Skip to main content
Ad
BGH-Urteil: Bei Flugausfall müssen Fluggesellschaften schnellstmöglich Ersatzbeförderung organisieren
© Ekaterina Pokrovsky, AdobeStock

BGH-Urteil: Bei Flugausfall müssen Fluggesellschaften schnellstmöglich Ersatzbeförderung organisieren

Werden Flüge aufgrund von außergewöhnlichen Umständen annulliert, sind die Fluggesellschaften verpflichtet, eine Ersatzbeförderung anzubieten – und zwar zum nächstmöglichen Zeitpunkt! Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 11. Oktober 2023 in zwei Verfahren (Az. X ZR 107/22, Az. X ZR 123/22) entschieden.

Demnach sind die Fluggesellschaften verpflichtet, den Passagierinnen und Passagieren neben der möglichen Ersatzbeförderung durch eigene Alternativflüge, auch Direktverbindungen oder Umsteigeverbindungen anderer Fluggesellschaften anzubieten, sofern die Passagierinnen und Passagiere ihr Reiseziel so früher erreichen. Außerdem stellte der BGH klar, dass es nicht genügt, wenn die Fluggesellschaften nach Ablauf von drei Stunden, dann nämlich, wenn den Passagierinnen und Passagieren eine Entschädigung laut EU-Recht zusteht, sich nicht mehr um eine schnellstmögliche Ersatzbeförderung bemühen.

„Das Urteil ist für die vielen Flugreisenden, die von Ausfällen betroffen sind, ein Erfolg und stärkt deren Rechte nachhaltig. Der EuGH hatte bereits im Juni 2020 entschieden, dass Fluggesellschaften gezwungen sind, Passagier:innen bei großen Verspätungen sowie Flugausfällen schnellstmöglich eine Ersatzbeförderung anzubieten. Trotz dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung war eine Bestätigung durch das oberste deutsche Gericht nötig, da es vereinzelt immer noch deutsche Gerichte gibt, die die sehr verbraucherfreundliche Rechtsprechung des EuGH zu umgehen versuchen. In der Vergangenheit haben sich die Airlines die Unwissenheit der Passagier:innen oft zunutze gemacht und sich nur langsam oder gar nicht um mögliche Ersatzbeförderungen durch andere Fluggesellschaften gekümmert. Durch das Urteil wird das jetzt hoffentlich beschleunigt und die Leidenszeit der Flugreisenden verringert. In jedem Fall sorgt das Urteil aber dafür, dass Passagiere beim Trödeln der Fluggesellschaften zu ihren berechtigten Ausgleichszahlungen kommen“, so Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright.

Landesgerichte lehnten zuerst Entschädigungsanspruch ab

Flightright ist ein Verbraucherportal für die Durchsetzung von Fluggastrechten. Im Fall einer Flugverspätung, Annullierung oder Nichtbeförderung beruft sich Flightright auf die Fluggastrechte-Verordnung 261/2004 der Europäischen Union. In diesem Fall klagte Flightright wegen zwei Flugausfällen, deren Ersatzbeförderung erst mit extremer Verspätung erfolgte. Es handelte sich um einen Flug  von Newark nach München im Jahr 2018, den die Lufthansa annullierte wegen eines Bomben-Zyklons an der Ostküste. Die Passagierinnen und Passagiere kamen letztendlich mit einer Verspätung von 98 Stunden in München an. Der andere Flug sollte 2020 von Reykjavik nach München gehen, doch ein Blizzard auf Island durchkreuzte die Reiseroute und machte einen Start unmöglich. Erst 48 Stunden später konnten die Passagierinnen und Passagiere ihr Reiseziel erreichen.

In beiden Fällen hatte das Landgerichts Landshut und Erding vorher entschieden, dass sich die Lufthansa und Icelandair von dem Entschädigungsanspruch befreien können. Die Gerichte betonten den außergewöhnlichen Umstand der schlechten Wetterbedingungen. Den Aspekt der zumutbaren Maßnahmen für Passagierinnen und Passagiere und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beachteten die Richterinnen und Richter jedoch kaum. Sie entschieden, dass es genüge, wenn sich die Fluggesellschaften innerhalb der ersten drei Stunden um eine Ersatzbeförderung kümmerten. Für die Zeit außerhalb dieser drei Stunden Grenze sei die Prüfung der frühestmöglichen Ersatzbeförderung keine zumutbare Maßnahme mehr.

Die Fluggastrechtsexpertin von Flightright bemängelte dies: „Der Ansatz des Landgerichts Landshut ging weit an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Ersatzbeförderung vorbei und stellte sich diesem entgegen.“

Verbraucherfreundliche Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs konnte durchgesetzt werden

Deshalb klagte Flightright letztendlich vor dem Bundesgerichtshof, um die verbraucherfreundliche Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) durchzusetzen und die vorherigen Urteile aufzuheben. „Für die vielen Flugreisenden ist es ein positives Signal, dass sich auch der Bundesgerichtshof der Ansicht des EuGH angeschlossen hat und der Argumentation des Landgerichts Landsgut eine klare Absage erteilte. Für Flugreisende wäre es anderenfalls unerträglich, wenn sie bei einer Ersatzbeförderung von mehr als drei Stunden später schutzlos gestellt wären“, betont die Flugrechtsexpertin abschließend.