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„Ab und zu kollidiert man mit den Interessen der Steuerberater“

Das Zuwanderungsrecht ist sehr komplex und manchmal auch konträr zu anderen Rechtsgebieten. Das stellt Personalabteilungen immer wieder vor unzählige Herausforderungen. Fehleinschätzungen haben häufig große Konsequenzen nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die ausländischen Mitarbeiter. Expat News sprach mit Dr. Michael Wrage und Holger Guse, Rechtsanwälte für Zuwanderungsrecht, über die Tücken beim Einsatz ausländischer Mitarbeiter.

EXPAT NEWS: Worauf müssen Personalverantwortliche in deutschen Unternehmen in punkto Aufenthaltsrecht achten, wenn ausländische Mitarbeiter in Deutschland eingesetzt werden? Was ist aus Ihrer Sicht das A und O?

Dr. Wrage: Grundsätzlich muss bedacht werden, dass ausländische Mitarbeiter eine Aufenthalts- und eine Arbeitsgenehmigung besitzen müssen.

Guse: Und diese müssen bereits am ersten Arbeitstag vorliegen. Das bedeutet, dass sich Personalverantwortliche bereits im Vorwege um die entsprechenden Genehmigungen kümmern sollten. Außerdem sollten sie sicherstellen, dass die Genehmigungen gültig sind und rechtzeitig ein Verlängerungsverfahren eröffnen, falls notwendig. Ebenso wichtig ist, dass darauf geachtet wird, bei jeder Änderung in Bezug auf den ausländischen Mitarbeiter – sei es, dass sich die Position ändert oder dass der Mitarbeiter von einer Gesellschaft in eine andere versetzt wird – die Behörden zu involvieren. Das sind die wesentlichen Aufgaben, die Personalverantwortliche in diesem Kontext bewerkstelligen sollten.

„Der Grund des Deutschlandaufenthalts ist maßgebend“

 

EXPAT NEWS: In Bezug auf die Steuerpflicht spielt es unter anderem eine wichtige Rolle, aus welchem Grund sich der Mitarbeiter in Deutschland aufhält und oft finden Ausnahmen wie beispielsweise die 183-Tage-Regelungen Anwendung. Gibt es im Aufenthalts- und Arbeitsrecht vergleichbare Besonderheiten oder Unterschiede?

Dr. Wrage: Es gibt in der Tat auch im Aufenthaltsrecht unterschiedliche Aufenthaltszwecke. Für uns und für die Personalabteilungen ist der wesentliche Aufenthaltszweck die Erwerbstätigkeit. Daneben gibt es noch den Familienzweck, aus dem die Angehörigen des ausländischen Mitarbeiters nach Deutschland kommen. Eine weitere für die Personalabteilungen wichtige Aufenthaltsgenehmigung ist jene zu Studienzwecken, weil die Studenten oft auch als Werkstudenten tätig sind, ihre Masterarbeiten in Unternehmen schreiben oder aber nach Abschluss ihres Studiums eine reguläre Tätigkeit aufnehmen wollen. Dann gehört es zu den Aufgaben der Personalabteilung, einen Übergang von einer Aufenthaltsgenehmigung zu Studienzwecken zu einer Aufenthaltsgenehmigung zu Arbeitszwecken zu schaffen.

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Daneben gibt es in der Tat auch zu der 183-Tage-Regelung eine Entsprechung im Aufenthaltsrecht. Grundsätzlich ist es so, dass jeder, der eine deutsche Aufenthaltsgenehmigung hat, sich auch in Deutschland aufhalten muss. Eine Aufenthaltsgenehmigung wird ungültig, wenn man sich länger als sechs Monate oder 183 Tage in einem Zwölfmonatszeitraum im Ausland aufhält. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, zu dem wir häufig Anfragen erhalten.

Guse: In diesem Punkt kollidiert man auch ab und zu mit den Interessen der Steuerberater. Da unter bestimmten Voraussetzungen keine Steuerpflicht besteht, wenn der ausländische Mitarbeiter unter diesen 183 Tagen in Deutschland bleibt, wird versucht den Einsatz des Mitarbeiters auf einen kürzeren Einsatzzeitraum zu beschränken. Um aber einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland haben zu können, der notwendig ist, damit der Mitarbeiter in Deutschland arbeiten darf, müssen sich die ausländischen Mitarbeiter jedoch mehr als 183 Tage im Jahr in Deutschland aufhalten.

„Man muss Geschäftsreisen von Erwerbstätigkeit abgrenzen“

 

EXPAT NEWS: Gelten diese Voraussetzungen auch für Geschäftsreisende oder unterscheidet der Gesetzgeber hierbei? Und wenn ja, nach welchen Merkmalen wird abgegrenzt?

Dr. Wrage: Geschäftsreisen werden von einer Erwerbstätigkeit abgegrenzt. Die Abgrenzung erfolgt in Bezug auf die Aufenthaltszeit und die Tätigkeit. Eine Geschäftsreise dauert immer maximal drei Monate. Wesentlicher für die Abgrenzung ist jedoch die Frage nach der Art der Tätigkeit. Das ist besonders wichtig für Personalabteilungen, denn das stellt eine Hauptfehlerquelle im Zuwanderungsrecht dar. Wenn ein ausländischer Geschäftsmann oder eine ausländische Geschäftsfrau nach Deutschland kommt und mit einem Geschäftspartner in Deutschland in ein Geschäft eintritt, Verhandlungen oder Besprechungen führt, Verträge abschließt oder vielleicht die Durchführung dieser Verträge überwachen möchte, handelt es sich um eine Geschäftsreise. Aber das sind dann bereits alle möglichen Tätigkeiten einer Geschäftsreise. Alle anderen Tätigkeiten und zwar unabhängig davon, wie lange sie dauern, sind eine Erwerbstätigkeit und damit arbeitsgenehmigungspflichtig. Dass bedeutet auch, dass beispielsweise Trainings, insbesondere „Trainings on the Job“, Beratungen, Installationen von Software, Accounting, Controlling eine Erwerbstätigkeit sind. Für all diese Tätigkeiten muss folglich ein Arbeits- und kein Geschäftsreisevisum beantragt werden.

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Seminar_Einsatz_AuslandsmitarbeiterSeminar am 18. September 2014

Einsatz ausländischer Mitarbeiter in Deutschland

Schwerpunkte des Praxistages:

– Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungsrecht
– Sozialversicherungsrecht
– Steuerrecht
– Integration

 

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EXPAT NEWS: Welche Konsequenzen hat beispielsweise so eine Fehleinschätzung für das Unternehmen in Deutschland?

Dr. Wrage: Es gibt einen Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit. Wenn ein Unternehmen vorsätzlich jemanden ohne gültige Arbeitsgenehmigung beschäftigt ist das eine Straftat, die auch im Gesetzbuch entsprechend bestraft wird. Wenn ein Unternehmen jemanden fahrlässig illegal Beschäftigt hat, stellt das eine Ordnungswidrigkeit dar und die ist mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 500.000 Euro pro Einzelfall und pro Mitarbeiter belegt. Handelt es sich um mehrere Mitarbeiter, können da schnell mal größere Summen zusammenkommen. Dazu verspielt sich das Unternehmen auch den „Good will“ der Behörden, die zukünftig weitere Arbeitsgenehmigungen erteilen sollen.

EXPAT NEWS: Wie kommt es überhaupt heraus, dass Unternehmen Mitarbeiter illegal beschäftigen?

Dr. Wrage: Das ist eine ganz wesentliche Frage, die sich auch die Personaler häufig stellen. Wenn beispielsweise ein ausländischer Mitarbeiter für drei Monate nach Deutschland in ein Unternehmen kommt, wird dieser dort nicht als Mitarbeiter geführt, wenn das Unternehmen von einer Geschäftsreise ausgeht. In der Regel dauert es immer erst zwei bis drei Jahre bis eine illegale Beschäftigung herauskommt. Der Zoll, der illegale Beschäftigung bekämpft, überprüft in diesem Zusammenhang die Firmen stichprobenartig und lässt sich von den Unternehmen nicht die Mitarbeiterlisten sondern die Anwesenheitslisten vorlegen. Sollte der Zoll dann feststellen, dass in einem bestimmten Zeitraum verschiedene ausländische Staatsbürger beispielsweise auf dem Werksgelände eines Unternehmens waren, verlangt er die entsprechenden Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Sollten diese Genehmigungen nicht existieren, wird es schwierig den Zoll davon zu überzeugen, dass es sich bei diesem Aufenthalt nur um eine Geschäftsreise gehandelt hat. Denn der Zoll könnte argumentieren, dass es unwahrscheinlich ist, dass auf einem Werksgelände über mehrere Wochen Geschäftsverhandlungen stattfinden. Um nicht in eine solche Situation zu kommen, ist es wichtig, dass Personaler solche Dinge bereits im Vorwege klären.

„Bußgelder für Mitarbeiter können bis zu 5.000 Euro hoch sein“

 

Guse: Man muss dahingehend auch immer wieder als Berater auf die Personalverantwortlichen einwirken und auf die Notwendigkeit zur genauen Unterscheidung zwischen Erwerbstätigkeit und Geschäftsreise hinweisen. Wir haben für die Personalverantwortlichen unserer Mandaten schon oft zu diesem Thema E-Mails aufgesetzt. Diese wurden in die entsprechenden Fachbereiche verteilt, um sie auf dieses Thema zu sensibilisieren. Eine große Schwierigkeit hierbei ist, dass der Personalbereich nicht zwingend mitbekommt, wer sich zu welchem Zweck auf dem Gelände beziehungsweise in dem Unternehmen aufhält, wenn diejenigen nicht eingestellt sind. Daher ist eine Sensibilisierung hier umso wichtiger.

EXPAT NEWS: Muss auch der Mitarbeiter mit rechtlichen Konsequenzen rechnen?

Dr. Wrage: Wenn aktenkundig wird, dass ein Mitarbeiter in Deutschland illegal beschäftigt wurde, dann hat er mit Sicherheit Schwierigkeiten, in der Zukunft wieder ein Arbeitsvisum zu bekommen. Außerdem wird auch der Mitarbeiter mit Bußgeld belegt. Das sind bis zu 5.000 Euro.

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Relevanter in der Praxis ist aber das Verfahren für den Arbeitgeber. Die Staatsanwaltschaft wird versuchen, die Personalabteilung zu belangen und wenn sie da nicht habhaft werden kann, wird sie an die Geschäftsführung gehen. Das heißt also, das Thema stellt sich für jeden, der Ausländer beschäftigt. Hier muss zwingend gehandelt werden, um Konsequenzen für das Unternehmen zu vermeiden.

EXPAT NEWS: Gibt es gesetzliche Vorschriften, die dabei helfen Fehleinschätzungen zu vermeiden?

Dr. Wrage: Es gibt bei den Botschaften Merkblätter. Da wird einem genau gesagt, was man vorlegen muss. Das ist aber äußerst komplex.

Guse: Eigentlich ist es ja auch so gedacht: Der ausländische Arbeitnehmer soll selbst zur Botschaft gehen, dort eigenständig seinen Visumsantrag stellen und alles Weitere veranlassen. Allerdings dauert so ein Verfahren mindestens drei bis vier Monate. So lange der Antrag bei der Botschaft liegt, kennt der ausländische Antragssteller jedoch nicht den aktuellen Bearbeitungsstand, was natürlich häufig zu großen Unsicherheiten bei dem Antragssteller führt.

EXPAT NEWS: Gibt es Möglichkeiten, diese lange Bearbeitungszeit zu verkürzen?

Dr. Wrage: Durch Nachhaken an den entsprechenden Stellen, kann man das Verfahren auf vier bis sechs Wochen reduzieren und erhält Planbarkeit und kann einschätzen ob das Verfahren gut ausgeht. Wir würden für unsere Mandanten nur einen Antrag stellen, wenn wir genau wissen, dass dieser genehmigungsfähig ist.

Guse: Von uns bekommt ein Unternehmen, das uns kontaktiert und uns die konkreten Rahmenbedingungen nennt, oft schon direkt eine genaue Einschätzung inwieweit der Antrag bewilligt wird. Und in Fällen, in denen es zu Schwierigkeiten kommen könnte, verhandeln wir auch schon einmal mit der Ausländerbehörde oder der Agentur für Arbeit vor. So erfahren wir, was eventuell leicht verändert werden müsste, damit es zu einer positiven Entscheidung kommt. Spätestens dann erhalten unsere Klienten eine endgültige Einschätzung. Wir sagen unseren Mandanten auch, wenn ein Fall aussichtslos ist und sich eine Antragsstellung nicht lohnt.

EXPAT NEWS: Wie schätzen Sie Ihren Erfahrungen nach den Bedarf an Weiterbildung bei Personalverantwortlichen auf dem Gebiet Zuwanderungsrecht ein? Ist Weiterbildung notwendig?

Dr. Wrage: Ja unbedingt, denn das kann man alles gar nicht wissen. Wir beschäftigen uns mit diesem Thema seit 15 Jahren und es ist wirklich sehr komplex. Es ändert sich permanent etwas. So werden beispielsweise neue Rechtsverordnungen erlassen oder Verfahren ändern sich. Ohne genaue Kenntnisse kann man so ein Verfahren kaum betreiben.

Guse: Es gibt natürlich auch in Personalabteilungen Leute, die auf diesem Gebiet versiert sind, das Verfahren genau kennen und sich über Jahre damit befassen. Aber da muss man immer auf dem neusten Stand sein und sich weiterbilden.

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