Aufenthaltsrecht: Wenn ein falsches Visum eine Entsendung stoppt
Der Anteil an Mitarbeitern, die für ihren deutschen Arbeitgeber vorübergehend im Ausland tätig werden, wächst stetig. Es ist der kurzfristige Auftrag in China oder das neu zu eröffnende Büro in den USA, die nach Ansicht von Fachabteilungen und Geschäftsführung am besten morgen in Angriff genommen werden sollten. Selbst wenn für diese Aufgaben die richtigen Mitarbeiter zur Verfügung stehen, so stellen solche Auslandstätigkeiten die Personalabteilungen vor einige Herausforderungen und nicht zuletzt spielen das richtige Visum und die vorhandene Arbeitserlaubnis eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Unternehmens im Ausland. Der Dschungel an unterschiedlichen Visaarten und permanenten Änderungen im Einreise- sowie dem Arbeitsgenehmigungsrecht in den einzelnen Ländern ist dabei für Personalverantwortliche kaum noch zu durchdringen. Aus Unwissenheit oder – wenn wir einmal ehrlich sind auch aus Zeitmangel – wird somit schnell einmal das falsche Visum für den Mitarbeiter beantragt.
Falsches Visum mit fatalen Folgen
Doch die Beantragung des falschen Visums kann sowohl für den Mitarbeiter als auch für das Unternehmen fatale Folgen haben. Folgendes Beispiel hat sich letztes Jahr so zugetragen:
Ein deutsches mittelständisches Unternehmen möchte zwei Mitarbeiter in einer neuen Niederlassung in den USA für drei Jahre einsetzen. Einer der beiden Mitarbeiter, Herr Schneider, soll die Niederlassung in Seattle zukünftig leiten. Der andere Mitarbeiter, Herr Müller, soll vor Ort als Sales Manager arbeiten. Da der Standort in Seattle schon vor einem Jahr gegründet wurde, fliegt Herr Schneider regelmäßig in die USA, um vor Ort alles in die Wege zu leiten, lokales Personal anzustellen, Kunden zu akquirieren und erste Aufträge zu bearbeiten. Da er sich nie länger als 90 Tage in den USA aufhält, reist Herr Schneider mit einem Touristenvisum. Herr Müller hingegen war nur einmal mit dem Touristenvisum in den USA, um sich im Rahmen eines Look & See-Trips ein Bild von seiner zukünftigen Umgebung zu machen, die Kollegen kennenzulernen und nach einer Wohnung zu suchen.
Als für beide Mitarbeiter alle vertraglichen Bedingungen geklärt sind und sich die beiden einverstanden erklären, nun für drei Jahre in den USA tätig zu werden, wird eine Visaagentur beauftragt, sich um die Arbeitsvisa der Mitarbeiter zu kümmern. Schnell wird klar, dass für beide Mitarbeiter ein L-1 Visum beantragt werden soll, da es sich um eine unternehmensinterne Versetzung handelt und beide Mitarbeiter über vertieftes Fachwissen verfügen, welches nachgewiesen werden kann. Beide Anträge werden beim Konsulat eingereicht und weitere Vorkehrungen für die Auslandseinsätze werden getroffen, denn eigentlich – so die Visaagentur – kann nichts schief gehen.
Visumantrag von US-Behörden abgelehnt
Nach einer Bearbeitungszeit von etwa fünf Monaten wird der Antrag von Herrn Müller bewilligt, der von Herrn Schneider hingegen abgelehnt. Warum haben die Behörden so entschieden? Was sind Konsequenzen für das Unternehmen und Herrn Schneider?
Zunächst einmal haben die Behörden die Anträge genau geprüft. Dabei ist wohl aufgefallen, dass Herr Schneider mehrmals ohne eine entsprechende Arbeitserlaubnis in den USA für seinen Arbeitgeber tätig war. Damit war Herr Schneider in der Vergangenheit aus Sicht der US-Behörden illegal in den USA tätig. Für das Unternehmen ist die Ablehnung eine große Überraschung und gleichzeitig ein Schock. Wieso galt der Besuch von Herrn Schneider in den USA als illegale Beschäftigung? Er sollte doch lediglich ein paar Vorkehrungen treffen. Ein Klärungsgespräch mit einem auf Aufenthaltsrecht spezialisierten Anwalt bringt Licht in die Dunkelheit: Wer mit einem Touristenvisum in die USA einreist, darf sich ausschließlich – also ohne jede Ausnahme – zu touristischen Zwecken (daher auch die Bezeichnung „Touristenvisum“) in den USA aufhalten. Das heißt, ausländische Reisende dürfen dort Urlaub machen oder wie im Fall von Herrn Müller, das Land bereisen und sich Land und Leute anschauen.
Herr Schneider hingegen war selbst während seiner kurzen Besuche in den Staaten für seinen Arbeitgeber aktiv. Er hat dort Aufträge erledigt und sogar Kunden akquiriert. Er ist also einer Arbeitstätigkeit nachgegangen. Wie diese Tatsache zu den US-Behörden durchgedrungen ist, bleibt unklar. Fakt ist jedoch, dass der deutsche Mitarbeiter offiziell illegal beschäftigt war und nun auch nicht mehr offiziell und legal in den USA arbeiten darf.
Herr Schneider Schlaflos in Seattle
Wer soll nun also zukünftig das Büro in Seattle leiten? Während die Nachricht der Visaagentur das Unternehmen erreicht, befindet sich Herr Schneider schon wieder dienstlich in Seattle – erneut mit einem Touristenvisum. Inzwischen wurde sein Umzugsgut verschifft und der Rest seines Hausstands in Deutschland eingelagert. Seinen Wohnsitz in Deutschland hat er aufgegeben. Eine Relocationagentur wurde beauftragt für Herrn Schneider eine Wohnung in Seattle für die nächsten drei Jahre zu finden, momentan wohnt er übergangsweise in einem Hotel. Herr Schneider sitzt gewissermaßen fest. Ohne gültiges (langfristiges) Visum bekommt er keine Sozialversicherungsnummer (SSN), die er beispielsweise für das Abschließen eines Mietvertrags, die Eröffnung eines Kontos oder die Entgegennahme seines Umzugsgutes benötigt.
Er muss also zurück nach Deutschland, wo er keinen Wohnsitz mehr hat und kommt erst einmal bei Freunden unter. Sein Umzugsgut bleibt zunächst beim amerikanischen Zoll und wird nach langem „Hin und Her“ wieder zurück nach Deutschland verschifft. Seine ursprüngliche Situation wurde inzwischen neu besetzt und Herr Schneider selbst muss sich mit einer anderen Stelle im Unternehmen zufrieden geben, bis sich wieder eine adäquate Position für ihn ergibt. Währenddessen wird mit allen Mitteln und anwaltlicher Unterstützung in den USA und Deutschland an einer Lösung gearbeitet, nun doch noch ein Visum und eine Arbeitserlaubnis für Herrn Schneider zu bekommen. Das Unternehmen hat inzwischen einen fünfstelligen Betrag für den Auslandseinsatz von Herrn Schneider ausgegeben, der unter Umständen nun gar nicht mehr stattfinden wird. Herr Schneider ist mit seiner Situation und auch seiner aktuellen Position sehr unglücklich und sucht nach neuen beruflichen Herausforderungen außerhalb des Unternehmens. Währenddessen versucht Herr Müller in Seattle sowohl die Niederlassung zu leiten als auch seine Funktion als Sales Manager wahrzunehmen. Er ist mit der Situation überfordert und ebenfalls unzufrieden.
Strafzahlungen und lebenslanges Einreiseverbot als Folge
Die dargestellte Situation ist noch eine der harmloseren, die sich immer wieder in Unternehmen abspielen. Denn kann je nach Einsatzland können das falsche Visum oder eine nicht vorhandene Arbeitserlaubnis auch drastischere Folgen haben als im dargestellten Fall der Entsendung nach Seattle. Wird dies von den Behörden vor Ort entdeckt, drohen Strafzahlungen und die sofortige Ausreise des Mitarbeiters sowie ein lebenslanges Wiedereinreiseverbot. Unter Umständen muss das Unternehmen im jeweiligen Land seine Geschäftstätigkeit beenden und darf diese auch nicht mehr aufnehmen.
Hinzu kommt: Ein betroffener Mitarbeiter kann seinen Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagen, sollte er ein lebenslanges Einreiseverbot für ein bestimmtes Land bekommen, da der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen ist. Weitere Folgen von illegalen Mitarbeitereinsätzen im Ausland sind Demotivation des Mitarbeiters und Imageschaden des Unternehmens. Denn je häufiger die Expats selbst von den Folgen einer mangelhaft geregelten Entsendung betroffen sind, desto geringer ist die Bereitschaft bei den Kollegen in Deutschland alle Zelte abzubrechen und für das Unternehmen einen bestimmten Zeitraum im Ausland tätig zu werden.
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Die Autorin:
Simone Richter ist Young Professional bei der auf Unternehmensberatung für Auslandsentsendungen/International Assignments spezialisierten BDAE GRUPPE.
Tel.: +49-40-30 68 74-46
E-Mail: srichter@bdae.com
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