So schadet ein harter Brexit den Tschechen und Deutschen
Ein harter Brexit wird nicht nur ein Schlag für den Autobauer Skoda, sondern auch für die Wirtschaft Tschechiens. Vor allem die „No Deal“-Variante könnte dazu führen, dass die Nachfrage signifikant sinkt, Exporte nach Großbritannien um bis zu 20 Prozent einbrechen, das tschechische BIP um 1,1 Punkte abfällt und 40.000 Jobs verloren gehen. Zu dem Ergebnis kommt eine Analyse der Ceská spořitelna, der größten Geschäftsbank Tschechiens, die die Bedeutung der Automobilindustrie als „wichtigen Wirtschaftsmotor“ unterstreicht.
Nur vorübergehend problematisch
„Was nach dem Brexit passiert, kann im Moment noch niemand genau sagen. Ich denke aber, dass nicht nur in der Automobilbranche ein großes Interesse besteht, dass das kein absolutes Chaos wird“, meint Nord/LB-Analyst Frank Schwope im Gespräch mit pressetext. Das gelte auch für Skoda. „Wenn die Nachfrage in Großbritannien zurückgehen sollte, kann man das zum Teil durch andere Märkte kompensieren. Für die Autobauer ist es wichtiger, was in China passiert.“ Der EU-Austritt der Briten sei lediglich ein „vorübergehendes Problem“. „Schon 2020 könnte sich wieder ein Wachstum einstellen“, meint Schwope.
„Ein harter Brexit würde bedeuten, dass Autos mit zehnprozentigen Importzöllen belegt werden. Das würde uns ganz schön weh tun“, stellt Radek Spicar, Vizepräsident der Czech Confederation of Industry, klar. Insbesondere würde das die Nachfrage nach Autos empfindlich dämpfen. „Firmen wie Skoda würden zwar nicht kollabieren, aber sie würden Boden auf einem sehr wichtigen Markt verlieren“, erklärt der Industrievertreter. Denn gerade in Großbritannien habe sich das Image des tschechischen Autokonzerns in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. „Skoda gehört dort mittlerweile zu den angesehensten Marken“, betont Spicar.
UK für Tschechien wichtiger Exportmarkt
Den jüngsten Zahlen der Ceská spořitelna zufolge ist Großbritannien der fünftgrößte Exportmarkt für Tschechien. Unternehmen aus dem mitteleuropäischen Land verkaufen pro Jahr Güter im Wert von 210 Mrd. Kronen (rund 8,2 Milliarden Euro) ins Vereinigte Königreich. Autoexporte machen dabei mehr als die Hälfte des gesamten Exportvolumens aus. Allein Skoda verfrachtet jährlich im Schnitt 80.000 Fahrzeuge auf die britischen Inseln, das entspricht beinahe zehn Prozent des jährlichen Outputs des Konzerns, der seit 1991 von Volkswagen kontrolliert wird.
Deutsche verlieren pro Jahr 115 Euro vom Einkommen
Der Brexit sorgt aber auch bei den Deutschen für finanzielle Verluste. Sie müssten sich bei einem harten Brexit auf Einkommensverluste in Höhe von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr einstellen (rund 115 Euro pro Kopf). Das wären nach Großbritannien die zweithöchsten Verluste in der EU. Besonders betroffen wären hierzulande die Regierungsbezirke Düsseldorf, Köln und Oberbayern, in denen ein harter Brexit mit Einkommensverlusten von 520 bis 650 Millionen Euro pro Jahr schwer wiegen würde, wie eine aktuelle Analyse der Bertelsmann Stiftung zeigt.
Harter Brexit schadet vor allem Mittelstand
In Deutschland würde es bei einem harten Brexit den Regierungsbezirk Düsseldorf am stärksten treffen. Hier rechnen die Autoren mit Einkommensverlusten von insgesamt 650 Millionen Euro pro Jahr – dies entspricht rund 126 Euro jährlich pro Einwohner. Es folgen Oberbayern (mit dem Großraum München), wo die erwarteten Einkommensverluste bei 526 Millionen Euro pro Jahr liegen (115 Euro pro Kopf) und Stuttgart mit 473 Millionen Euro pro Jahr (116 Euro pro Kopf). Die niedrigsten Verluste würden die Regionen Trier (50 Millionen Euro jährlich) sowie Leipzig (76 Millionen Euro) und Chemnitz (95 Millionen Euro) treffen.
„Gerade Regionen mit produktiven Mittelstandsunternehmen wären von einem Brexit besonders betroffen“, sagt Dominic Ponattu, Mitautor der Studie. Dazu zählen laut dem Fachmann in Deutschland unter anderem Regionen wie das Rheinland und Ostwestfalen-Lippe sowie das Umland der Metropolen Stuttgart und Hamburg. Je wichtiger die Handelsbeziehungen zwischen einer Region mit Großbritannien ausgeprägt sind, desto höher fallen die Verluste aus. Das gilt beispielsweise für Nordrhein-Westfalen: Dort ist Großbritannien nach den Niederlanden und Frankreich das wichtigste Exportland, meint Ponattu.
Deal käme wesentlich billiger
Ein Brexit unter vertraglich geregelten Bedingungen, wie ihn die EU mit der britischen Regierung ausgehandelt hat, könnte die negativen Folgen stark abschwächen. Die Autoren zeigen, dass sich im Fall eines solchen weichen Brexit die Einkommensverluste für Deutschland im Vergleich zum harten Brexit auf fünf Milliarden Euro halbieren könnte. In Großbritannien wären die Einbußen mit rund 32 Mrd. Euro ebenfalls erheblich geringer als bei einem harten Brexit (57 Milliarden Euro). Die gesamte EU, ausgenommen Großbritannien, müsste bei einem weichen Brexit mit insgesamt rund 22 Milliarden Euro an jährlichen Einkommensverlusten rechnen (harter Brexit: 40 Milliarden Euro).