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Tod eines Geschäftsreisenden – Ein Praxisbericht Mitarbeiterentsendung

Dass außer dem Fahrer noch eine zweite Person im Taxi saß, wunderte Patrick Jung* anscheinend nicht – zu müde war er vom langen Flug, um auf dieses Detail zu achten. Der Geschäftsmann fuhr in einem Taxi vom Flughafen Delhi stadteinwärts. Was während der Taxifahrt genau passierte, ist unbekannt. Seine Leiche wurde am Straßenrand, unweit des Flughafens, gefunden. Von seinem Geldbeutel und Ausweis fehlte jede Spur.

Juristen und Familienangehörige fragten sich: Hat das Unternehmen gegen seine gesetzliche Fürsorgepflicht verstoßen? Wurde der Mitarbeiter nachweislich über Risiken im Zielland informiert (RiskDisclosure)? War die Abholung am Flughafen der Sicherheitslage vor Ort angepasst? Auch in der Belegschaft und bei Kunden warf der Vorfall Fragen zur Professionalität des Arbeitgebers auf – und das in Zeiten, in denen Unternehmen zunehmend in Ländern mit erhöhten Sicherheitsrisiken präsent sein müssen.

Personalverantwortliche und Unternehmen können viel leisten

Unternehmen und Mitarbeiter können viel für ihre Sicherheit im Ausland tun – vorausgesetzt, sie verfügen über das erforderliche Wissen und sind sensibilisiert. Mehr als 90 Prozent der Zwischenfälle im Ausland sind durch entsprechende Vorbereitung und sicherheitsbewusstes Verhalten vermeidbar.

Der Schutz beginnt bereits vor der Reise. Mitarbeiter informieren sich nur selten über die Sicherheitslage am Reiseziel. Oft werden allenfalls die Internetseiten des Auswärtigen Amtes oder des US Außenministeriums überflogen. Doch den staatlichen Länderinformationen fehlen in der Regel Detailinformationen zu gefährlichen Stadtteilen, sicheren Hotels und Taxen. Ein kommerzielles, auf das Informationsbedürfnis von Geschäftsreisenden ausgerichtetes und rund um die Uhr aktualisiertes Länderinformationssystem schließt diese Wissenslücke. Mitarbeiter und Unternehmen ersparen sich damit zeitintensive Recherchen, denn die Daten sind auf Knopfdruck abrufbar.

Firmen sollten ihre Mitarbeiter in sicherheitsgerechtem Verhalten schulen. Themen wie Reisevorbereitung, unauffälliges Verhalten oder Gefahrenwahrnehmung werden praxisnah – auch in Rollenspielen – behandelt. Wer im Training schon einmal einer Carjacking-Situation ausgesetzt war, ist auf den Ernstfall vorbereitet. Bei Expatriats sollten auch die Familienangehörigen in so ein Training einbezogen werden, denn das Sicherheitsempfinden der Familie ist häufig der Grund für den Abbruch von Entsendungen. Eine Schwachstellenanalyse vor Ort hilft Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.

Wie kann der Mitarbeiter in Not auch am Wochenende schnelle Hilfe erhalten? Wie kann sichergestellt werden, dass das Unternehmen nicht erst durch eine Medienanfrage vom Vorfall im Ausland erfährt? Arbeitsrechtler vertreten die Auffassung, dass selbst kleinen Firmen der Betrieb einer 24-Stunden-Notfallhotline zuzumuten ist.

Viele Unternehmen statten ihre Mitarbeiter mit Reiseapotheken aus. Die sind aber meist nur auf Erkrankungen wie Durchfall ausgelegt, nicht auf stark blutende Verletzungen, wie etwa bei Verkehrsunfällen. Im Unterschied zu Deutschland sind Rettungsfahrzeuge in Ländern wie Mexiko, Indien oder Nigeria nicht nach spätestens zehn Minuten am Unfallort. Hier bedarf es einer robusten Erste-Hilfe-Ausbildung und persönlicher medizinischer Ausstattung.

Werden Mitarbeiter durch eine Naturkatastrophe, wie etwa ein Erdbeben, überrascht oder Opfer eines Verbrechens, greift das Krisenmanagement. Wenn Unternehmen lediglich über ein „Krisenmanagement auf Zuruf“ verfügen sind die Folgen, auch medial, katastrophal – wie bei einem Leipziger Unternehmen, dessen Mitarbeiter 2006 im Irak entführt wurden. Demgegenüber bedeutet professionelles Krisenmanagement: Das Unternehmen setzt sich bereits im Vorfeld mit verschiedenen Worst-Case-Szenarien auseinander, erstellt Handlungsanweisungen und trainiert die Zusammenarbeit im Krisenstab.

Personalverantwortliche als „Kümmerer“

Könnte Patrick Jung noch leben? Mit Sicherheit, wenn er ein Taxi an dem von der Polizei geführten Taxistand in Delhi benutzt hätte – dort sind die Taxen und Fahrer registriert; auch die Daten der Passagiere werden festgehalten.

Mit einem professionellen Expatriate & Travel Risk Management kommen Unternehmen nicht nur ihrer Fürsorgepflicht nach: Sie bringen dem Mitarbeiter auch die notwendige Wertschätzung entgegen, schützen sich vor Klagen und leisten einen wichtigen Beitrag zu ihrem Reputationsmanagement. Personalverantwortliche können sich im Unternehmen mit dem Thema „Mitarbeitersicherheit im Ausland“ als „Kümmerer“ positionieren. Mitarbeiterfürsorge ist beim Kampf um die „besten Köpfe“ eben ein wichtiges Entscheidungskriterium.

*Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert.

Der Autor:

Pascal Michel ist Senior Consultant bei der Result Group GmbH – Global Risk and Crisis Management. Das Unternehmen bereitet entsandte Mitarbeiter und Geschäftsreisende international tätiger Firmen auf Risiken während eines Auslandseinsatzes vor.

Tel.: 0049-89-I-6977-860

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