Weltweite Verteilung vom Corona-Impfstoff: Das sind die logistischen Herausforderungen
Die ganze Welt wartet auf den Corona-Impfstoff, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Aber wie sieht es mit der Lieferkette bei der Impfstoff-Verteilung aus? Welche logistischen Herausforderungen müssen bewältigt werden?Dr. Yvonne Ziegler, Professorin für Betriebswirtschaft mit besonderem Schwerpunkt Internationales Luftverkehrsmanagement und stellvertretende Vorsitzende Direktorin des „Institute for Aviation and Tourism“ (IAT) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), sieht mehrere Faktoren kritisch: den eingeschränkten Flugverkehr, die einzuhaltenden Temperaturen der Impfdosen, die regulatorischen Anforderungen bei Pharmatransporten und die Sicherheit der Transporte.
Corona-Impfstoff wird global vor allem per LKW und Flugzeug verteilt
„Die weltweite Verteilung des Impfstoffs wird voraussichtlich mit den Transportmitteln Flugzeug und LKW stattfinden. Aber aufgrund der Corona-Krise sind die weltweiten Flugverbindungen deutlich in Anzahl, Frequenz und Kapazität reduziert, was die Verteilung der Impfstoffe erschwert“, so Ziegler. „Manche Länder, zum Beispiel in Mittel- und Südamerika, werden aktuell nur von wenigen Passagierflugzeugen mit relativ wenig Frachtkapazität angebunden. Bei Ländern, die von Frachtmaschinen mit größerer Kapazität angeflogen werden, ist der Nachteil, dass diese meistens nur zu den großen Wirtschaftszentren eines Landes fliegen und eine Weiterverteilung in die Fläche von dort mit dem LKW stattfinden müsste“, was die Logistik laut Ziegler zusätzlich kompliziert macht. „Alternativ müssten Regierungen Charterflüge organisieren, um den Impfstoff möglichst schnell und direkt zu verteilen“, schlägt Ziegler vor.
Vor allem reiche Länder haben Corona-Impfstoff bestellt
Laut einer Analyse der Wohltätigkeitsorganisation Oxfam haben „reiche Nationen, die nur 14 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, bisher 53 Prozent der vielversprechendsten Impfstoffe gekauft. Wohlhabendere Nationen haben genug Dosen aufgekauft, um ihre gesamte Bevölkerung bis Ende 2021 fast dreimal zu impfen, wenn die derzeit in klinischen Studien befindlichen Impfstoffe alle zugelassen werden“. Wie in dieser Infografik dargestellt, warnt Oxfam, dass 9 von 10 Menschen in armen Ländern nicht vor 2022 einen Impfstoff erhalten werden.
Anna Marriott, gesundheitspolitische Beraterin bei Oxfam, kommentierte die erste Analyse bereits im September: „Während Länder wie Großbritannien verständlicherweise besorgt sind, genügend Impfdosen zu erhalten, werden diese Deals viele ärmere Länder im Regen stehen lassen, bis sie die Monopole anfechten. Am wichtigsten ist jedoch, dass wir niemals in der Lage sein werden, einen Impfstoff in der erforderlichen Größenordnung zu produzieren, solange Unternehmen ihr Wissen nicht frei von Patenten teilen. Wir brauchen einen Volksimpfstoff, keinen Profitimpfstoff.“
Die Industrie hat bereits viel Erfahrung mit dem Transport von temperaturgeführten Impfstoffen im Bereich zwei bis acht Grad Celsius. Hier gibt es entsprechende Kühlcontainer und Kühlräume. „Aktuell fällt aber nur der geplante Impfstoff von Novavax und AstraZeneca in diese Kategorie. Die Vakzine von Moderna sowie Johnson&Johnson werden im Tiefkühlbereich um die Minus 20 Grad erwartet. Auch hier gibt es eine verfügbare Infrastruktur – allerdings meistens in kleineren Dimensionen“, erläutert Ziegler. Eine echte Herausforderung ist vor allem der Umgang mit Impfstoffen im Ultratiefkühlbereich bei minus 70 Grad, wie dem Impfstoff der Mainzer Firma Biontech. „Hier gibt es bisher nur vereinzelte Lagerbetreiber, die in begrenzter Kapazität entsprechende Gefrierschränke vorhalten“, so Ziegler. Weiterhin gibt es auch nur wenige Anbieter von Luftfrachtkühlcontainern, die diese niedrigen Temperaturen sicherstellen können.
Probleme bei Impfstoff-Transport mit Trockeneis
Zusätzlich werde bei der Nutzung von Kühlcontainern und Kühlboxen häufig auch Trockeneis verwendet. Hier ist zum einen eine separate Infrastruktur an den verschiedenen Stationen nötig, um Trockeneis wieder aufzufüllen. Zum anderen ist Trockeneis ein Gefahrgut, benötigt im Handling besondere Qualifikationen und unterliegt besonderen Restriktionen beim Transport. Je nach Flugzeugtyp sind zwischen 1.200 und 2.000 Kilogramm Trockeneis zulässig. Damit können sechs bis zehn Paletten pro Flug gekühlt werden.
„Da die Impfstoffe vermutlich auch einen hohen Schwarzmarktwert haben werden, sind hohe Sicherheitsvorkehrungen, z.B. Zugangskontrollen, Überwachungssysteme – und sogar ein Drohnenabwehrsystem für Lagerhallen – ebenso wichtig“, prognostiziert Ziegler.
Eine besondere Herausforderung bei Pharmatransporten von und nach Europa ist auch, dass alle mit dem Transport befassten Parteien, die European Good Distribution Guidelines erfüllen und entsprechend zertifiziert sein müssen.
So hoch ist die Impfbereitschaft bei Deutschen und US-Amerikanern
Laut dem ARD-Deutschlandtrend ist eine Mehrheit der Deutschen bereit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, wenn der Corona-Impfstoff verfügbar ist. Danach gaben rund 37 Prozent der Befragten an, dazu auf jeden Fall bereit zu sein, sobald ein Impfstoff vorhanden ist. Weitere 34 Prozent sind wahrscheinlich bereit für eine Impfung. Somit steht eine Mehrheit von 71 Prozent der Impfung positiv gegenüber. 14 Prozent sind laut Umfrage wahrscheinlich nicht dazu bereit, 15 wollen sich auf gar keinen Fall impfen lassen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte kürzlich mitgeteilt, mit Moderna sei ein Rahmenvertrag über bis zu 160 Millionen Dosen des Corona-Impfstoff abgeschlossen worden. Demnach sollen zunächst 80 Millionen Dosen geliefert werden, mit der Option auf 80 Millionen weitere Einheiten. In der EU könnte das Mittel nach Angaben von Moderna bereits im Dezember ausgeliefert werden, sofern es eine Zulassung erhält.
Impfbereitschaft in den USA lässt nach
Der Impfstoff gegen COVID-19 ist in den USA und weltweit offiziell freigegeben, nachdem das Virus vor etwa einem Jahr erstmals in die menschliche Bevölkerung eingeschleppt wurde. Neue Daten zeigen, wie die Bereitschaft der US-Amerikaner, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, in den letzten Monaten gesunken ist.
In einer neuen Umfrage der Kaiser Family Foundation gaben 71 Prozent der Befragten an, dass sie den COVID-19-Impfstoff entweder definitiv oder wahrscheinlich bekommen werden, wenn er kostenlos ist und von Wissenschaftlern als sicher eingestuft wird (was für beide zutrifft). Das ist ein Anstieg von acht Prozentpunkten gegenüber der gleichen Umfrage im September. Nur 27 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich entweder definitiv oder wahrscheinlich nicht impfen lassen werden – ein Rückgang um sieben Prozentpunkte im Vergleich zu vor drei Monaten.
Um eine optimale Herdenimmunität gegen das Coronavirus zu erreichen, sagten führende Mediziner wie Dr. Anthony Fauci diese Woche, dass etwa 85 Prozent der Amerikaner mit dem Corona-Impfstoff geimpft werden müssen. Fauci sagte kürzlich auch, dass er Anzeichen für eine Herdenimmunität im Land um den März herum erwartet, was darauf hindeutet, dass er zuversichtlich ist, dass die USA den Impfstoff in den nächsten Monaten größtenteils annehmen werden.
Zurzeit setzen die Bundesstaaten aufgrund der begrenzten Impfstoffvorräte Prioritäten bei der Impfung von medizinischem Personal an vorderster Front und extrem gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Pflegeheimen. Viele Bundesstaaten sind noch dabei, Kriterien zu entwickeln, wie sie die Verteilung des Impfstoffs bis 2021 fortsetzen werden. Das Bundesimpfstoffprogramm „Operation Warp Speed“ ist jedoch zuversichtlich, dass das Land in der Lage sein wird, bis März oder April genügend Dosen zu verteilen, um etwa 100 Millionen Menschen zu impfen.