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Omer Dotou - Personaleinsätze im Ausland
Omer Dotou, BDAE Consult

„Die geopolitischen Veränderungen sorgen für Unsicherheit bei Personaleinsätzen im Ausland.“

Personaleinsätze im Ausland haben sich grundlegenden gewandelt und Unternehmen passen ihre Global-Mobility-Strategien an. Welche Märkte aktuell im Kommen sind, worin derzeit die Schwierigkeiten für internationale Firmen bestehen und was Expats wollen, weiß Jurist Omer Dotou von der Unternehmensberatung BDAE Consult.

Expat News: Haben die BRICS-Staaten, also die wirtschaftlich aufstrebenden Schwellenländer für deutsche Unternehmen an Bedeutung gewonnen? Gibt es vermehrt Entsendungen von Expats in dieser Länder?

Dotou: Wir können aus unserer Beratungspraxis nicht bestätigen, dass es vermehrt zu Einsätzen von Mitarbeitenden in den BRICS-Staaten kommt. Lediglich China gilt aus Expats-Sicht weiterhin als relativ attraktiver Markt für deutsche Unternehmen. Relativ attraktiv, weil die formellen Prozesse, Personal nach China zu entsenden, extrem lange dauern. Und weil China als Ort zum Leben für viele potenzielle Expats und ihre Familie nicht an erster Stelle steht. Spätestens seit der Pandemie schrecken deutsche Fachkräfte vor Einsätzen dort zurück. Einige Unternehmen rekrutieren inzwischen Fachkräfte aus dem osteuropäischen Ausland, da diese noch eher gewillt sind, eine Zeit lang in China zu arbeiten, als die deutschen Kolleginnen und Kollegen.

„In vielen Firmen wurde das Investitionsbudget für China verdoppelt.“

Natürlich gibt es Versuche, Lieferketten aus China nach Europa zu holen, doch auch das wird lange dauern und bis dahin ist Deutschland weiterhin stark an China gebunden.

Unsere Beratungskunden in China sind vor allem in der Automobil- und Chemieindustrie verortet. In vielen Firmen wurde das Investitionsbudget für China verdoppelt.

Personaleinsätze im Ausland
© Govan – AdobeStock

China ist und bleibt trotz aller Herausforderungen ein wichtiger Absatzmarkt und somit ein wichtiges Entsendeland für deutsche Unternehmen.

Vor zwei Jahrzehnten galten die BRICS-Staaten als die aufstrebenden Schwellenländer. Deutschland hat in diesen Ländern, aber auch in Amerika und Europa, viel investiert. Aktuell stecken wir in einer Phase der Neuorientierung. Die geopolitischen Veränderungen sorgen für Unsicherheit bei Personaleinsätzen im Ausland. Wir merken, dass die USA und Europa wieder eine stärkere Rolle spielen bei Entsendungen.

„Von echten Pull-Faktoren in den BRICs-Staaten kann aus unserer Sicht keine Rede sein.“

Expat News: Was sind gegenwärtig Pull-Faktoren, weshalb es Unternehmen nach Brasilien, Indien, Südafrika und Indonesien zieht?

Dotou: Für Unternehmen, die in die BRICS-Staaten investieren, ist es abgesehen von den Absatzchancen wichtig, eine gute Infrastruktur vorzufinden. Dazu gehört eine gute Wohnsituation für Expats, Schulen und Kitas für mitreisende Kinder und eine gute Gesundheitsversorgung.

Expat News: Welche Länder sind denn im Kommen?

Dotou: Die Niederlande oder Frankreich sind oft gefragt. Gleiches gilt für Polen oder Ungarn. Wir sehen dort Modelle, bei denen die Mitarbeitenden vielleicht einmal im Monat nach Deutschland kommen, sonst aber wie Entsendete in ihren Ländern arbeiten.

Südafrika beispielsweise ist ein attraktiver Absatzmarkt für deutsche Firmen, allerdings sind auch hier Prozesse in puncto Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse sehr langwierig und kompliziert. Immer wieder kommt es zu Ablehnungen von Anträgen, wie wir beobachten. Es ist kein „Selbstläufer“ für deutsche und europäische Unternehmen in Afrika Fuß zu fassen. So ist beispielsweise für eine Arbeitserlaubnis beispielsweise in Südafrika das Tätigwerden bei einem südafrikanischen Unternehmen Voraussetzung. Wer jedoch zunächst Arbeitnehmer für eine Marktbeobachtung entsenden möchte, hat keine Ambitionen dafür eine Gesellschaft zu gründen. Von echten Pull-Faktoren kann aus unserer Sicht keine Rede sein.

Im Zuge dieser geopolitischen Entwicklung wird zwar ein Bündnis dieser Länder gegen die G7 untereinander angestrebt angestrebt, aber so lange dieses noch nicht existiert, sind diese Staaten für Investoren nicht sonderlich attraktiv. Die Reise geht nach wie vor nach China.

Neue Strategien für Personaleinsätze im Ausland

Expat News: Neben den unternehmensspezifischen Herausforderungen besteht aus Sicht für die Expats im Hinblick auf die medizinische Versorgung jedoch eine große Herausforderung, sich in dem chinesischen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Sollten Unternehmen vor diesem Hintergrund nicht vorsichtig sein mit Entsendungen nach China?

Dotou: Das könnte zum Problem für viele Firmen werden. Denn die Bedeutung des Absatzmarktes China hat sich keinesfalls verändert. Angenommen die Firmen würden einen Teil ihrer Lieferkette nach Europa holen, dann dauert das Jahre und bis dahin bleibt China wichtig. Die deutsche Wirtschaft ist auf den chinesischen Absatzmarkt angewiesen, auch wenn China aufgrund der Pandemie und der aktuellen geopolitischen Lage den Eindruck der Abschottung vermittelt. Umso schwieriger ist es, dass der Personalaustausch zurzeit extrem lang dauert – und zwar in beide Richtungen. Chinesische Mitarbeitende nach Deutschland zu holen ist ähnlich schwierig wie Deutsche ins fernöstliche Land zu bekommen. Da warten wir teilweise Monate auf einen Visumstermin. Ich hoffe, dass sich das in absehbarer Zukunft entspannt.

„Die Reaktionsgeschwindigkeit ist deutlich höher, wenn Expats keine feste Bleibe und Familie im Ausland haben.“

Expat News: Was erfahren Sie von Expats und Global-Mobility-Verantwortlichen in diesen Ländern: Gibt es spezielle Herausforderungen, auf die man unbedingt hinweisen sollte? 

Dotou: Den Unternehmen geht es mehr denn je um die Sicherheit ihrer Mitarbeitenden. Ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis: Ursprünglich wollte eine Mandantin der BDAE Consult seine Mitarbeitenden nach Taiwan entsenden. Üblich war es bis dato, ein Entsendepaket mit allen klassischen Benefits von zwei bis drei Jahren zu schnüren. Doch seit dem Russland-Ukraine-Krieg ist die Firmenführung sehr risikoavers geworden und entscheidet sich für alternative Modelle, wie beispielsweise eine hybride Entsendung, bei der Führungskräfte aus Deutschland heraus Teams führen und mehrmals im Jahr Dienstreisen ins Einsatzland unternehmen. Zu groß ist die Sorge bei den Arbeitnehmenden samt Familie, dass Taiwan zu einem neuen Krisenherd wird und es sich im Ernstfall als schwierig erweisen könnte, Mitarbeitende außer Landes zu bringen.

Die Reaktionsgeschwindigkeit ist deutlich höher, wenn Expats keine feste Bleibe und Familie im Ausland haben. Die Integration eines Notfallkonzepts, in dem klar definiert ist, wie Mitarbeitende im Krisenfall geschützt und unter Umständen evakuiert werden, soll dem deutschen Team bei der hybrid-virtuellen Entsendung die nötige Sicherheit geben.

Expat News: Welche besonderen rechtlichen, insbesondere  sozialversicherungsrechtlichen Aspekte gilt es in diesen Ländern für Entsendungen zu beachten? Hat sich womöglich aktuell etwas geändert?

Omer Dotou - Personaleinsätze im Ausland
Omer Dotou, Leiter der Unternehmensberatung BDAE Consult

Dotou: In puncto Sozialversicherungsabkommen hat es in den letzten Jahren keine Weiterentwicklung gegeben. Es ist bei den bisherigen Sozialversicherungsabkommen mit Brasilien, Indien und China geblieben. Mit Südafrika gibt es ein derartiges Abkommen nicht.

Was wir beobachten ist, dass Brasilien und Mauritius speziell für Remote Worker bzw. digital nomads besondere Visa anbietet, die einen beruflichen Aufenthalt von bis zu einem Jahr ermöglichen.

Expat News: Wie gut sind die jeweiligen Länder aus Sicht von Expats und ihren entsendenden Arbeitgebern durch die Pandemie gekommen? Wo gelingt die Rückkehr in die „Normalität“ am besten?

Dotou: Unsere Muttergesellschaft MSH hat hierzu eine Umfrage unter mehr als 100 international tätigen Firmenkunden getätigt. Eine Erkenntnis daraus war, dass die befragten Unternehmen wieder an Zuversicht gewinnen und ihre internationalen Mobilitätsmaßnahmen für ihre Mitarbeitenden erweitern. Demnach wollen mehr als zwei Drittel  der Unternehmen die Zahl der international mobilen Mitarbeitenden beibehalten oder sogar erhöhen. Was die Dauer der Auslandseinsätze betrifft, so ist diese in den Unternehmen im Vergleich zu 2021 insgesamt stabil geblieben. 88 Prozent der Unternehmen haben die durchschnittliche Dauer der internationalen Mobilität beibehalten oder erhöht.

Während sich die wirtschaftliche Situation im Jahr 2022 für viele der befragten Unternehmen stabilisiert oder sogar verbessert hat, hatte dies auch positive Auswirkungen auf die internationale Mobilität. Der Anteil der Unternehmen, die ihren Bestand an mobilen Mitarbeitenden erhöht haben, ist innerhalb eines Jahres um 25 Prozentpunkte gestiegen: Mehr als jedes vierte Unternehmen gab an, dass sie den Bestand an Expatriates erhöht hat. Im Vorjahr waren es lediglich drei Prozent.

Expat News: Welche Maßnahmen leiten Unternehmen daraus ab?

Dotou: Es zeichnet sich ein grundsätzlicher Wandel ab. So entwickeln immer mehr Unternehmen neue Strategien im Bereich des internationalen Mitarbeitereinsatzes, wie zum Beispiel kürzere, aber häufigere Auslandsaufenthalte, Rotationsmobilität – also die regelmäßige Entsendung von Mitarbeitenden an einen Standort im Ausland – oder Pendeln, also die Möglichkeit für Mitarbeitende im Ausland, am Wochenende nach Hause zu fahren.

„Eine moderne Auslandsentsendung hat kaum noch etwas mit der Form zu tun, wie sie vor 20 oder 40 Jahren praktiziert wurde.“

Die internationale Fernarbeit, also Remote Work, ist bereits für zwei Drittel der Unternehmen gelebte Realität. Diese neue Flexibilisierung und die Veränderung der Formen der Auslandsentsendungen sind auf verschiedene Trends in den vergangenen Monaten zurückzuführen. Einer war sicherlich die Pandemie, die das Homeoffice stark vorangetrieben hat. Die geopolitischen Umstände haben sich stark verändert, das hat zu einem Umdenken geführt und sicherlich auch die Kosten in einigen Bereichen nach oben getrieben. Wir beobachten eine verstärkte Nachfrage nach Remote Work in all ihren neuen Spielarten. Aufgrund der zahlreichen rechtlichen Anforderungen und Risiken, die mit Remote Work im Ausland einhergehen, beschränken sich Unternehmen zunächst auf die EU.

Eine moderne Auslandsentsendung hat kaum noch etwas mit der Form zu tun, wie sie vor 20 oder 40 Jahren praktiziert wurde. In den vergangenen Jahren hat insbesondere der Trend hin zu mehr Workation den Unternehmen eine völlig neue Perspektive gegeben. Statt Mitarbeitende bewusst zu entsenden, wollen diese gern ins Ausland – als Erlebnis, um sich fortzubilden, um sich weiterzuentwickeln oder weil der Partner oder die Partnerin ins Ausland will. Das birgt aber auch Risiken für die Unternehmen.

„Vor allem die Pandemie hat doch gezeigt, dass es Szenarien gibt, in denen man plötzlich nicht mehr nach Hause kommt, wenn etwas schiefläuft.“

Expat News: Welche zum Beispiel? 

Dotou:  Oft erwarten Firmen von ihren Angestellten, dass diese sich selbst um die Formalitäten der Auslandstätigkeit kümmern, wenn diese von den Mitarbeitenden selbst initiiert und gewünscht wurde. Wenn Mitarbeitende sich selbst um Steuern, Sozialversicherung oder Immigration kümmern, läuft man jedoch schnell in ein Compliance-Risiko. Es ist wichtig, die Menschen hier zu unterstützen und vielleicht sogar Lösungen selbst anzubieten. Gerade die vergangenen Monate haben gezeigt, dass es geopolitische Risiken gibt, die man als Firma beachten sollte, wenn die eigenen Mitarbeiter ins Ausland gehen – egal wie lange. Vor allem die Pandemie hat doch gezeigt, dass es Szenarien gibt, in denen man plötzlich nicht mehr nach Hause kommt, wenn etwas schiefläuft. Das hat die familiäre Diskussion sicherlich noch einmal verschärft. Denn viele wollten einhundertprozentige Sicherheit, die es so nicht geben kann.

Personaleinsätze im Ausland
© Prostock-studio – AdobeStock

Die Familie entscheidet mit, ob und unter welchen Voraussetzungen es für den Job ins Ausland geht.

Expat News: Apropos Familie, welche Bedeutung hat diese mittlerweile bei der Auslandsbeschäftigung?

Dotou: Sie ist aus meiner Sicht vielleicht sogar das wichtigste Thema der modernen Entsendung. Ein Großteil der deutschen Expats ist über 40 Jahre alt, hat nicht selten eine Partnerin oder einen Partner und auch Kinder. Wo früher klar war, dass der oder die Partnerin einfach mitgeht und sich vor Ort schon irgendwie zurechtfinden wird, sind die Ansprüche heute deutlich höher. Die meisten Partnerinnen und Partner wollen vor Ort beispielsweise arbeiten, hinzu kommt, dass gerade die Tier-2-Städte etwa in den USA, die aber eben nicht New York oder Washington sind, zurzeit beliebter werden. Das kann abschrecken. Um herauszufinden, ob man sich dort wohlfühlen kann, empfehlen wir eine ausführliche Beratung – inklusive Familie. Früher musste sie aktiv von den Mitarbeitenden angefragt werden, heute ist eine Familienberatung selbstverständlich. Die Begleitpersonen haben ganz eigene Fragen, die man in
einer Beratung gut diskutieren kann.

Über die BDAE Consult:

Das Beratungsunternehmen unterstützt Unternehmen beim Einsatz von Mitarbeitenden im Ausland in alles Facetten: Von der klassischen Entsendung über Dienstreisen bis zur rechtlich sicheren Umsetzung von Remote Work. Dabei bilden die Beraterinnen und Berater der BDAE Consult alle relevanten und interdependenten Rechtsbereiche ab: Aufenthalts-, Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht.

Web: entsendeberatung.bdae.com

Tel: +49 40 85179790-73

E-Mail: beratung@bdae.com