlich mehr. Seit vielen Jahren kooperieren wir mit der Techniker Krankenkasse (TK) und bieten Seminare für die Personalabteilungen der dort registrierten Arbeitgeber an. In den letzten zwei Jahren haben wir auch Seminare zum „Mobilen Arbeiten aus dem Ausland“ angeboten, auf die die Nachfrage enorm war. Für das erste Seminar haben sich 600 Firmen angemeldet. Dieses starke Interesse war für mich ein deutliches Signal für zukünftige Entwicklungen. Für mich war das ein Signal: Da kommt was.

Expat News: Wie gut kennen sich Unternehmen mit dem Thema aus?

Dotou: Viele Unternehmen haben die Phase der Schulung abgeschlossen und befinden sich nun in der Umsetzungsphase. Der Kenntnisstand hat sich mittlerweile im Vergleich zu früheren Jahren verändert. Im Jahr 2021 erhielten wir noch viele Anfragen von Unternehmen, die Schwierigkeiten hatten, den Aufenthaltsort ihrer Mitarbeitenden zu verfolgen. Es schien, als hätten sie den Überblick verloren. Mittlerweile haben sich jedoch viele Firmen und Institutionen mit diesem Thema auseinandergesetzt. Jetzt liegt der Fokus darauf, Richtlinien zu entwickeln. Daher beraten wir viele Arbeitgebenden und erstellen gemeinsam mit den HR-Abteilungen Leitfäden für ihre Remote Work Policy. Dies spiegelt die aktuelle Entwicklung und die verstärkte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Remote-Arbeitens wider.

„Es gab auch vor der Pandemie bereits Firmen, die Mobile Working im Ausland ernstgenommen haben, um ihre Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen.“

Unser Eindruck ist, dass die verstärkte Beratungstätigkeit und die Entwicklung von Richtlinien für Remote Work Policy auf die wachsende Bedeutung von flexiblen Arbeitsmodellen und die Notwendigkeit einer klaren Arbeitsstruktur in einem zunehmend digitalen Arbeitsumfeld hindeuten. Unternehmen sehen sich gezwungen, sich an die verändernden Arbeitspraktiken anzupassen und haben die Notwendigkeit erkannt, klare Richtlinien für Remote-Arbeit zu etablieren, um effektive Arbeitsabläufe und Mitarbeiterzufriedenheit zu gewährleisten.

Expat News: Gibt es bei der Umsetzung von mobiler Arbeit einen Unterschied zwischen großen und kleinen Unternehmen?

Dotou: Es gab auch vor der Pandemie bereits Firmen, die Mobile Working im Ausland ernstgenommen haben, um ihre Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen. Diese Entwicklung ging aber stark von großen, international tätigen Konzernen und auch den großen Unternehmensberatungen aus. Kleinere Unternehmen haben erst einmal viel durchgehen lassen und individuelle Lösungen gesucht. Das hat Begehrlichkeiten bei den bestehenden Mitarbeitenden geweckt. Deshalb haben wir gemeinsam mit den Unternehmen, klare Rahmenbedingungen erarbeitet, die für alle gelten.

Auslandsbeschäftigung

Auslandsbeschäftigung hat viele Facetten: Sie reicht von einer Entsendung über Workation bis zu Homeoffice im Ausland. Im Kern geht es um mobiles Arbeiten. (Foto: vitaliymateha – AdobeStock)

Was viele vergessen: Arbeitgeberattraktivität umfasst auch die Mitarbeitenden, die bereits da sind. Vielmehr wird sie als Instrument im Recruiting eingesetzt, um Bewerberinnen und Bewerber aus dem Ausland zu gewinnen. Die Einführung einer solchen Richtlinie kann dazu beitragen, Bewerberinnen und Bewerber, die nicht nach Deutschland kommen wollen und für die das Arbeiten aus dem Ausland eine Bedingung ist, dass sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden. Wir haben zahlreiche Unternehmen dabei unterstützt, dauerhaftes Arbeiten aus dem Ausland zu ermöglichen. Gerade bei kleineren Unternehmen gibt es häufig noch rechtliche Missverständnisse.

Expat News: Welche zum Beispiel?

Dotou: Oft wird unterschätzt, wie schnell das Tätigwerden eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin aus dem Ausland zustande kommen kann. Wenn Mitarbeitende zum Beispiel ins Ausland in den Urlaub fliegen und von dort die Vorgesetzten anrufen, ob sie aus dem Urlaubsland arbeiten dürfen. Oftmals wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt, ohne jedoch die Personalabteilung einzubinden. Schon dieses Telefonat und das damit einhergehende erlaubte Tätigwerden aus dem Ausland bringen rechtliche Risiken mit sich. Denn der Arbeitgeber entrichtet Steuern und Sozialversicherungen in Deutschland, obwohl seine Mitarbeitenden gerade eine berufliche Tätigkeit im Ausland erbringen. Wird der Urlaub in den USA gemacht, ist zudem eine Arbeitserlaubnis notwendig.

Expat News: Handelt es sich da bereits um Homeoffice im Ausland?

Dotou: Die Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Homeoffice, Mobile Working und Workation sind für viele nicht eindeutig. Homeoffice bezieht sich umgangssprachlich auf die Erbringung von Arbeitsleistungen im privaten Wohnbereich der Mitarbeiterin oder des  Mitarbeiters, während mobiles Arbeiten bedeutet, außerhalb des Betriebsgebäudes zu arbeiten, sei es zuhause, in einem Café oder einem Park. Unter dem Begriff „Workation“ fasse ich das Arbeiten in Verbindung mit Urlaub zusammen. Wenn Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz dauerhaft ins Ausland verlagern oder regelmäßig zwischen dem Ausland und Deutschland pendeln, um im Betriebsgebäude zu arbeiten, geht es über mobiles Arbeiten hinaus.

Expat News: Das hört sich nach vielen komplizierten Einzelfällen an. Ist deshalb immer eine Rechtsberatung nötig?

Dotou: Rechtliche Beratung ist derzeit immer nötig, weil jeder Fall eine eigene Komplexität mitbringt. Momentan befinden sich viele Unternehmen noch in einer „Findungsphase“ und verkennen, dass es bereits bestehende Rechtsgrundlagen gibt. Wenn es mehr Richtlinien gibt und eine gewisse Routine reinkommt, dann könnte sich das ändern. Aber aktuell würden wir die Beratung empfehlen.

Buchtipp: Urlaub und Arbeit richtig kombinieren

AuslandsbeschäftigungImmer mehr Menschen träumen davon, den Urlaub zu verlängern und ein paar Arbeitstage anzuhängen. Dank der Digitalisierung ist dies einfacher möglich. Eine Workation ermöglicht es Arbeitnehmenden, Arbeit und Urlaub miteinander zu verbinden. Doch um dieses Arbeitsmodell erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer sorgfältigen Vorbereitung, insbesondere im Ausland. Die BDAE-Auslandsexpertinnen und Experten Anne-Katrin Schwanitz, Steffi Hochgraef und Omer Dotou beschreiben in diesem Fachbuch, für wen die Workation geeignet ist und wer sie nutzen kann.

Sie beleuchten die Chancen, aber auch die Herausforderungen, sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende. Im TaschenGuide finden Interessierte Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Sozialversicherung und Informationen zu den steuerlichen und rechtlichen Aspekten. Mit hilfreichen Checklisten, nützlichen Tipps und Mustervorlagen wird der Workation-Aufenthalt zum Erfolg.

Autor*innen: Omer Dotou, Anne-Katrin Schwanitz, Steffi Hochgraef

ISBN: 978-3-648-17665-8
Auflage: 1. Auflage 2024
Umfang: 128 Seiten
Haufe Verlag

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Expat News:  Wie lange im Voraus sollte Homeoffice im Ausland vorbereitet werden?

Dotou: Das hängt unter anderem davon ab, ob ein Visum beziehungsweise eine Aufenthaltsgenehmigung benötigt wird. Visa sind vor allem bei Nicht-EU-Bürgerinnen und -bürgern ein Thema, die in Deutschland arbeiten und Homeoffice oder mobiles Arbeiten im Ausland planen oder bei Deutschen, die in Nicht-EU-Ländern arbeiten wollen. Da empfiehlt sich eine deutlich längere Vorlaufzeit.

Bei einer Workation raten wir eine Vorlaufzeit von vier bis sechs Wochen an. Das hängt auch von der jeweiligen Staatsangehörigkeit der Mitarbeitenden ab. Auch die Dauer der Tätigkeit im Ausland, die Art der Tätigkeit und das Zielland spielen eine Rolle. Bei einer Visumsbeschaffung etwa für Südafrika sollte man ein halbes Jahr einplanen. Bei einem deutschen Buchhalter, der in Frankreich arbeiten will und das nur zwei Wochen lang – da braucht es keine zwei Wochen, um das zu klären. Handelt es sich wiederum um eine Kollegin, die aus Marokko stammt, greift  das Thema des Arbeitserlaubnis in Frankreich. Da sprechen wir dann von ein bis drei Monaten Vorlaufzeit.

In New York ist beispielweise die Workation dagegen nicht möglich. Dort brauchen Mitarbeitende ein Arbeitsvisum, egal wie kurz die Tätigkeit ist. Mit der ESTA-Genehmigung ist die Einreise zum Urlaubszweck möglich. Damit kann nämlich nicht gearbeitet werden. Für eine Work Permit in den USA wäre eine Vorlaufzeit von zwei bis sechs Monaten zu planen. eine sechsmonatige Vorlaufzeit.

„Wenn sich der Arbeitgeber darüber keine Gedanken macht, riskiert er durchaus auch Steuernachzahlungen.“

Expat News: Was muss abgesehen von aufenthaltsrechtlichen Fragen noch beachtet werden?

Dotou: Da fällt mir folgendes Beispiel ein: Wenn eine Vertriebsmitarbeiterin aus dem Ausland tätig wird, müsste geklärt werden, inwiefern diese Tätigkeit aus dem Homeoffice  das Risiko einer steuerlichen Betriebsstätte für den Arbeitgeber erhöht.  

Vertriebsmitarbeitende haben in der Regel einen geschäftsfördernden Aufgabenbereich und werden im Auftrag des Arbeitgebers im Ausland tätig. Wenn also eine Vertrieblerin auch noch ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt und womöglich Büroräume vor Ort anmietet und dann noch eine Form der Nutzungsbefugnis für diese Räumlichkeiten hat, besteht ein hohes Risiko der Betriebsstättengründung. Das hätte zur Folge, dass das Betriebsergebnis nicht nur in Deutschland, sondern auch im Einsatzland versteuert werden müsste. Manche Länder wie Österreich beispielsweise betrachten Homeoffice-Tätigkeiten von Mitarbeitenden aus anderen Ländern sehr genau.

Ein anderes Beispiel: Ein Mitarbeiter, der zwei Wohnsitze in Deutschland und Spanien hat und von Spanien aus arbeitet, ist unter Umständen lohnsteuerpflichtig in Spanien. Wenn sich der Arbeitgeber darüber keine Gedanken macht, riskiert er durchaus auch Steuernachzahlungen

Wir bekommen beispielsweise oft Fälle, wo Beiträge zur Sozialversicherung in Deutschland bezahlt werden und die Mitarbeiterin jedoch von den USA aus arbeitet. Die Folgen können für den Arbeitgeber teuer werden. Und das passiert leichter, als es sich manche Unternehmen vorstellen: Zum Beispiel, wenn die Mitarbeiterin in einen Verkehrsunfall verwickelt wird und sie Angaben zu ihren Versicherungen machen soll.

„Viele Unternehmen gehen davon aus dass sie für die Krankenversicherung während einer Workation keine Verantwortung übernehmen müssen.“

Expat News: Wie sind Mitarbeitende während einer Workation krankenversichert?

Dotou: Viele Unternehmen gehen davon aus dass sie für die Krankenversicherung während einer Workation keine Verantwortung übernehmen müssen. Die sagen sich: Warum soll ich Kosten für eine Versicherung zahlen, wenn der Mitarbeiter sich frei für den Urlaub und die Anschlusstätigkeit entscheidet? Allerdings sieht das rechtlich anders aus. Denn die private Initiative des Mitarbeiters nimmt auch den Arbeitgeber in die Haftung, wenn er der Workation grundsätzlich zugestimmt hat. § 17 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB) verpflichtet Arbeitgeber zur Übernahme von Arztkosten, sofern der Arbeitnehmer in seinem Auftrag im Ausland arbeitet. Schließlich hat das Unternehmen eingewilligt, dass die Tätigkeit im Ausland erbracht wird. Hier besteht noch viel Aufklärungsbedarf.

 

Über die BDAE Consult

Die BDAE Consult GmbH ist Teil der BDAE Gruppe, die sich seit 1995 auf internationalen Versicherungsschutz und internationale Beschäftigung von Arbeitnehmenden spezialisiert hat. BDAE Consult bietet Unternehmen, Arbeitnehmenden und Privatpersonen umfassende Beratungsleistungen zur rechtlichen Gestaltung und Vorbereitung von Auslandseinsätzen. Dazu gehört die fachkundige Beratung in aufenthalts- und arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen, steuerrechtlichen und vergütungsrelevanten Fragen.

Die Beratung unterstützt die Personalverantwortlichen von Unternehmen bei rechtlichen Fragen rund um das Thema internationale Mitarbeiterentsendung. Ziel ist es, internationale Beschäftigung ganzheitlich zu betrachten und durch die Abdeckung aller relevanten Rechtsgebiete eine optimale Beratung zu gewährleisten. Darüber hinaus bietet BDAE Consult Seminare an, um Personalabteilungen Fachwissen über globale Mobilität zu vermitteln.

Das Portfolio der BDAE Consult zu den einzelnen Leistungen im Rahmen der Beratung von Workation und Remote Work finden Sie in der Image-Broschüre.

Broschüre Workation in der Praxis - Trend zu Remote Work

Download Broschüre

Videotipp: Workation im Ausland – das ist zu beachten

Die sogenannte Workation hat sich neben dem Homeoffice im Ausland etabliert. Immer mehr Unternehmen wollen ihren Mitarbeitenden ermöglichen, unkompliziert für sie im Ausland zu arbeiten – zum Beispiel im Anschluss an oder in Verbindung mit einem Urlaubsaufenthalt. Doch was gut gemeint ist, hat auch seine rechtlichen Tücken. Unternehmensberater und Auslandsexperte Omer Dotou erläutert in diesem Video was Unternehmen und Arbeitende unbedingt wissen sollten, wenn sie Workation in der Praxis umsetzen möchten.

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