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Reisestorno wegen Corona: Das sind die aktuellen Rechte bei einer Pauschalreise

Es kommt immer öfter vor, dass sich Personen, die ihren gebuchten Auslandsurlaub wegen einer Corona-Reisewarnung kurzfristig selbst storniert haben und sich wundern, weil sie hohe Stornokosten zahlen mussten. Anders als bei einer  Pauschalreise können Individualreisen während der Corona-Pandemie nicht einfach so kostenlos storniert werden.

Darauf weist das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland hin und gibt juristischen Rat, wann Verbraucher Geld zurück erwarten können und wie sich die einzelnen Reiseformen unterscheiden.

So unterscheidet sich eine Individual- von einer Pauschalreise

Bei einer Individualreise stellen Urlauber Reiseleistungen einzeln nach eigenen Wünschen zusammen. Dabei werden Flug, Unterkunft und Ausflüge bei unterschiedlichen Anbietern gebucht und bezahlt. Klassische Individualreisen sind zum Beispiel ein einzeln gebuchter Flug oder der Ferienhausurlaub mit eigener Anreise.

Eine Pauschalreise ist ein vorgefertigtes Reisepaket, das aus mindestens zwei Hauptreiseleistungen besteht,zum Beispiel Flug plus Übernachtung oder Hotel plus Musical-Ticket. Auch wenn zwei Hauptreiseleistungen getrennt voneinander ausgewählt und vom Buchungsportal oder Reisebüro zu einem Gesamtpaket mit Gesamtpreis zusammengefasst werden, handelt es sich um eine Pauschalreise – typisch für Flug- und Hotelbuchungen. Zu den Pauschalreisen zählen aber auch Kreuzfahrten und Tagesreisen, die mehr als 500 Euro kosten.

Was bei Reiseabbruch wegen Covid-19 gilt

Wer früher als geplant zurückreisen muss, kann nach  Auffassung der EVZ einen Teil des Reisepreises zurückverlangen. Die Höhe hängt von der Zahl der Tage ab, um die Ihre Reise verkürzt wird.

Pauschalreise
Diese Broschüre des Europäischen VerbraucherschutzesDiese Broschüre des Europäischen Verbraucherschutzes liefert fasst die Rechte von Reisenden in Zeiten von Corona zusammen und bietet juristische Hilfestellung.

 

Aber auch hier gilt: Wie die Gerichte diesen Fall letztendlich beurteilen werden, bleibt abzuwarten. Man sollte zunächst versuchen, mit dem Reiseveranstalter eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Und wer übernimmt die Kosten bei einem verlängerten Aufenthalt wegen des Coronavirus? Wenn Urlauber nicht zum geplanten Zeitpunkt zurückreisen können, weil zum Beispiel der Flug aufgrund des Coronavirus ausfällt, muss der Reiseveranstalter die Kosten für den verlängerten Aufenthalt für bis zu drei Tage tragen. Was darüber hinaus geht, müssen Betroffene selbst bezahlen, sofern die Kosten nicht von einer anderen Institution (zum Beispiel Behörden) übernommen werden.

Wird man am Urlaubsort unter Quarantäne gestellt, übernehmen in manchen Ländern die Behörden die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten. Das hängt allerdings von den dort jeweils geltenden Gesetzen ab.

Individualreisende haben schlechte Karten

Wird das Urlaubsgebiet plötzlich zum Risikogebiet erklärt oder das Auswärtige Amt spricht eine Reisewarnung aus, haben Pauschalurlauber dank der EU-Pauschalreiserichtlinie mehr Rechte, als Urlauber, die nur eine einzelne Reiseleistung gebucht haben. Um nicht böse überrascht zu werden, müssen Individualreisende bei der Buchung ganz genau hinschauen, welche Stornierungs- und Umbuchungsbedingungen gelten. Insbesondere bei Unterkünften können die Stornokosten ansonsten sehr hoch ausfallen, teilweise 80 Prozent bis 100 Prozent, wenn der Gast kurzfristig absagt. Einige Betreiber – beispielsweise manche Ferienhausanbieter und Fährgesellschaften – bieten jedoch Stornierungsoptionen an, die bei der Buchung für wenige Euro hinzugebucht werden können.

Wer eine Individualreise aus Angst nicht antreten möchte, dem bleibt ansonsten nichts Anderes übrig, als auf die Kulanz der Anbieter zu hoffen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Reise durchgeführt werden könnte, der Flieger also startet oder das Ferienhaus zur Verfügung steht. „Die größte finanzielle Last trägt derzeit in vielen Fällen der Urlaubsgast. Wünschenswert wäre eine bessere Risikoverteilung zwischen Anbieter und Verbraucher“, sagt EVZ-Juristin Sabine Blanke.

Airlines geben sich manchmal kulant

Wird die Reise hingegen vom Betreiber gestrichen, beispielsweise die Übernachtung im Ferienhaus, sind die Chancen auf eine Erstattung hoch. Annulliert die Airline den Flug, bekommen Fluggäste auf jeden Fall ihr Geld zurück.

Viele Fluggesellschaften zeigen sich in der aktuellen Lage kulant und bieten die Möglichkeit einer kostenfreien Umbuchungen oder Stornierungen an. Betroffene sollten jedoch bei Umbuchungen darauf achten, was das Angebot genau beinhaltet. Häufig werden nur die Umbuchungsgebühren erlassen.

Kostet dann der alternativ ausgewählte Flug mehr als der ursprünglich gebuchte, müssen Verbraucher die Differenz selbst tragen. Haben Betroffene ihren Flug über ein Buchungsportal gebucht, ist bei Problemen die Airline ihr erster Ansprechpartner, auch wenn diese den Ticketpreis direkt an das Buchungsportal bezahlt haben.

Reiserücktrittsversicherung hilft nicht bei Reisewarnungen

Eine Reiserücktrittsversicherung hilft übrigens nicht bei einer Reisewarnung. Der Versicherungsschutz besteht hier nur, wenn dem Reisenden selbst etwas widerfährt, wie etwa eine schwere Erkrankung, eine schwere Unfallverletzung, Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit.

Die Europäische Kommission hat kürzlich Auslegungsrichtlinien zu den Passagierrechten vorgelegt, die sicherstellen sollen, dass die Rechte der Reisenden europaweit einheitlich Anwendung finden. Diese sind hier als PDF (bislang nur in englischer Sprache) downloadbar

Aktuelles Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 11. August 2020 für eine Pauschalreise

Verbraucher, die aufgrund der Infektionsgefahr mit Covid-19 eine Reise storniert haben, können unter Umständen auch ohne Reisewarnung den vollen Reisepreis zurückverlangen. Im vorliegenden Fall (Az.: 32 C 2136/20) hat der Kläger am 7. März eine für den 14. April geplante Reise auf die Insel Ischia storniert und dabei außergewöhnliche Umstände in Italien und eine Erkrankung als Grund angegeben. Seine Bitte an den Reiseveranstalter, auf die 25 Prozent Stornogebühren zu verzichten wurde mit der Begründung abgelehnt, es habe zu diesem Zeitpunkt keine Reisewarnung bestanden.

Das Gericht urteilte wie folgt: Entscheidend sei nicht die Reisewarnung, sondern wann der Urlauber die Pauschalreise storniert hat und ob zu diesem Zeitpunkt bereits außergewöhnliche Umstände vorlagen. Für die Annahme genüge eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Virus. Im verhandelten Fall sei dies zum Zeitpunkt der Reisestornierung für ganz Italien der Fall gewesen, so das Gericht in der Urteilsbegründung.

Sollten Betroffene in solch einem Fall Stornogebühren bezahlt haben, weil sie selbst storniert haben, sollten diese noch einmal Kontakt zu ihrem Pauschalreiseveranstalter aufnehmen und um die Erstattung der Stornogebühren bitten.

Übrigens: Die reine Angst, zu erkranken, reicht nicht aus, um eine Reise kostenfrei abzusagen.

Vier von zehn Deutschen haben 2020 ihren Urlaub stornieren müssen

40 Prozent der Deutschen haben laut einer aktuellen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom in diesem Jahr bereits einen Urlaub in Zusammenhang mit dem Corona-Virus storniert. Dabei haben die Betroffenen größtenteils Übernachtungen in Hotels oder Ferienwohnungen (63 Prozent) und komplette Pauschalreisen (50 Prozent) storniert. Einen Flug hat jeder Fünfte (21 Prozent) gecancelt, bei 14 Prozent handelt es sich um Bahntickets. Fünf Prozent der Urlauber, die eine Reise absagen mussten, haben die Buchung eines Mietwagens storniert. 

Pauschalreise

Der meistgenutzte Stornierungsweg war demnach die Webseite des Reiseanbieters (42 Prozent). 37 Prozent derjenigen, die eine geplante Urlaubsreise wegen Corona abgesagt haben, haben mit einer E-Mail storniert. Per Brief (34 Prozent), telefonisch (30 Prozent) und persönlich im Reisebüro (26 Prozent) folgen dahinter. Deutlich seltener wird das Fax genutzt (8 Prozent). Vier Prozent stornierten per App und 2 Prozent per Messenger-Dienst. 

Jeder fünfte hat nur Teil der Pauschalreise erstattet bekommen

Die Befragten konnten – je nach Anzahl ihrer stornierten Reiseleistungen – mehrere Optionen angeben. Die Befragung wurde im Juni 2020 durchgeführt. Insgesamt haben zwei Drittel der Betroffenen die Stornierung teilweise oder komplett online vorgenommen. 31 Prozent haben ausschließlich analog storniert. „Das Corona-Virus und die weltweiten Reisebeschränkungen haben das Reisen in viele Länder in diesem Jahr unmöglich gemacht oder stark erschwert. Auch wenn jetzt wieder teilweise Lockerungen bestehen, wollen viele Menschen aus Sorge um Ansteckungen an Flughäfen, Bahnhöfen oder durch Touristenmassen vor Ort nicht in den Urlaub fahren.

Der Erfolg der Reisestornierung war dabei für die Verbraucher höchst unterschiedlich: Immerhin 41 Prozent haben den Reisepreis vollständig erstattet bekommen, fast ebenso viele (40 Prozent) mussten sich mit einem Gutschein begnügen. Jeder Fünfte (19 Prozent) hat allerdings nur eine teilweise Rückerstattung erhalten, bei ebenfalls 20 Prozent ist die Rückerstattung noch offen. Zwei Prozent haben keinerlei Rückerstattung erhalten.