Gleichstellung von Frauen stagniert weltweit
Die Covid-19-Pandemie hat die erzielten Fortschritte auf dem Weg zur beruflichen Gleichstellung von Frauen weltweit um mindestens zwei Jahre zurückgeworfen. Deutlich gestiegen sind unter anderem die geschlechtsspezifische Arbeitslosigkeit und der Anteil von Frauen, die aufgrund der Pandemie aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind.
Und: Beim Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft sind Arbeitgeber und Regierungen gefordert, die Weichen so zu stellen, dass Frauen ebenfalls von dem Wandel profitieren.
Das sind einige der Ergebnisse des „Women in Work Index 2022“ von PwC. Er basiert auf den aktuellsten verfügbaren Daten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von 2020 und bewertet die Beschäftigungssituation von Frauen in 33 OECD-Ländern. In den Index fließen fünf Kategorien ein: die Frauen-Erwerbstätigenquote, die Differenz zwischen der Erwerbstätigenquote von Frauen und Männern, die geschlechterspezifische Arbeitslosenquote, der Anteil von Frauen in Vollzeitbeschäftigung und das Lohngefälle von Männern zu Frauen („Gender Pay Gap“).
Bei gleichem Tempo verdienen Frauen erst in 63 Jahren so viel wie Männer
PwC erhebt den Women in Work Index inzwischen seit zehn Jahren. Seither war die Frauenerwerbstätigkeit in den OECD-Ländern langsam, aber stetig gestiegen. Im aktuellen Erhebungsjahr 2020 indes ist der Index erstmals gesunken, in den einzelnen Kategorien unterschiedlich stark: Die Frauen-Erwerbstätigenquote sank gegenüber 2019 um einen Prozentpunkt auf 69 Prozent, die geschlechtsspezifische Arbeitslosenquote stieg um einen Prozentpunkt auf 7 Prozent. Demgegenüber ist die Lohnlücke im ersten Pandemiejahr 2020 im Durchschnitt aller OECD-Länder von 15 auf 14 Prozent zurückgegangen.
Petra Raspels, Head of People & Organisation bei PwC Deutschland und Europa, sagt: „Wenn die Angleichung der beruflichen Bedingungen von Männern und Frauen genauso weitergeht wie in den vergangenen zehn Jahren, dauert es 33 Jahre, bis die Frauen-Erwerbstätigenquote das Niveau der Männer erreicht.“ Und sie ergänzt: „Die Erwerbstätigenlücke wäre erst in 30 Jahren geschlossen, die geschlechterspezifische Arbeitslosigkeit in neun Jahren auf demselben Niveau angelangt. Dieselbe Vollzeitbeschäftigungsrate wie Männer würden Frauen sogar erst in 67 Jahren erreichen.“ Besonders auffällig: Bis Frauen dasselbe Lohnniveau wie Männer erreichen, würden bei gleichbleibendem Tempo noch 63 Jahre vergehen.
In diesen europäischen Ländern ist der Gender Pay Gap besonders groß
Frauen werden schlechter bezahlt als Männer. EU-weit lag der so genannte Gender Pay Gap, also der Anteil des durchschnittlichen Bruttolohns der Männer, den Frauen für ihre Arbeit weniger erhalten, im Jahr 2020 bei 13 Prozent. Deutschland liegt weit darüber, wie die Grafik von Statista zeigt – und das seit Jahren relativ unverändert. Innerhalb der letzten 15 Jahre verringerte sich die “Lücke” hierzulande nur um etwa fünf Prozent.
Spitzenreiter in dem aktuellen Vergleich von Eurostat, dem die Daten von 2020 zugrunde liegen, ist mit 22,3 Prozent Lettland, gefolgt von Estland mit 21,1 Prozent. In Slowenien und Rumänien liegt der Verdienstunterschied bei lediglich 3,1 und 2,4 Prozent. Den geringsten Wert verzeichnet Luxemburg mit 0,7 Prozent.
Der unbereinigte Gender Pay Gap berücksichtigt keine strukturellen Unterschiede wie Teilzeitarbeit, die Position im Unternehmen oder unterschiedliche Branchen. Er zeigt aber, dass Männer und Frauen nicht im selben Maße an der Wirtschaft partizipieren und Frauen generell weniger Geld zur Verfügung steht. Das liegt zum einen daran, dass Frauen häufiger unbezahlte Sorge- und Hausarbeit leisten und Jobs mit hohem Frauenanteil generell schlechter bezahlt werden.
Gender Pay Gap in Deutschland wächst
Die Spitzengruppe des PwC Women in Work Index bilden 2020 dieselben fünf Länder wie im Vorjahr, allerdings in veränderter Reihenfolge: Der neue Spitzenreiter ist Neuseeland (2019: Platz 4), gefolgt von Luxemburg, Slowenien, Schweden und Island, dem Top-Platzierten von 2019. Deutschland liegt mit Rang 19 nach wie vor im unteren Mittelfeld (2019: Rang 19).
Auch in Deutschland drückte die Pandemie den Gesamtindex erstmals nach unten. Mit Blick auf die Einzelkategorien ist die Frauen-Erwerbstätigenquote für Deutschland im ersten Pandemiejahr 2020 mit 0,9 Prozentpunkten leicht gestiegen, auf 75,8 Prozent. Die Erwerbstätigenlücke sank von 8,6 auf 6,8 Prozent. Gestiegen ist hingegen die Frauen-Arbeitslosenquote (2,8 auf 3,4 Prozent), und der Anteil an Frauen in Vollzeitbeschäftigung sank von 63,7 auf 60,6 Prozent. Im Gegensatz zum Durchschnitt der betrachteten OECD-Länder wuchs in Deutschland das Lohngefälle von Männern zu Frauen um 0,9 Prozentpunkte auf 20,1 Prozent. Petra Raspels von PwC sagt: „Die Zahlen belegen, dass auch in Deutschland die Frauen einen Großteil der pandemiebedingten Belastungen tragen. Dabei sind berufliche Gleichstellung und mehr Frauen im Beruf auch hierzulande ein wichtiger Standortfaktor.“
Gleichstellung von Frauen in Europa am ehesten in Schweden erreicht
An der Spitze des Gleichstellungsrankings des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen steht Schweden vor Dänemark und den Niederlanden. Der Index wird aus dem Abschneiden der EU-Länder in sechs Kategorien gebildet: Arbeit, Geld, Bildung, Zeit, Macht und Gesundheit. Hinzu kommen Faktoren wie etwa Gewalt gegen Frauen. Deutschland liegt mit 68,6 von 100 möglichen Punkten auf Rang 10. Wie langsam die Entwicklung voranschreitet, zeigt der Indexwert für die gesamte EU. Waren es im Gleichstellungsindex 2015 64,4 Punkte, sind es sechs Berichte später gerade einmal 3,6 Punkte mehr.
Grafik: Statista
Mehr Diversity in Vorständen kann entscheidende Vorteile für Gleichstellung von Frauen bringen
Dazu gelte es zunächst, so PwC-Expertin Petra Raspels, Einstiegshindernisse für Frauen in grünen Wachstumssektoren präzise zu ermitteln. Erforderlich seien zudem gezielte Weiterqualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen, ebenso ein vereinfachter Zugang zu Finanzmitteln für Unternehmerinnen. Unternehmen sollten zudem in Trainings- und Mentoringprogramme investieren. Gerade im Energiesektor seien Frauen auch in der Unternehmensleitung deutlich unterrepräsentiert.
Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung rechnen sich auch auf Länderebene: Eine Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote in der gesamten OECD auf das Niveau Schwedens würde nach Berechnungen von PwC das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der OECD um sechs Billionen US-Dollar pro Jahr steigern. Gleichzeitig könnte die Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles das Einkommen von Frauen in der gesamten OECD um zwei Billionen US-Dollar pro Jahr steigern.
Schlüsselerkenntnisse des PwC Woman in Work Index 2022
Flexible Arbeitsmöglichkeiten müssen für alle, sowohl für Frauen als auch für Männer, zugänglich sein und von allen gleichermaßen genutzt werden, so dass flexibles Arbeiten als Standardpraxis akzeptiert wird und es keine bewussten oder unbewussten geschlechtsspezifischen Vorurteile gegenüber denjenigen gibt, die flexibel arbeiten.
Es werden mehr erschwingliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten benötigt, um die Last der unbezahlten Betreuung durch Frauen zu verringern.
Regierungen und Unternehmen müssen für einen gleichberechtigten, bezahlten Elternurlaub sorgen, um die Belastung der Frauen durch unbezahlte Betreuungsarbeit umzuverteilen. Dies wird es den Frauen ermöglichen, ihre Beteiligung an der bezahlten Arbeit zu erhöhen und bessere Möglichkeiten für den beruflichen Aufstieg zu schaffen. Dies wird auch dazu beitragen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern.
Die Studie (in englischer Sprache) finden Sie unter folgendem Link: https://www.pwc.co.uk/services/economics/insights/women-in-work-index.html