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Flüge annulliert
© boldg - AdobeStock

Auswertung: In Deutschland werden die meisten Flüge annulliert

In keinem anderen Land innerhalb Europas wurden prozentual mehr Flüge annulliert als in Deutschland. Das hat eine interne Auswertung des Portals Flightright für das erste Halbjahr 2023 ergeben. So wurden in Deutschland bisher 2,20 Prozent aller Abflüge storniert. 5.617 Stornierungen sind auch in absoluten Zahlen der Höchstwert. Das sind knapp zehn Prozent mehr Stornierungen als im gleichen Zeitraum 2022. Gleich hinter Deutschland folgt Frankreich auf dem zweiten Platz mit 2,17 Prozent. Zwischen den ersten beiden Plätzen und dem Rest klafft eine deutliche Lücke: Portugal liegt auf dem dritten Platz, hat mit 1,44 Prozent aber deutlich weniger Abflüge storniert.

Wie es besser gehen kann, zeigt sich am Beispiel Spaniens: In keinem anderen Land innerhalb Europas sind im ersten Halbjahr mehr Flugzeuge gestartet. Mit 405.860 Abflügen ist Spanien absoluter Spitzenreiter und hatte sogar 26 Prozent mehr Abflüge als Deutschland. Storniert wurden davon aber nur 1.125 Abflüge (0,30 Prozent). Zur Einordnung: Rund ein Prozent an stornierten Flügen entspricht laut Flightright einer normalen Quote.

„Dass in Deutschland europaweit die meisten Abflüge storniert werden, kommt für uns nicht überraschend. Es ist zwar zu beobachten, dass Fluggesellschaften und Flughäfen tendenziell etwas besser aufgestellt sind als im vergangenen Jahr, allerdings bekommen sie den Personalmangel immer noch nicht ausreichend in den Griff. Hinzu kommen die zahlreichen Streiks unzufriedener Mitarbeitenden an vielen deutschen Flughäfen. Es hat den Anschein, als hätten die Fluggesellschaften und Flughäfen nur wenig Schlüsse aus dem Flugchaos im letzten Jahr gezogen“, so Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright.

Mehr Flüge annulliert als vor der Pandemie

Bei einem Vergleich der Stornierungen aller europäischen Flughäfen über die Sommerferien der letzten Jahre fällt Folgendes auf: Während die Passagierzahlen langsam das Vor-Corona-Niveau erreichen, sind die Stornierungs- und Verspätungsraten der Airlines weiterhin höher als vor der Pandemie. So wurden in diesem Sommer 0,98 Prozent aller europäischen Abflüge storniert. 2019 waren es 0,74 Prozent. Nach Einschätzung des internationalen Luftfahrtverbands Iata dürften die Fluggesellschaften 2023 weltweit rund 4,35 Milliarden Passagiere befördern – und damit fast so viele wie im Rekordjahr 2019 vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Damals lag die Zahl bei 4,54 Milliarden Fluggästen.

So viele Flugverspätungen von mehr als 3 Stunden gab es in den letzten Jahren

Flüge annulliert oder verspätet

Bei den potenziell entschädigungsberechtigten Verspätungen über drei Stunden liegen die Fluggesellschaften mit 0,78 Prozent in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. In diesen Fällen, sowie bei Flügen, die weniger als 14 Tage vor Abflug storniert wurden, haben Flugreisende einen Anspruch auf Entschädigungen, sofern kein außergewöhnlicher Umstand vorliegt. Zum Vergleich: Im vergangenen Chaossommer wurden 1,30 Prozent der Flüge annulliert – 0,80 Prozent der Abflüge sind mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden gestartet.

Auch Naturkatastrophen führen dazu, dass Flüge ausfallen

Im Jahr 2021 gab es 0,51 Prozent Flugstornierungen und 0,36 Prozent waren um mehr als drei Stunden verspätet, 2020 waren es 0,86 Prozent stornierte und 0,20 Prozent verspätete Flüge. Im letzten Sommer vor der Coronapandemie 2019, waren es 0,74 Prozent Stornierungen und 0,54 Prozent Verspätungen.

Flüge annulliert

Vor allem in diesem Jahr waren die Folgen des Klimawandels in der Hauptreisezeit spürbar: In vielen Fällen basierten Flugausfälle auf außergewöhnlichen Umständen wie Waldbränden, Überschwemmungen oder anderen Naturkatastrophen. Auch Streiks haben europaweit für Flugausfälle und Verspätungen gesorgt. In Italien haben in diesem Sommer beispielsweise das Bodenpersonal und die Pilotengewerkschaft gestreikt, in Spanien kam es zu Streiks durch Flughafenpersonal sowie Sicherheitspersonal. In Deutschland konnten Streiks der Lufthansa-Piloten kurzfristig durch die Einigung auf höhere Löhne abgewendet werden. Insbesondere unter diesem Aspekt sei es erstaunlich, dass Deutschland mit einer Stornierungsrate von 1,48 Prozent auf dem dritten Platz hinter der Schweiz (1,5 Prozent) und Großbritannien mit 1,58 Prozent liegt. Bei den Verspätungen belegt die Schweiz mit 34,32 Prozent den ersten Platz, vor Portugal (32,06 Prozent) und dem Vereinigten Königreich mit 31,42 Prozent an verspäteten Abflügen.

Dieser Umstand könnte auf immer noch bestehende Engpässe beim Personal hindeuten: Während der Coronapandemie gab es einen überproportional hohen Personalabbau bei deutschen Fluggesellschaften und an deutschen Flughäfen. Diese Stellen wurden noch immer nicht zu 100 Prozent nachbesetzt, was zu Missständen und Verzögerungen unter anderem beim Check-in, der Security-Kontrolle und bei der Gepäckausgabe geführt hat.

Laut Brosche kennen viele Flugreisende ihre Rechte nicht. So ist vielen zum Beispiel nicht bewusst, dass man sich im Falle eines Flugausfalls auf eigene Faust ein Ticket kaufen und die neuen Ticketkosten von der Airline erstatten lassen kann, sofern sie keine Alternative anbietet. 

Das sind die Rechte bei aufkommenden Flugproblemen

Nach EU-Recht stehen Passagieren Entschädigungen zwischen 250 und 600 Euro zu, wenn sie mehr als drei Stunden später an ihr Ziel kommen oder ihr Flug weniger als 14 Tage vor Abflug gestrichen wurde. Diese Ansprüche können unabhängig vom Ticketpreis rückwirkend drei Jahre geltend gemacht werden. Das gilt also auch für 1-Euro-Flüge. Durch die Geltendmachung der Ansprüche entstehen keinerlei Nachteile. 

„Die Höhe der Entschädigung ist unabhängig vom Ticketpreis und basiert auf der Fluggastrechteverordnung. Durch die Geltendmachung entstehen Passagiere keinerlei Nachteile. Leider wissen viele Passagieren och immer nichts von ihrem Recht auf Entschädigung. Genau hier setzt Flightright an: Wir machen Verbraucherinnen und Verbraucher auf ihr gutes Recht aufmerksam, setzen die Zahlungen für diese durch. Dafür ziehen wir notfalls auch bis vor den Europäischen Gerichtshof.“

Unterschiedliches Zahlungsverhalten je nach Airline

Im folgenden Bild ist das Zahlungsverhalten europäischer Fluggesellschaften, die im ersten Halbjahr 2023 Entschädigungszahlungen an Flightright zu entrichten hatten, aufgelistet. Das Zahlungsverhalten der Airlines lässt sich in drei Kategorien einteilen: Die vertretbaren Zahler, die langsamen Zahler und die Zahlungsverweigerer.

Auffallend ist, dass das Zahlungsverhalten deutscher Fluggesellschaften stark variiert. Während Eurowings ein gutes Zahlungsverhalten zeigt, liegen Lufthansa und Condor nur im Mittelfeld. Damit stellen sich die deutschen Airlines fast auf Augenhöhe mit Billigfliegern wie Ryanair, die prozentual in mehr Fällen, aber langsamer zahlen als die Lufthansa.

„Wenn Flugreisende von extremen Verspätungen oder Flugstornierungen betroffen sind, kann das die gesamte Reiseplanung ruinieren. Umso wichtiger ist es, dass Fluggesellschaften schnell und zuverlässig die gesetzlich festgelegten Entschädigungen zahlen. Besonders bei der Lufthansa sehen wir hier noch deutlichen Verbesserungsbedarf – sie hat im letzten Jahr zu den Zahlungsverweigerern gehört und es nur knapp in die Gruppe der langsamen Zahler geschafft“, so Brosche weiter.

Flightright hat eigenen Angaben zufolge im ersten Halbjahr 2023 einen zweistelligen Millionenbetrag an Entschädigungszahlungen durchgesetzt. Ein mittlerer, zweistelliger Millionenbetrag ist noch offen. Seit der Gründung im Jahr 2010 habe das Portal weltweit bereits mehr als 460 Millionen Euro an Entschädigungszahlungen durchsetzen können.