„Wohnmobil-Tourismus ermöglicht nachhaltiges Reisen.“
Wir wissen es alle: Fliegen ist nicht sonderlich klimafreundlich und das derzeitige Chaos an den überfüllten Flughäfen lässt viele über alternative Urlaubsformen nachdenken. Spätestens seit Corona absolut im Trend: Urlaub mit dem Wohnmobil. Aber ist das Reisen im Haus auf vier Rädern wirklich nachhaltig, bekomme ich überhaupt noch ein Wohnmobil und wie geht „Green Vanlife“ überhaupt? Gwendolyn Behnke, Country Managerin Deutschland der europaweiten Wohnmobil-Sharing-Plattform Goboony kennt die Tipps für einen umweltfreundlichen und budgetfreundlichen Roadtrip. Ein Gespräch, wie Reisende in der Hochsaison das richtige Gefährt finden, Sprit sparen, nachhaltige Stellplätze entdecken oder Abfall vermeiden können. Und natürlich kann sie auch erklären, was diese Form des Reisens so unwiderstehlich macht.
Expat News: Wie passen Vanlife beziehungsweise Wohnmobil und Nachhaltigkeit zusammen? Viele Wohnmobil-Modelle werden mit Dieselmotoren betrieben. Das klingt erstmal wenig nach Umweltschutz.
„Der Minimalismus im Wohnmobil bringt schon an sich Nachhaltigkeit mit sich.“
Gwendolyn: Ein Urlaub mit dem Wohnmobil passt super zum Wunsch, nachhaltiger zu reisen. Erstens kostet es weniger Kraftstoff mit dem Wohnmobil zu fahren, als mit dem Flugzeug zu fliegen. Je nach Reiseziel und Größe des Wohnmobils werden aber natürlich auch Treibhausgase produziert. Doch bei der Klimabilanz kommt es nicht nur auf die Reise, sondern auch auf die Unterkunft an. Studien zeigen, dass bei Flugreisen mit Hotel oder Kreuzfahrten ein Vielfaches an Treibhausgasen produziert wird. Zweitens vereinigt Vanlife eine Reihe von Trends, die zusammen zu einer Art von Tourismus beitragen können, die die Natur und Umgebung am Zielort weniger belastet. Sicher, Camper lieben das Abenteuer auf der Straße, haben gleichzeitig aber auch den Wunsch nach mehr Einfachheit, die im heutigen Alltag häufig fehlt. Der Minimalismus im Wohnmobil bringt schon an sich Nachhaltigkeit mit sich.
Expat News: Was ist der Umwelt-Vorteil, wenn ich mein Wohnmobil über eine Sharing-Plattform miete?
Gwendolyn: Die meisten der rund 700.000 Wohnmobile in Deutschland stehen elf Monate im Jahr auf einem Parkplatz. Durch Plattformen wie Goboony werden bereits produzierte Wohnmobile intensiver genutzt. Allein das ist schon nachhaltig. Es ist schließlich nicht notwendig, dass alle ein Wohnmobil besitzen. Auch im Vergleich zu den meisten kommerziellen Wohnmobil-Vermietern punkten Sharing-Plattformen mit Blick aufs Klima. Denn viele erneuern jedes Jahr ihre gesamte Flotte. Was bedeutet: Es müssen laufend neue Camper produziert werden. Das verbraucht unnötig Ressourcen – und treibt die Mietpreise für Reisende im Vergleich um bis zu 25 bis 40 Prozent nach oben. Das Vermieten über Sharing-Plattformen hat für die Eigentümerinnen und Eigentümer den Vorteil, dass sie einen großen Teil der Unterhaltskosten zurückverdienen können. Mieterinnen und Mieter hingegen können das Reisen mit dem Wohnmobil erstmal ausprobieren, bevor sie sich selbst zum Kauf entschließen.
Expat News: Das europäische Parlament berät in diesen Tagen über ein Verbot der Zulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren im Jahr 2035. Wie geht ihre mit dieser Entwicklung um?
Gwendolyn: Wir fördern aktiv den Übergang von Verbrennungsmotoren zu Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb. Schon jetzt haben wir europaweit das größte Angebot an E-Campern auf unserer Plattform. Wir möchten Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnmobilen aktiv darin unterstützen, ihre Dieselfahrzeuge zu ersetzen. Daher bieten wir in den Niederlande ein Sparprogramm an, bei dem Vermietende ihre Einkünfte zu einem guten Zinssatz anlegen können, wenn sie in ein nachhaltiges Wohnmobil investieren. Falls genug Interesse besteht, wird dieses Programm auch in Deutschland eingeführt.
Expat News: Wohin kann ich am besten mit dem Wohnmobil fahren, wenn mir Nachhaltigkeit im Urlaub wichtig ist?
Gwendolyn: Vor allem die Nachbarländer eignen sich gut für einen klimafreundlichen Urlaub. Länder wie Tschechien und Polen bieten eine tolle Vielfalt an Reisezielen an. Von Ski- bis Strandurlaub kommt hier jeder auf seine Kosten. Bei deutschen Urlaubenden sind die skandinavischen Länder beliebte Ziele mit dem Wohnmobil. Viele Reedereien bieten schon jetzt umweltfreundliche Fährverbindungen an. So kann man ganz in Ruhe nach Norwegen, Schweden oder Finnland auf dem Seeweg reisen und spart ein paar Kilometer. Aber auch Urlaub in Deutschland ist im Trend. Die traumhafte Landschaft entlang der Alpenroute sorgt garantiert für Wow-Momente bei der Reise. Für Wassersportfreunde ist natürlich ein Urlaub mit dem Wohnmobil an der Ost- oder Nordsee ideal. Wir empfehlen, sich im Urlaub vor allem Zeit zu lassen und kleinere Strecken am Tag zu fahren. Der Weg ist das Ziel!
„Der begrenzte Raum im Wohnmobil leitet zur Nachhaltigkeit an.“
Expat News: Und wie kann ich mich persönlich verhalten, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern?
Gwendolyn: Wie nachhaltig ein Urlaub ist, hängt natürlich davon ab, was man selbst daraus macht. Dazu gehört, das Wohnmobil auch mal stehen zu lassen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Mit Blick auf die Müllberge ist es besser, das eigene Geschirr mitzunehmen, statt Einweg-Besteck und Fertigprodukte zu gebrauchen. Ganz sicher lohnt es sich, am Urlaubsort frische Lebensmittel auf lokalen Märkten einzukaufen. Der begrenzte Raum im Wohnmobil leitet zur Nachhaltigkeit an. Dieses Loslassen von materiellen Dingen empfinden viele Camper als befreiend. Oft erfordert die Situation, dass man sparsam mit Ressourcen umgehen muss: Je nach Standort ist nicht immer Wasser und Strom vorhanden, sodass man sich auf das Wesentliche beschränken muss.
Expat News: Wie finde ich Campingplätze, die meinem Anspruch nach Nachhaltigkeit genügen?
Gwendolyn: Es gibt in Deutschland, genauso wie in ganz Europa, eine ständig wachsende Anzahl von Anbietern von nachhaltigen Camping- und Stellplätzen. Eine tolle Alternative zu überfüllten Anlagen in der Hochsaison sind Mikro-Campings. Es gibt mehrere Plattformen, die wunderschöne und kleinschalige Stellplätze anbieten. Kinder sind ganz sicher von einem Platz auf einem Bauernhof begeistert. Oder wie wäre es ein paar Nächten auf einem Weingut in Frankreich? Die Öko-Bilanz dieser kleinen Campings ist viel besser als die großer Anbieter.
Expat News: In der aktuellen Situation ist Benzin sparen schon allein aus Kostengründen ein wichtiges Thema. Geht das mit dem Wohnmobil?
Gwendolyn: Fest steht: Auf der Fahrt muss getankt werden und CO2-Emissionen sind nicht vermeidbar. Und doch kann der Urlaub mit dem Wohnmobil sogar recht günstig ausfallen. Der Vorteil an einer Sharing-Plattform ist, dass jeder das passende Wohnmobil finden kann. Wer Benzin sparen will, kann sich bewusst für ein kleines Fahrzeug entscheiden. Am besten informiert man sich zudem über Apps über die günstigsten Tankstellen am Weg. Auch kleine Preisunterschiede wirken sich aus, wenn man einen 90-Liter-Tank befüllt. Generell empfiehlt es sich, unnötiges Gepäck zu Hause zu lassen und den Wassertank vor der Abfahrt zu leeren. Wichtig ist auch zu überprüfen, ob die Reifen genug Druck haben und es lohnt es sich, bei einer gleichmäßigen Geschwindigkeit von 100 km/h zu reisen.
Fakten zum nachhaltigen Reisen mit Wohnmobil
Es gibt 2022 nahezu 700.000 Wohnmobile in Deutschland.
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 86.702 Wohnmobile zugelassen. Zwischen 2015 und 2020 nahm die Anzahl der Wohnmobile um 50 Prozent zu.
Ein Flug von Frankfurt an die italienische Adria (1200 km) verursacht 237 Kilogramm CO2 pro Person. Die Anreise im Wohnmobil mit mehreren Personen an die Ostsee (1000km) verursacht hingegen nur 168 Kilogramm CO2.
Millennials legen laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz, den sie für sich beim Reisen mit dem Wohnmobil ausfindig gemacht haben.
Trends auf Instagram: #vanlife: 13 Millionen Beiträge, #sustainabletravel: 400.000 Beiträge, #nachhaltigreisen: 37.500 Beiträge
Über Goboony:
2011 ist Mark de Vos im Camper unterwegs durch Neuseeland, von Nord nach Süd. Mit dabei sind seine Frau und zwei Kinder, damals vier Monate und knapp zwei Jahre.
Mitten im Nirgendwo trifft er auf den Niederländer Foppe Mijnlieff, der gerade – ebenfalls mit seiner Frau und Kindern im selben Alter – in die entgegengesetzte Richtung unterwegs ist. Buchstäblich im Sandkasten eines Campingplatzes kommen die Familien ins Gespräch. Durch die gemeinsame Liebe fürs Abenteuer ist das Eis schnell gebrochen. Jahre später wird diese Begegnung zur Gründung von der Sharing-Plattform für Wohnmobil-Fans.