Pauschalreise wegen Corona ausgefallen: Reiseveranstalter müssen Teil der Zahlung erstatten
Urlaubende können sich einen Teil der Kosten für eine Pauschalreise von den Reiseveranstaltenden zurückerstatten lassen, wenn diese im Urlaub von Corona-Beschränkungen überrascht wurden. Sie haben laut EU-Gesetzen einen Anspruch auf die Reduzierung des Reisepreises, wenn die Pauschalreise nicht vertragsgemäß erfüllt wird. Das hat ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) festgestellt (Az. C-396/21 und C-407/21).
Geklagt hatten Pauschalreisende, die über FTI Touristik eine Reise auf die Kanarischen Inseln gebucht hatten – und zwar zu Beginn der Coronapandemie vom 13. bis 27. März 2020. Aufgrund der Pandemie endete ihre Reise nach sieben Tagen und sie kehrten nach Deutschland zurück, wo sie eine Preisminderung in Höhe von 70 Prozent des anteiligen Reisepreises für sieben Tage verlangten. Der Veranstalter verweigerte die Preisminderung, weil man ihn aus seiner Sicht nicht für ein „allgemeines Lebensrisiko“ verantwortlich machen könne.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen und das Paar wandte sich an das Landgericht München I. Dieses brachte den Fall vor den EuGH und legte die Frage vor, ob die Reisenden auch dann Anspruch auf eine Preisminderung wegen einer Vertragswidrigkeit in Bezug auf den Pauschalreisevertrag haben, wenn diese ihre Ursache darin habe, um die Ausbreitung einer Infektionskrankheit weltweit einzudämmen. Insbesondere hielt das Gericht es für klärungsbedürftig, wem das Risiko der Pandemie aufzuerlegen sei. Die angeordneten einschränkenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie könnten auch als “allgemeines Lebensrisiko” einzustufen sein, was die Haftung des Reiseveranstaltenden ausschließen würde.
Umstände für die Vertragswidrigkeit eines Reiseveranstaltung spielen keine Rolle
Dieser Einschätzung hat der EuGH klar einen Riegel vorgeschoben. In der Sache urteilte der EuGH, dass die Frage nach der Minderung des Reisepreises lediglich von den objektiven Voraussetzungen abhängig ist, dass der Reiseveranstalter seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat. Die dahinterliegenden Gründe für die Vertragswidrigkeit des Reiseveranstalters, warum er die von der Pauschalreise erfassten Leistungen, wie Flüge, Unterkunft oder Mietwagen nicht oder nur mangelhaft erbringen konnte, spielen dabei keine Rolle. Damit genügt es für die Preisminderung der Pauschalreise, dass die Reisenden ihren Urlaub abbrechen mussten und auch bereits zuvor keinerlei Urlaubsfreuden aus ihrer Reise ziehen konnten, da sie das Hotelzimmer nicht verlassen durften und ihnen das Hotel beispielsweise Pool und angekündigte Animationsprogramme verwehrte.
Auch Gutscheinlösung bei coronabedingten Absagen ausgeschlossen
Auch die Gutschein-Praxis von Reiseveranstaltungen wurde in dem Urteil klar thematisiert: Da die in der Richtlinie enthaltene Regelung allein eine Erstattung in Geld vorsehe, sei jede vom Reiseveranstalter obligatorisch vorgegebene Alternative, insbesondere in Form eines Gutscheins, ausgeschlossen. Dies hindere den Reisenden jedoch nicht daran, sich nach Eintritt des den Erstattungsanspruch begründenden Ereignisses freiwillig
für den Erhalt eines solchen Gutscheins zu entscheiden.
Ausnahmen vom Freizügigkeitsrecht der Union könnten Ausnahmen insbesondere vom Erstattungsanspruch des Reisenden, nicht rechtfertigen. Nach dem Verständnis der Richterin von der Richtlinie 2015/2302 ist die Pandemie weder vom Bedeutungsumfang des Begriffs „unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände“ noch vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie insgesamt ausgenommen. Der Grundsatz der höheren Gewalt bei objektiver Unmöglichkeit der Einhaltung des Unionsrechts könnte zwar eine gewisse Flexibilität bei der Rechtsanwendung gestatten und Reiseveranstaltern eine sehr begrenzte Möglichkeit einer vorübergehenden Befreiung von der Erfüllung ihrer Verpflichtungen einräumen. Das Angebot eines Gutscheins benachteilige Reisende.
Drei Jahre Zeit, um Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen
Claudia Brosche, Fluggastrechtsexpertin bei Flightright, dazu: „Wir begrüßen dieses für die Urlaubenden positive Urteil. Viele wurden von den spontanen und in vielen Ländern unterschiedlichen Coronamaßnahmen so überrumpelt, dass an Urlaub kaum zu denken war. Auch für die Flüge, die in der Pauschalreise inbegriffen waren, gilt, dass Urlaubende einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises geltend machen können. Wichtig ist zu wissen ist, dass Reisende in Deutschland drei Jahre lang Zeit haben, ihre Ansprüche gegen Reiseveranstaltende einzuklagen. Für die von Corona Betroffenen bedeutet dies, dass sie ihre Ansprüche noch bis zum Ende dieses Jahres geltend machen können.“
Und auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer begrüßt das Urteil: „Der EuGH hat ein höchst verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Pauschalreisende können unter bestimmten Umständen ihr Geld zurückverlangen, wenn die Reise von Corona-Maßnahmen durchkreuzt wurde.“
Video-Tipp: Wenn der Flug wegen Corona ausgefallen ist
Die Coronapandemie kann nicht für alles als Entschuldigung herhalten – auch nicht für gecancelte Flüge. Das hat vor einiger Zeit ein Gericht entschieden. In diesem Video erfahrt Betroffene, welche Rechte sie haben , wenn die Airline euch keine Flugbeförderung anbieten wollte oder nicht bereit war, Schadensersatz zu zahlen.