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„Netzwerke unter Expats schaffen Vertrauen“

In einer umfassenden Studie untersuchten Dr. Benjamin Bader und Kollegen der Universität Hamburg, welche Bedeutung Netzwerke für Expats in Risikoregionen haben. Ein Ergebnis: Expat-Netzwerke können im Ernstfall Leben retten.

EXPAT NEWS: Sie haben in einer Studie untersucht, wie sich Terrorismus auf Expats und Expat-Netzwerke auswirkt.

Bader: Konkret hat mich interessiert, wie sich Gefährdungspotenziale in einer Region, in der sich Expatriates mit ihren Familien befinden, auf deren psychologisches Wohlbefinden auswirken. In einer anderen Studie hatte ich bereits untersucht, was es für das Stressempfinden von Expatriates bedeutet, wenn sie in Risikoländer entsandt werden. Nun war ich neugierig, welchen Nutzen das soziale Netzwerk in einer solchen Situation stiften kann.

EXPAT NEWS: Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis im Rahmen dieses Forschungsprojektes?

Bader: Je größer das Netzwerk eines Expatriates in Hochrisikoländern, desto höher ist das psychologische Wohlbefinden. Am wichtigsten erscheint im Ausland das familiäre Netzwerk.

EXPAT NEWS: Warum ist das psychologische Wohlbefinden umso stärker, je größer das soziale Umfeld ist? Man möchte doch meinen, je häufiger man von Risiken hört, desto verunsicherter wird man.

Bader: Ein großes Netzwerk zu haben bedeutet nicht automatisch, nur Negatives zu hören. Im Gegenteil – eben weil ein reger Austausch und stetiger Informationsfluss herrscht und auch ein gewisser emotionaler Support da ist, fühlen sich viele Entsandte in Risikoregionen besser. Oft erhalten Sie wertvolle Hinweise, etwa darauf, welche Gebiete beziehungsweise Stadtteile man umfahren sollte, und im Ernstfall ist eine Gemeinschaft da, in der sich die Menschen untereinander unterstützen. Sehr deutlich ist dies geworden als die Unruhen in Ägypten ausbrachen. Die Expatriates kannten sich untereinander und hielten sich über alle Entwicklungen auf dem Laufenden. Ein Unternehmen hat sich aufgrund der drohenden Eskalation des Konflikts entschieden, eine Rückholaktion zu starten und hat ein Flugzeug hierfür gechartert. Da noch viele Plätze frei waren, haben die Expats vor Ort die Info in ihrem Netzwerk gestreut und die Plätze wurden vergeben. Der normale Flugverkehr stand zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend still. Expatriates, die lediglich zum Flughafen gefahren sind und einen Linienflug nehmen wollten, haben wahrscheinlich etliche Tage dort ausharren müssen, bevor sie das Land verlassen konnten.

Dieser konkrete Fall verdeutlicht, welchen enormen Nutzen ein großes soziales Netzwerk stiften kann. Denn Expatriates, die nicht dem organisierenden Unternehmen angehörten, haben nur aufgrund ihres großen Netzwerkes von dieser Rückholaktion erfahren und konnten so das Land schnell und sicher verlassen.

Business people Network Foto: © mostafa fawzy – Fotolia.com

EXPAT NEWS: Was können Unternehmen daraus lernen?

Bader: Sie sollten die Netzwerkbildung unter ihren Expatriates unbedingt fördern, etwa durch geplante Events vor Ort. Solche Veranstaltungen ermöglichen es, dass Expats am kulturellen Leben teilnehmen können und fördern, dass Entsandte und ihre Familien Kontakte zu Personen vor Ort knüpfen können. Vor allem Kontakte zu Personen im Gastland sorgen dafür, dass sich Expatriates im Einsatzland wohler und sicherer fühlen. Netzwerke schaffen Vertrauen.

„Unternehmen sollten firmenübergreifende Kontakte im Ausland zum Wohle Ihrer Expats fördern“

EXPAT NEWS: Wie können Personaler eine solche Netzwerkbildung fördern?

Bader: Das ist nicht immer ganz leicht, vor allem wenn die Personalabteilung im Heimatland angesiedelt ist. Eine Grundvoraussetzung ist es, dass die Leute im HR-Bereich ein genaues Bild der Lage vor Ort haben, im Idealfall selbst längere Zeit im Ausland gewesen sind. Eine weitere Möglichkeit ist die Bereitstellung von Mentorinnen und Mentoren vor Ort, welche die Expatriates mit den Locals in Kontakt bringen. Zudem sind firmenübergreifende Kontakte wichtig und sollten von den Unternehmen gezielt gefördert werden, gerade wenn es um das Thema Sicherheit geht. In meinem genannten Ägypten-Beispiel saßen Expatriates von teilweise massiv miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im gleichen Flugzeug.

EXPAT NEWS: Wer ist Teil dieses Netzwerkes von Expats? Sind Einheimische darunter?

Bader: Neben den Familien und engen Freunden befinden sich vor allem Kolleginnen und Kollegen aus dem entsendenden Unternehmen im Netzwerk. Es finden sich darunter in der Tat auch Personen aus dem Gastland, wobei hier ein enormes Steigerungspotenzial besteht, jedenfalls in den von uns untersuchten Ländern. Insbesondere wenn dazu noch ein starkes Einkommensgefälle herrscht – denken Sie an deutsche Expatriates in Pakistan – ist es häufig schwierig, dass Kontakte über Geschäftliches hinausgehen.

EXPAT NEWS: Wie kann eine Netzwerkbildung sinnvoll in den Entsendevorbereitungsprozess integriert werden?

Bader: Der erste Schritt ist, so trivial das klingt, Aufklärung und Information. Vor allem Expatriates, die das erste Mal entsandt werden, sollten hier entsprechend unterstützt werden. Neben den bereits erwähnten Mentoren vor Ort bietet es sich zudem an, Expatriates vor der Entsendung mit Repatriates, die bereits eine längere Zeit im betreffenden Land verbracht haben, in Kontakt zu bringen. Diese können wiederum wertvolle Tipps geben und möglicherweise Kontakte im Ausland herstellen, noch bevor die oder der Entsandte überhaupt ins Ausland geht. Zudem haben sich „Kennenlern-Reisen“ bewährt. Viele Unternehmen bieten Expatriates zusammen mit ihren Familien an, Land und Stadt vorab kennenzulernen, was ein späteres böses Erwachen deutlich abmildern kann.

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Aktuelles Forschungsprojekt der Uni Hamburg

Crowd of spectators looking at big screen with world mapAls Teil eines breit angelegten Forschungsprojektes führt die Universität Hamburg eine Untersuchung zu karriereseitigen Auswirkungen von Auslandsentsendungen durch. Um realitätsnahe Einblicke zu erhalten, benötigt das Forscherteam Informationen von Personen, die direkt von diesem Thema betroffen sind. Falls Sie schon einmal von Ihrem jetzigen oder ehemaligen Arbeitgeber ins Ausland entsandt wurden, würden wir Sie gerne einladen, sich 10-15 Minuten Zeit zu nehmen, um an der Umfrage teilzunehmen. Die Erhebung basiert auf einer Online-Umfrage, welche über den folgenden Link erreicht werden kann:

http://ww3.unipark.de/uc/repatriate_career/

Sollten Sie zudem Interesse haben an einer eigenen Übersicht der Ergebnisse, so besteht nach Beendigung der Umfrage die Möglichkeit, eine entsprechende Anfrage an die Studienverantwortlichen zu senden.

Für weitere Informationen besuchen Sie gerne die Homepage des Lehrstuhls für Strategisches Management der Universität Hamburg.

Foto: © Kamaga – Fotolia.com

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