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Verspätung wegen vorhersehbarer Enteisung des Flugzeuges
© Chalabala - AdobeStock

Verspätung wegen vorhersehbarer Enteisung des Flugzeuges: Passagiere erhalten Ausgleichszahlung

Kommt es wegen einer notwendigen, wetterbedingten Enteisung des Flugzeugs zu einer Verspätung, kann sich die Fluggesellschaft nicht auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 der Fluggast­rechte­Verordnung (VO) berufen. Passagiere haben somit Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Das hat das Amtsgericht Düsseldorf mit einem Urteil bestätigt (Az. 37 C 335/22).

Im vorliegenden Fall wollte ein Fluggast im Dezember 2021 von Minneapolis/St. Paul über Amsterdam nach Düsseldorf fliegen. Der Flug startete  wegen einer Enteisung jedoch verspätet und erreichte Amsterdam so spät, dass der Kläger seinen Anschlussflug nicht erreichen konnte. Ihm wurde zwar eine Ersatzbeförderung von Amsterdam nach Düsseldorf angeboten, allerdings erreichte der Fluggast sein Ziel erst mit einer Verspätung von 3 Stunden und 51 Minuten.

Keine außergewöhnlichen Umstände für die Airline

Die Distanz zwischen dem Abflug- und Ankunftsort beträgt 6.881 km. Der Passagier verlangte von der Airline eine Ausgleichszahlung nach Artikel 5 Absatz 3 der Fluggast­rechte­-Verordnung (VO). Die Fluggesellschaft wollte ihm diese jedoch nicht zahlen: Die Begründung: Die Verspätung des Flugs habe auf Verzögerungen bei der erforderlichen Enteisung des Flugzeugs beruht. Damit hätten außergewöhnliche Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 der VO vorgelegen.

Das sahen die Richterinnen und Richter des  Amtsgericht Düsseldorf jedoch anders.  Die Fluggesellschaft können sich nicht auf außergewöhnliche Umstände gemäß Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-Verordnung berufen. Bei der Enteisung des Flugzeugs handelt es sich um eine Tätigkeit, für welche die Airline selbst verantwortlich ist, da sie für die Sicherheit des Fluggeräts verantwortlich ist. Daher sind die Mitarbeitenden der Enteisung Erfüllungsgehilfen nach § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dies gilt auch dann, wenn diese nicht bei der Airline beschäftigt sind, sondern die Enteisung über eine Enteisungsstelle des Flughafens läuft, die zugleich von anderen Flugzeugen angefahren wird. Organisationsfehler dort, die zu Verzögerungen führen, sind der Fluggesellschaft zuzurechnen.

Zeit für Enteisung war nicht im Flugplan berücksichtigt worden

Letztlich kommt es aber nicht mehr darauf an, ob die langsamen Abläufe an der Enteisungsanlage auf einem der Airline zuzurechnenden Organisationsverschulden beruhen, da außergewöhnliche Umstände schon deshalb ausscheiden, weil die Beklagte die Enteisungszeit im Flugplan nicht berücksichtigt hat. Laut der für das Beschwerdemanagement der Fluggesellschaft zuständigen Mitarbeiterin, hat das Flugzeug gemäß der Angaben im Computersystem der Beklagten planmäßig die Parkposition um 03:20 Uhr zu verlassen und hat planmäßig um 03:33 Uhr die Startposition zu erreichen. Die Enteisung hat auf dem Weg von der Parkposition zur Startposition mit den Fluggästen an Bord zu erfolgen, da die Enteisung unmittelbar vor dem Start des Flugzeugs erfolgen muss.

Enteisung ist im Winter in Minneapolis regelmäßig erforderlich

Durch die Wartezeit bei der Enteisung ist der Abflug nach den Angaben der Zeugin 69 Minuten später als geplant erfolgt und die Parkposition in Amsterdam ist um 11:51 Uhr und damit noch 36 Minuten später erreicht worden. Nach den weiteren Ausführungen der Airline ist eine Enteisung bei einem Abflug in Minneapolis im Winter immer erforderlich, weil es regelmäßig dort schneie. Die Dauer der Enteisung betrage 30 bis 90 Minuten. Da der Fluggesellschaft somit bekannt ist, dass die Enteisung in Minneapolis im Winter regelmäßig erforderlich ist und durchschnittlich 60 Minuten dauert, muss ein entsprechender Zeitraum auch im Flugplan berücksichtigt sein – sei es durch eine größere Flugzeitreserve oder durch die Berücksichtigung bei den minimal möglichen Umsteigezeiten. Das müsse laut Einschätzung des Gerichts für solche Verzögerungen gelten, die nach allgemeiner Erfahrung nicht auf dem jeweiligen Flughafen ungewöhnlich sind. Dabei sind die konkrete Verkehrszeit (Haupt-, Normal- oder Schwachverkehrszeit), die Zahl der in dieser Zeit abzufertigenden Flüge und die Leistungskapazität des Flughafens zu berücksichtigen.

Da die Enteisung in Minneapolis im Winter typischerweise zur Vorbereitung des Abflugs erforderlich ist und die tatsächliche Enteisungszeit sich noch im Bereich des Durchschnitts üblicher Enteisungszeiten in Minneapolis bewegt, stellt ein hierdurch verursachter Anschlussverlust keinen außergewöhnlichen Umstand dar.