Gesundheitssystem der USA: Was auf dem Prüfstand steht
Das US-amerikanische Gesundheitssystem ist weiter heftig umstritten. Präsident Trump möchte „Obamacare“, also den Patient Protection and Affordable Care Act (kurz „ACA“), ersetzen. Was stattdessen kommen wird, ist bislang jedoch ungewiss. Eine Entscheidung könnte noch in dieser Woche kommen – der Senat soll erneut über die Zukunft des Systems entscheiden.
„Nicht zuletzt für Unternehmen aus dem Gesundheitswesen ist das eine schwierige Situation, die neben US-amerikanischen auch deutsche Anbieter betrifft“, sagt Max Karagoz von Alton (http://www.corporation.de).
Gesundheit war in den USA lange Zeit vor allem Privatsache, was nicht zwangsläufig bedeutet hat, dass man ohne private Vorsorge oder Ersparnisse keine medizinische Hilfe erhalten hat. Auch jetzt gibt es nach wie vor einerseits Hilfsprogramme und andererseits Gesetze wie den 1986 verabschiedeten Emergency Medical Treatment and Labor Act (EMTALA). Letzterer greift bei medizinischen Notfällen von Menschen, welche die Notfallbehandlung voraussichtlich nicht bezahlen können. Krankenhäuser müssen solche Personen laut EMTALA im Notfall in angemessener Weise behandeln, auch wenn diese nicht versichert oder in der Lage sind, die Behandlung zu finanzieren.
Des Weiteren existieren für bestimmte gesellschaftliche Gruppen Hilfsprogramme. Medicare beispielsweise kümmert sich um Bürger ab einem Alter von 65 sowie um US-Amerikaner mit einer anerkannten Behinderung. Medicaid ist dagegen speziell für Menschen mit geringem Einkommen gedacht, wobei die Gruppe der Anspruchsberechtigten in den verschiedenen US-Bundesstaaten variiert. Somit ist es laut Alton manchmal reine Glückssache, ob man von Medicaid profitiert. Neben Medicare und Medicaid gibt es verschiedene weitere Programme für jeweils eigene Zielgruppen.
Was neu an Obamacare war
Obamacare ist der Versuch, eine einheitliche Regelung für den Zugang zu Gesundheitsleistungen auf US-Bundesebene zu etablieren. Im Kern steht Obamacare für die Pflicht der US-Amerikaner (mit einigen Ausnahmen), eine Krankenversicherung abzuschließen. Wie gering der Anteil von staatlichen und Pflicht-Versicherungssystemen an den gesamten Gesundheitsausgaben in den USA im internationalen Vergleich noch immer ist, zeigen beispielsweise die OECD Health Statistics 2017. So lag dieser Anteil 2015 in den USA bei 49,4 Prozent, in Deutschland dagegen bei 85 Prozent und im OECD-Durchschnitt bei 72,9 Prozent. Schätzungsweise 24 Millionen Amerikaner sind derzeit über Obamacare abgesichert.
Kritik an Obamacare kam indes nicht alleine von denen, die jede Art von Versicherungspflicht im Gesundheitswesen der USA ablehnen. So berichtete im Frühjahr 2017 auch Zeit online, dass Obamacare nicht so funktioniert, wie es soll. Zudem scheinen die Obamacare-Policen laut Artikel kein einträgliches Geschäft für die Versicherer zu sein, was es schwierig machen könnte, dauerhaft Anbieter passender Versicherungsleistungen zu finden. „Mehr als 75 Prozent der Versicherungen, die auf diesem Markt angeboten werden, schreiben Verluste“ heißt es in einem anderen Zeit-Artikel, der zudem von Verlusten der Versicherungsbranche durch Obamacare-Policen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar berichtet.
Welche Pläne Trump verfolgt
Den Wunsch nach Änderungen im US-Gesundheitssystem hätte es also auch gegeben, selbst wenn Donald Trump nicht US-Präsident geworden wäre. Aber was wird sich jetzt unter Trump ändern? Dies bleibt weiter unklar. Derzeit sieht es so aus, als würde auch Trump weiter an Plänen für ein gesundheitliches Absicherungssystem festhalten. Obamacare soll dennoch Geschichte werden. Ein erster Gesetzentwurf für ein erneute verändertes Gesundheitssystem wurde jedoch Ende März vor einer offiziellen Abstimmung zurückgezogen, weil im Repräsentantenhaus keine sichere Mehrheit für den Vorschlag gegeben war.
Kritik am Vorschlag kam gleich von zwei Seiten: Während moderate Republikaner und Demokraten zu viele Einschnitte ins bestehende System sahen, gingen andere die Einschnitte nicht weit genug. Für Trump ungünstig war bei alledem nicht zuletzt eine Berechnung der unabhängigen Budgetbehörde des US-Kongresses. Laut deren Einschätzung stünden durch Trumps analysierte Vorschläge etwa 24 Millionen Versicherte ohne Versicherungsschutz da und es würden Mehrkosten von 150 Milliarden US-Dollar drohen.
US -Gesundheitssektor mit Potenzial für deutsche Gesundheitsindustrie
Angaben zu den deutschen Exporten ins US-amerikanische Gesundheitssystem liefert beispielsweise Germany Trade & Invest (GTAI) auf Basis von Zahlen der U.S. International Trade Commission. Demnach exportierte Deutschland von Januar bis November 2016 medizintechnische Produkte im Wert von 4,66 Milliarden US-Dollar in die USA, was im Vergleich zum selben Zeitraum 2015 einem Plus von fünf Prozent entsprach.
Bei den pharmazeutischen Produkten lag der Umsatz bei rund 12,8 Milliarden US-Dollar, was ein Minus von 7,9 Prozent gegenüber demselben Zeitraum 2015 bedeutete. Zwischen 2014 und 2015 war noch ein Anstieg um 4,3 Prozent zu verzeichnen. Interessant ist unter anderem für deutsche Unternehmer beispielsweise der US-amerikanische Markt für Gesundheits-IT, der laut GTAI „wesentlich weiter vorangeschritten“ ist als „in anderen führenden Industriestaaten“.
„Mit einer gewissen Unsicherheit wird man als ausländischer Akteur angesichts von Schlagworten wie ‚America first‘ auf dem US-Markt leben müssen und das nicht zuletzt im Gesundheitswesen“, sagt Max Karagoz von Alton. Panik sei aber unangebracht. Donald Trump drängt zwar auf Veränderungen. Allerdings kann es als ziemlich gesichert gelten, dass keine Veränderung dabei sein wird, die alle deutschen Unternehmen aus der Branche in derselben Weise trifft. Dazu seien die Konditionen in den Segmenten der US-amerikanischen Gesundheitsbranche zu unterschiedlich.
Bei der Analyse der Chancen und Risiken für deutsche Unternehmer zählt die Bedeutung der verschiedenen Angebote für den US-Markt ebenso wie der Status der möglicherweise bereits vorhandenen Präsenz in den USA. Wer in den USA auch produziert, könnte anders betroffen sein und letztlich besser dastehen als derjenige, der „nur“ Waren ins Land exportiert.
Deutsche Expats von Trumps Gesundheitsplänen abgeschreckt
Doch auch die Folgen für Mitarbeiterentsendungen in die USA bei einer Abschaffung von Obamacare lassen sich noch nicht mit Sicherheit ermessen. „Wir rechnen unter anderem damit, dass die Nachweispflicht für eine gültige Krankenversicherung für Expats entfällt und es auch keine vorgeschriebene Mindestdeckung mehr für Policen geben wird“, sagt Omer Dotou, Auslandsexperte bei der BDAE Consult Gmbh (https://entsendeberatung.bdae.com/).
Unklar sei aber dennoch, ob ausländische Krankenversicherer in Zukunft überhaupt akzeptiert werden. Dazu gibt es unserer Kenntnis nach noch keine Statements. „Bemerkenswert ist zudem, dass wir von vielen Langzeit-Expats in den USA wissen, dass diese das Thema Krankenversicherung zutiefst verunsichert. Allein die Vorstellung, dass es möglicherweise keinen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz für Menschen mit Vorerkrankungen oder mit chronischen Leiden mehr geben könnte, führt selbst bei dieser Gruppe zu ernsthaften Überlegungen, zurückzukehren“, so Dotou weiter.