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„Man kann in Peru viel erreichen, wenn man es selbst in die Hände nimmt“

Oliver Stahmann wanderte vor ein paar Jahren nach Peru aus. Wie es dazu kam, wer ihm beim Einleben half und was er an Land und Leuten liebt, erzählt der 40-Jährige im Interview.

EXPAT NEWS: Sie sind gebürtiger Hamburger, leben aber zurzeit in Lima, der Hauptstadt Perus. Was machen Sie dort beruflich?

Stahmann: Ich bin Fotograf und Autor und arbeite derzeit an verschiedenen Ausstellungsprojekten und einem Roman. Das reicht zum Leben noch nicht aus, daher gebe ich noch Kurse, organisiere Touren und Events und mache vieles mehr freiberuflich.

EXPAT NEWS: Was hat Sie ausgerechnet nach Peru verschlagen?

Stahmann: Nachdem ich bereits Buenos Aires und Argentinien bereist und angefangen hatte, Spanisch zu lernen, wollte ich als Nächstes auch die berühmte Ruinenstadt Machu Picchu kennenlernen. Und ich wollte das urbane Stadtleben einer so großen Metropole wie Lima mit der Kamera einfangen. Dort hat es mir dann so gut gefallen, dass ich beschloss, etwas länger dort zu bleiben. Daraus sind mittlerweile schon sieben Jahre geworden und das obwohl Lima so eigentlich nicht auf meinem Plan stand — da musste ich meine einstigen Traumziele Paris, Barcelona und New York erst einmal durchstreichen.

EXPAT NEWS: Wie lebt und arbeitet es sich in Peru?

Stahmann: Während meiner ersten Jahre in dem Andenstaat war ich noch Herausgeber eines kleinen E-Papers in englischer Sprache und all meine Einnahmen und Kunden waren auf der ganzen Welt verbreitet. Das machte das Dableiben auch leichter. Als ich mich entschlossen hatte, etwas anderes zu tun und einen Job vor Ort suchte, musste ich vor allem kreativ werden. Es ist nicht unbedingt so, dass Jobs an jeder Ecke auf einen warten, es sei denn, man arbeitet in Bereichen, die hier händeringend benötigt werden — so zum Beispiel Ingenieure, Architekten, Entwicklungshelfer, Geologen, Lehrer oder Ärzte. Für einen langjährigen Journalisten, der auf Deutsch und Englisch geschrieben hat, war überhaupt kein Bedarf. Also fing ich an, Kurse zu geben, Touren und Events zu organisieren und eine deutschsprachige Webseite über Peru aufzubauen. Man kann in Peru viel erreichen — wenn man sich nicht auf andere verlässt und die Dinge selbst in die Hand nimmt.

EXPAT NEWS: Was waren Ihre größten Anfangsschwierigkeiten beim Einleben in Peru?

Stahmann: Sofern man die spanische Sprache beherrscht, halten sich Probleme in Grenzen. Aber man muss immer davon ausgehen, dass die Dinge nicht funktionieren, dass Termine nicht eingehalten oder verschoben werden und dass Meetings so gut wie nie pünktlich anfangen. E-Mail Anfragen werden oft nicht beantwortet, persönliche Kontakte sind Gold wert hier in Lima. Und dann gibt es noch eine furchtbare Bürokratie in der Stadt. Für alles braucht man Genehmigungen, Papiere und Unterschriften, die Ämter und Banken sind unorganisiert und rauben einem viel Zeit und Nerven.

„Das Expat-Netwerk InterNations half mir, mich in Peru einzuleben“

EXPAT NEWS: Was hat Ihnen geholfen?

Stahmann: Gleich in der zweiten Woche meines Aufenthaltes in Peru bin ich zu einem Treffen von InterNations gegangen. Damals vor über 7 Jahren war die weltweite Community noch eine sehr kleine Gruppe in einer überschaubaren Ecke einer Bar. Aber der Austausch mit anderen Expats hat mir sehr viel weitergeholfen. Über die Jahre entstanden daraus auch viele Freundschaften, das persönliche Netzwerk hat mir darüber hinaus auch im Arbeitsleben viele Türen öffnen können.

EXPAT NEWS: Heute sind Sie selbst als Ambassador für InterNations tätig und kümmern sich um andere Expats in Lima. Weshalb?

Oliver Stahmann meim Fotografieren in Peru
Oliver Stahmann meim Fotografieren

Stahmann: Ich bin bereits seit fünf Jahren Ambassador. Am Anfang meiner Zeit waren es rund 400 Mitglieder, daraus wurden in den letzten Jahren bereits knapp 12.000 – wir haben das wohl ganz gut gemacht. Unser Bestreben war es, dass die Leute sich auf den von uns organisierten Veranstaltungen wohlfühlen und dass sich die Expats untereinander anfreunden und weiterhelfen können. Wir wollten es einfach anders machen, als es hier vor Ort charakteristisch ist. Auf typischen peruanischen Events ist es nicht einfach, jemanden kennenzulernen. Selbst auf Geburtstagsfeiern bilden sich viele kleine Gruppen und man hat Schwierigkeiten, mit jemanden ins Gespräch zu kommen, den man noch nicht kennt. Auch wenn man abends mit Freunden ausgeht, sitzt man zumeist ziemlich isoliert in einer Ecke eines Clubs und aufgrund der Lautstärke sind Gespräche oft ausweglos.

Auf den InterNations-Events helfe ich den Gästen dabei, so viele Informationen wie möglich über die Organisation und die Stadt Lima zu erhalten, andere Mitglieder zu treffen und ich sorge dafür, dass sich niemand langweilt. Manchmal bereite ich dafür spezielle Networking-Icebreaker oder Videos vor. Zudem halte ich den Kontakt zu den englischsprachigen Medien vor Ort und anderen Expat-Gruppen. Dazu koordiniere ich mit den Consuls — das sind die Organisatoren von kleineren Freizeitaktivitäten bei InterNations — deren Termine, schaue, dass sich nichts überschneidet und gebe Anregungen und Kontakte weiter. Mittlerweile haben wir in Lima wirklich großartige Aktivitäten und sehr motivierte Consuls.

„Gute Kontakte auf der Welt zu haben, ist immens wichtig“

EXPAT NEWS: Was haben Sie bereits von Ihrem Auslandsaufenthalt mitgenommen?

Stahmann: Ich habe gelernt, wie wichtig es sein kann, gute Kontakte in der ganzen Welt zu haben, das kann im täglichen Leben Vieles einfacher machen. Und ich weiß nun, wie wichtig es ist, viele Sprachen zu beherrschen. Ich persönlich habe mit Spanisch, Englisch und Deutsch rund um die Uhr drei verschiedene zu managen.

EXPAT NEWS: Was würden Sie potenziellen Auswanderern nach Peru ans Herz legen?

Stahmann: In Peru ist es wichtig, tolerant zu sein, Fehler und scheinbar Unmögliches als gegeben zu akzeptieren und von vornherein damit zu rechnen, dass manches schiefgeht. Ein Plan B ist in Peru immer notwendig. Sofern man der peruanischen Kultur immer freundlich und offen begegnet, wird man nie Probleme haben. Man muss hier vieles mit Heiterkeit und Optimismus angehen.

Wenn man sich schon am frühen Morgen über die unmögliche Fahrweise der Autofahrer aufregt, wird man den Rest des Tages auch nicht mehr glücklich. Und wenn das Meeting eine halbe Stunde verspätet beginnt, der erwartete Scheck immer noch nicht rausgegangen ist, obwohl man schon seit zwei Monaten darauf wartet, das Internet mal wieder nicht funktioniert und man stundenlang im Stau steckt, dann fällt es manchmal schwer, die Stadt zu mögen. Das gute Essen, die leckeren Drinks, die lieben Menschen, die herrliche Parkanlage Malecon und das milde Wetter entschädigen dafür dann doch für vieles.

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Über InterNations

Mit mehr als 1,8 Millionen Mitgliedern aus 390 Städten in 166 Ländern ist  InterNations — im Jahr 2007 gegründet — das vermutlich weltweit größte Netzwerk und Informationsportal für Menschen, die im Ausland leben und arbeiten. Die Mitglieder tauschen sich online und offline aus. Monatlich gibt es rund 4.000 Veranstaltungen und Aktivitäten.

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