Kindergeldberechtigung von EU-Bürgern: Feststellung von Freizügigkeit nur durch Ausländerbehörden möglich
Ausländer, die nicht freizügigkeitsberechtigt sind, erhalten nur dann Kindergeld, wenn sie über bestimmte Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz verfügen. Ob eine Kindergeldberechtigung besteht, entscheiden ausschließlich die Ausländerbehörden.Da die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Bürgern „neuer“ Mitgliedstaaten wie etwa im Fall von Bulgarien und Rumänien für eine gewisse Zeit übergangsweise beschränkt war, hatten die Richter des Bundesfinanzhofes (BFH) zu entscheiden, ob Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung den Kindergeldanspruch ausschließen.
Familienkassen haben kein Prüfungsrecht
Ein Ergebnis: Für die Zahlung von Kindergeld haben die Familienkassen die dafür erforderliche Freizügigkeit ausländischer EU-Bürger zu unterstellen. Die Feststellung der fehlenden Freizügigkeit, die den Kindergeldanspruch ausschließen kann, dürfen allerdings nur die Ausländerbehörden vornehmen. Die Familienkassen haben insoweit kein eigenes Prüfungsrecht. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden (Az.: III R 32/15).
Geklagt hatte ein bulgarischer Staatsbürger, der seit 2010 mit seiner im Januar 2004 geborenen Tochter in Deutschland lebt. Für sie beantragte er bei der Familienkasse die Gewährung von Kindergeld. Im Antragsformular teilte er mit, er sei weder unselbstständig noch selbstständig erwerbstätig und auch nicht in Deutschland sozialversichert. Die Familienkasse erbat daraufhin vom Kläger ohne Erfolg die Vorlage weiterer Unterlagen sowie die Auskunft, wovon er seit seiner Einreise seinen Lebensunterhalt bestreite.
Im Januar 2011 wurde der Sohn des Klägers geboren, für den er im Februar 2011 ebenfalls Kindergeld beantragte. Auf eine erneute Nachfrage der Familienkasse teilte die Ehefrau des Klägers im März 2011 mit, dass ihre Schwiegermutter für den Unterhalt der Familie sorge. Diese betreibe ein Gewerbe als Raumpflegerin. Alle zusammen wohnten zu fünft in einer Einzimmerwohnung mit rund 37 Quadratmetern Wohnfläche, deren Hauptmieterin die Mutter des Klägers sei.
Ohne Nachweis der Freizügigkeit keine Kindergeldberechtigung
Im Mai 2012 erhielt der Kläger eine Freizügigkeitsbescheinigung gemäß Paragraf 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Die Familienkasse setzte daraufhin für beide Kinder Kindergeld ab Mai 2012 fest und lehnte zugleich den Antrag für die Tochter für den Zeitraum März 2010 bis April 2012 und für den Sohn von Januar 2011 bis April 2012 unter Hinweis auf die seinerzeit noch fehlende Freizügigkeitsbescheinigung ab.
Dagegen klagte der bulgarische Staatsbürger, hatte jedoch zunächst keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass dem Bulgaren keine Freizügigkeit im Hinblick auf das Kindergeld zugestanden werden könne. Das sah der BFH allerdings anders und gab der Klage statt. Er entschied, dass bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen unabhängig von der für sie bis zum 31. Dezember 2013 eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit ein allein aus der Unionsbürgerschaft folgendes Freizügigkeitsrecht zusteht.
Die gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit besteht zudem auch nach deutschem Recht nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für niedergelassene selbständige Erwerbstätige, Empfänger von Dienstleistungen, Familienangehörige und so weiter. Die förmliche Feststellung der fehlenden Freizügigkeit obliegt dabei allein den Ausländerbehörden.