Wie man einen Expatriate gezielt einsetzt
„Ich muss ins Ausland, um einen guten Job zu bekommen und mir eine Karriere zu ermöglichen“. So denken viele. Die Internationalisierung zahlreicher Unternehmen suggeriert Ähnliches und lässt vermuten, dass auf dem Arbeitsmarkt der Aufstieg ohne interkulturelle Erfahrungen kaum möglich sei. Immer mehr Jugendliche können daher schon mit 12 die ersten internationalen Erfahrungen vorweisen, zuerst als Austauschschüler, später als Student oder Auszubildender und dann als Arbeitnehmer. Allein die Zahl der Studenten, die einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt nachweisen können, ist in den letzten Jahren laut einer Studie des (DAAD) auf rund 25 Prozent gestiegen.
Auslandsaufenthalt bereits in der Schule
Nicht immer sind diese Aufenthalte freiwillig und aus echtem Interesse an der fremden Kultur motiviert. Schon in der Schulzeit wird Jugendlichen häufig das Gefühl vermittelt, ein Auslandsaufenthalt dürfe im heutigen Lebenslauf nicht fehlen, damit der Berufseinstieg auch wirklich gelingt. Viele fühlen sich somit ins Ausland gedrängt und verlassen das Heimatland lediglich aus extrinsischer Motivation (nicht aus eigenem Antrieb erfolgend): sei es durch obligatorische Vorgaben des Studienfaches, weil sie sich davon einen Vorteil versprechen (Belohnung, Anerkennung, beruflicher Erfolg) oder weil sie sich dazu gezwungen fühlen, bzw. eine Bestrafung fürchten (die versprochene Arbeitsstelle wird einem Kollegen gegeben).
Auch als Beschäftigter eines Unternehmens scheint man von diesem Druck nicht befreit. Der Arbeitgeber verlangt immer mehr Flexibilität und darunter fällt auch die Bereitwilligkeit, als ein so genannter Expatriate tätig zu sein, also für einen befristeten Zeitraum, der sich auf Monate, meist Jahre erstreckt, im Ausland zu arbeiten und dort auch zu leben. Eine Umfrage der Online-Jobbörse „StepStone“ gibt an, dass 28 Prozent der deutschen Spitzenkräfte die Entsendung nur dann als Option ansehen, wenn das Stellenangebot dem Aufwand angemessen ist. Sich aus familiären, partnerschaftlichen und freundschaftlichen Verhältnissen zu lösen, sich in fremden Kulturen und Gesellschaften einzufinden, sowie klimatischen Bedingungen standzuhalten ist ein großer Schritt im Leben eines Expatriates – für manche ein zu großes Opfer.
Lockmittel Gehalt und Boni für Auslandseinsatz
Viele Arbeitnehmer werden daher zur Zustimmung zum Expatriate extrinsisch motiviert: ohne einen Auslandsaufenthalt komme man in der beruflichen Laufbahn nicht weiter und vor Ort werde alles gut organisiert. Besonders attraktiv wird eine Entsendung durch Gehaltserhöhungen und –boni. Interesse an Sprache, Kultur und Menschen tritt dabei vermehrt in den Hintergrund. Nach dem Eurobarometer der EU-Kommission liegt Deutschland im internationalen Vergleich mit nur acht Prozent der Arbeitnehmer, die im Ausland beruflich tätig waren, deutlich unter Skandinavien und Großbritannien, die mit zwanzig Prozent die Spitze anführen. Trotz motivierender Gründe zeigt sich also eine gewisse „Auslandsmüdigkeit deutscher Manager“. Die eben genannten äußeren Faktoren können schließlich nichts an der persönlichen Einstellung der Expatriate ändern. Um den Ertrag des Auslandseinsatzes zu maximieren ist es aber von großer Bedeutung, dass der entsandte Expatriate eine intrinsische Motivation mitbringt (innerer Anreiz, der in der Aktivität selbst liegt) und somit Neugier, Offenheit, Mut und speziell auch die Begeisterung und Leidenschaft für das Arbeiten und Leben im Ausland hat. Darüber hinaus ist die ‚kulturelle Intelligenz‘ (Cultural Quotient „CQ“) eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Managen eines Auslandaufenthaltes. Diese kann zwar erlernt und stets weiter ausgeprägt werden, die persönliche Zustimmung zum Thema ist dabei allerdings Voraussetzung für den Prozess dieser Kompetenzbildung. Wenn der Expatriatenicht die richtige Motivation mitbringt, scheitert er oftmals trotz interkultureller Ausbildung an seiner Aufgabe und eine misslungene Entsendung kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Ein beschädigtes Image, sowie interne Probleme können enorme finanzielle Verluste bedeuten. Ist der Mitarbeiter aber interessiert an Land und Menschen sowie der Arbeit im Ausland, werden diese Risikofaktoren deutlich vermindert; führt der Expatriate im fremden Land keinen Konflikt mit sich selbst, so ist er im Stande den zu erledigenden Auftrag fachlich und kompetent auszuführen.
Den persönlichen Gewinn verdeutlichen
Um die intrinsische Motivation für einen Auslandseinsatz bei den Mitarbeitern zu erwecken, sollte über äußere Faktoren hinaus der persönliche Gewinn den potentiellen Bewerbern deutlich gemacht werden. Wenn sie erkennen, dass nicht nur das Unternehmen von der Entsendung profitieren wird, sondern dass solch ein Lebensabschnitt einen enormen Zuwachs an persönlicher Erfahrung und Persönlichkeitsentwicklung ist, verstärkt das die Freude auf eine Entsendung. Alternativ zu oder vorbereitend auf langjährige Aufenthalte gibt es die Arbeit an Projekten im Ausland, die sich maximal auf drei Monate erstrecken und ein Herantasten an das Gebiet der interkulturellen Zusammenarbeit gewährleisten. Der Projektarbeiter kann für sich selbst feststellen, ob er sich auch einer dauerhaften Arbeit im Ausland im Stande sieht. Gleichzeitig ist dabei nicht zu unterschätzen, dass der Entsandte kaum Eingewöhnungszeit hat und sofort seine Aufgaben im neuen Umfeld zu bewältigen hat. Eine hohe Ausprägung des CQ ist daher bereits Voraussetzung.
Assessment Center für die Auswahl des Expatriate
Bei der Personalbeschaffung für Auslandsentsendungen gilt es also nicht nur, qualitativ geeignete Fachkräfte für die zu tätigende Arbeit zu finden, sondern vor allem auch die Bewerber auf persönliche Interessen, Lebensgestaltung und ihren Charakter zu prüfen. Das Auswahlverfahren stellt daher in diesem Kontext einen sehr komplexen Vorgang dar; solche Inhalte lassen sich schließlich nur bedingt in einem Lebenslauf finden. Eine mögliche Methode, um Einblicke in diese sogenannten Soft Skills der Bewerber zu erlangen, ist das Durchlaufen eines Assessment Centers (AC) im Zuge der Bewerbungsphase. Einzeln und in Gruppen müssen die Bewerber sich unter Beobachtung verschiedenen Aufgaben stellen, in denen sie auch soziales Verhalten, Flexibilität, Geduld, Empathie und ähnliches unter Beweis stellen müssen. Gerade im Interkulturellen AC kann getestet werden, wie offen die Bewerber Fremdem begegnen, woher die persönlichen Handlungsmotive entspringen und wie belastbar sie sind. Auf diese Weise können die Kandidaten mit den erforderlichen Voraussetzungen herausgefiltert werden. Als Entscheidungshilfe für den Personalverantwortlichen ist es ebenso nützlich, infrage kommende Kandidaten effizient auf ihre Eignung zu testen, indem diese sich einer Potentialanalyse unterziehen.
Ein wichtiger Schritt in der Personalplanung ist es, die Fluktuation von Mitarbeitern zu unterbinden und die Entsandten direkt bei ihrer Rückkehr einen ihrem Potential entsprechenden Arbeitsplatz zu bieten und das Expatriate so erneut zu honorieren. Die Mitarbeiter werden so nachhaltig gebunden und gleichzeitig kann das Unternehmen von den gesammelten Erfahrungen der Expirate profitieren. Für jeden Standort, für jede Stelle lässt sich mit den richtigen Tools der richtige Mitarbeiter von außen oder innen finden: Personal, das langfristig motiviert ist und so nachhaltig zum Erfolg des Unternehmens beiträgt und daran teilhat.
Autorin: Sylwia Chalupka-Dunse