Verluste im Reisevertrieb häufen sich
Die Verluste im Reisevertrieb verschlechtern sich nach wie vor. Der Grund: Das derzeitige Buchungsaufkommen reicht bei weitem nicht aus, um die Stornoquoten und Nicht-Buchbarkeit von Urlaubsländern mit bestehender Reisewarnung aufzufangen. Zum Buchungsstand Ende Juli 2020 sinken die Umsätze für die laufende Sommersaison kumuliert auf ein Minus in Höhe von 70 Prozent. Zum Vormonat entspricht dies einem Rückgang um sieben Prozentpunkte. Die kommende Wintersaison 2020/21 verliert zum Vormonat zehn Prozentpunkte und steht damit aktuell bei einem Minus in Höhe von 52 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Im Juli 2020 waren aufgrund bestehender Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes bei den Veranstalterreisen weder Urlaube in beliebte Reiseländer wie die Türkei oder Ägypten noch Fernreisen buchbar. Auch Hochseekreuzfahrten hatten den Betrieb überwiegend noch nicht wieder aufgenommen. Dies schlägt sich in den Umsatzbilanzen des Reisevertriebs markant nieder. Aber selbst vergleichsweise gut gebuchte Sommerreiseziele wie Griechenland erreichen im Juli erst 46 Prozent der Vorjahresumsätze deutscher Urlauber. Insgesamt entspricht das Buchungsvolumen im Juli 2020 knapp einem Drittel des Aufkommens im Vorjahr.
Sommer 2021 als Lichtblick
Die Reise- und Buchungszurückhaltung der Deutschen bleibt damit hoch. Die meisten warten offenbar noch ab, wie sich die Lage mit der Corona-Pandemie weiter entwickelt. Im Reisevertrieb summieren sich die fehlenden Buchungsumsätze zusammen mit den stornierten Urlaubsreisen im Juli 2020 auf einen Umsatzrückgang in Höhe von 94 Prozent für die laufende Sommersaison und von 85 Prozent für die anstehende Wintersaison 2020/21.
Die Urlauber, die sich im Buchungsmonat Juli jedoch zum Verreisen entschlossen und im Reisebüro oder online auf den klassischen Reiseportalen gebucht haben, wollten bevorzugt kurzfristig noch Sonne tanken: 48 Prozent des Buchungsumsatzes entfiel auf die Reisemonate Juli/August. Knapp ein Fünftel (18 Prozent) entschied sich für eine Urlaubsreise im Herbst. Die Reisebuchungen für die kommende Wintersaison fallen mit nur 13 Prozent hingegen unverändert schwach aus. Zu viele Reiseziele im Winterhalbjahr, vor allem auch Fernreisen, sind derzeit noch nicht planbar.
Einziger Lichtblick ist die Nachfrage nach Sommerurlauben im nächsten Jahr. Im Juli entfielen 21 Prozent der Buchungsumsätze auf die Sommersaison 2021. Das entspricht einem Zuwachs im Umsatz von 76 Prozent zum Vorjahr. Kumuliert bis Ende Juli haben sich die Sommerumsätze im Vorjahresvergleich mehr als verdoppelt. Dazu trägt die außergewöhnlich frühe Buchbarkeit von Sommerurlauben 2021 bei.
Die Grafik zeigt die kumuliert bis Ende Juli 2020 generierten Reiseumsätze für die Sommersaison 2020 und die kommende Wintersaison 2020/21 im Vergleich zum Vorjahr. Sowohl Urlaubsreisebuchungen in stationären Reisebüros als auch online auf den Reiseportalen der Veranstalter und Online-Reiseagenturen mit Schwerpunkt Pauschalreisen fließen ein. Links im Chart ist sichtbar, wieviel Umsatz in Prozent im Buchungsmonat Juli für die einzelnen Reisemonate beziehungsweise -saisons generiert wurde.
Aktuelle Entwicklungen im Reisevertrieb
Die Erkenntnisse stammen aus dem aktuellen Panel „TDA Travel Intelligence„. Die Travel Data + Analytics GmbH hatte das touristische Handelspanel „Travel Insights“ im April 2019 von vom Marktforschungsinstitut GfK übernommen und führt seitdem unter diesem Namen weiter. Der Bericht basiert auf den Buchungsdaten von rund 2.000 Reisebüros, die den stationären Vertriebsmarkt in Deutschland repräsentativ abbilden. Zusätzlich werden im Onlinebereich die Buchungsdaten der klassischen Reiseportale und der Reiseveranstalter erfasst.
Reisevertrieb und Flugreisen geben schlechtes Bild ab
Die Verluste im Reisevertrieb unterstreichen das schlechte Bild, dass auch die Zahl der touristischen Reisen zeichnet. Im Zeitraum von Januar bis Mai 2020 ist die Zahl der internationalen Touristenankünfte gegenüber dem Vorjahreszeitraum weltweit um 56 Prozent eingebrochen. Den stärksten Rückgang verzeichnete die asiatisch-pazifische Region, wie aktuelle Daten der Weltorganisation für Tourismus UNWTO (hier PDF herunterladen) zeigen. Dort gab es in diesem Zeitraum 60 Prozent weniger internationale Touristenankünfte als im Vorjahreszeitraum. Auch in Europa (minus 58 Prozent) und im Nahen Osten (minus 52 Prozent) nahmen die internationalen Reisebewegungen stark ab.
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Kein Ende der Unsicherheit in Sicht
Dass sich mittlerweile Corona als Planungsfaktor in der Reisebranche etabliert hat, ändert nichts daran, dass in Bezug auf die Pandemie derzeit noch kein Ende in Sicht ist. Wenngleich sich der Reisevertrieb mittlerweile angepasst hat: Unsicherheit ist ständiger Begleiter geworden. Das meint nicht einmal nur die Unsicherheit ob des Pandemieverlaufs selbst, sondern die Kettenreaktion, die Covid-19 in der Reisebranche ausgelöst hat. Noch immer kämpfen die Fluglinien mit der großen Zahl von Ticket-Erstattungen, die seit dem Frühjahr beantragt wurden. Zwar berichten einige große Airlines, mittlerweile die Anfragen effizient abarbeiten zu können, darunter auch die Lufthansa. Doch der vermeintliche Erfolg ist vielen Verbrauchern nicht schnell genug. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat jüngst Klage gegen die Lufthansa eingereicht. Der Vorwurf: Der Konzern komme der Verpflichtung, Ticketpreise zu erstatten, nur äußerst schlecht nach.
Gleich wie sich die Frage nach Ticketerstattungen entwickeln wird: Aktuell verstärkt die Debatte die Unsicherheit, die Verbraucher ohnehin wegen der Pandemie als solcher verspüren. Und das drückt die Lust, Reisen zu buchen, auf unbestimtme Zeit.