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Teilen von Kinderfotos auf Social Media
© Drobot Dean - AdobeStock

Kommentar: Darum ist das Teilen von Kinderfotos auf Social Media weltweit kritisch zu sehen

Ein Schnappschuss vom kleinen Sohn beim Sandburg-Bauen, ein Porträt der Tochter im neuen Badeanzug am Strand – viele Eltern teilen ihre Urlaubsfotos und Videos über Kanäle wie WhatsApp, Facebook, TikTok oder Instagram. Zum einen, weil das Internet eine schnelle und einfache Möglichkeit der Datenübermittlung darstellt. Zum anderen, weil die Views, Likes oder Shares dem elterlichen Ego guttun. Woran viele jedoch nicht denken: Mit dem Teilen von Bildmaterial – meist sogar ohne Einverständnis der abgebildeten Kinder – verletzen die Erziehungsberechtigten nicht nur deren Privatsphäre, sondern öffnen auch noch Pädophilen Tür und Tor. Denn ein beachtlicher Teil des Materials findet sich auf kinderpornografischen Websites im Clear- oder Darknet wieder.

Sharenting: Falsch verstandener Elternstolz

Das Phänomen, dass Eltern Bilder ihrer Kinder teilen, hat ein eigenes Wort: Sharenting. Es setzt sich aus dem englischen Wort „parenting“ und dem Verb „to share“ zusammen und bedeutet, dass Eltern Bilder ihrer Kinder online teilen. Doch was Erwachsene mit Stolz oder Freude erfüllt, kann für Kinder peinlich sein. Und wenn nicht sofort, dann möglicherweise Jahre später. Erhebungen zeigen, dass Bilder eines Kindes vor seinem 13. Lebensjahr im Mittel 1.300 Mal im Internet geteilt werden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat das Phänomen des „Sharenting“ deshalb in einer Studie untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Kinder ein sehr klares Gespür dafür haben, unter welchen Umständen sie mit der Veröffentlichung von Bildern oder Videos einverstanden sind und wann dies nicht der Fall ist. Dabei können sich die Kriterien von Eltern und Kindern für die Bewertung eines Bildes stark unterscheiden, sodass Kinder Aufnahmen problematisch finden, die Erwachsene für harmlos halten. Die Studie kommt zu dem Schluss, „[…] dass Kinder in der Regel deutlich weniger Bilder preisgeben würden als ihre Eltern.“

Missbrauch unschuldiger Urlaubsfotos

Ganz abgesehen von der Verletzung der kindlichen Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte können unschuldige Urlaubsfotos sehr schnell in falsche Hände geraten und – teils auf eine Weise bearbeitet, die sich die meisten Eltern nicht einmal vorstellen können – in kinderpornografischen Internetportalen wieder auftauchen.

Teilen von Kinderfotos auf Social Media
© yurakrasil – AdobeStock

Selbst scheinbar harmlose Urlaubsfotos können auf falsche Webseiten gelangen, wenn sie auf Social Media geteilt wurden.

Nach Angaben der australischen Beauftragten für die elektronische Sicherheit von Kindern (Australian Children’s e-safety Commissioners) enthielt beispielsweise eine kinderpornografische Website Bilder von 45 Millionen ahnungslosen Kindern. Außerdem wurde festgestellt, dass 50 Prozent der Bilder, die auf pädophilen Websites geteilt werden, von den Social-Media-Seiten der Eltern stammen.

Die Doppelmoral hinter dem Datenschutz

Noch deutlich gravierender als die missbräuchliche Verwendung unschuldiger Fotos von Kindern ist jedoch der bewusste Missbrauch unschuldiger Kinder für pornografische Fotos. Falls pädophile Täter nicht ohnehin aus dem Umkreis ihrer Opfer stammen, so bieten
Soziale Medien, Messaging-Plattformen, Spieleplattformen usw. zahlreiche Möglichkeiten, um mit Kindern in Kontakt zu treten. Dabei reichen die Möglichkeiten von dem Anwerben für sexuell eindeutige Bilder, sexuell geprägte Chats mit Kindern, dem Hochladen und Teilen von pädophilen Fotos, bis hin zum Versuch, Kinder persönlich zu treffen und sexuell zu missbrauchen.

Besonders widersprüchlich ist dabei: Einerseits haben die erwähnten Sharenting-Eltern sowie die breite Masse der Sozial-Media-Nutzer kaum datenschutzrechtliche Bedenken beim Teilen von Bildmaterial wie Urlaubsfotos und missachtet dabei teils sogar die Persönlichkeitsrechte eigener oder fremder Kinder. Andererseits protestieren Datenschützer vehement gegen die EU-Pläne für KI-basierte Scans von Bildern durch Internetplattformen wie beispielsweise Meta (Facebook, WhatsApp, Instagram) zum Schutz der Kinder gegen sexualisierte Gewalt. Und das, obwohl der Konzern nach Erkenntnissen der Kommission allein für rund 95 Prozent der bisherigen Missbrauch-Meldungen verantwortlich war. Im vergangenen Jahr gingen allein bei Meta mehr als 27 Millionen entsprechende Hinweise ein.

Mit KI gegen Kinderpornographie im weltweiten Netz

Technologieunternehmen verwenden zwar bereits ein Klassifizierungssystem, das von einem Branchenverband namens Tech Coalition entwickelt wurde, um mutmaßliches Material über sexuellen Kindesmissbrauch nach dem offensichtlichen Alter des Opfers und der Art der dargestellten Handlungen zu kategorisieren. Dennoch nehmen Fotos von sexuell missbrauchten Kindern und Filme mit pornografischen Darstellungen zu. Im vergangenen Jahr wurden doppelt so viele gezählt, wie im Jahr zuvor.

EU-Innenkommissarin Ylva Johannsson war schockiert, als sie von den Ermittlern erfuhr, dass Europa weltweit zum Drehkreuz für den Handel mit Darstellungen sexualisierter Gewalt geworden ist. Die Schwedin empfindet es als einen Schandfleck, dass nirgends auf der Welt so viel Kinderpornografie verbreitet wird wie in der Europäischen Union, und dass die Darstellungen sexualisierter Gewalt immer extremer werden. Denn fast 90 Prozent aller Websites, die Content mit sexuellem Missbrauch von und sexualisierter Gewalt an Kindern beinhalten, liegen auf europäischen Servern.

Scannen von Kinderfotos auf Social Media

Deshalb fordert Johannsson ein EU-Gesetz zum Schutz vor Kindesmissbrauch im Internet. Der entsprechende Gesetzentwurf, gegen den Datenschützer Sturm laufen, sieht eine KI-basierte Scan-Pflicht von Chats, Bildern und Videos durch Internetportale vor, noch bevor dieses Material im Netz steht – und meist nicht mehr entfernt werden kann. Eine solch KI-basierte Chatkontrolle, die den Inhalt der Kommunikation weder versteht noch speichert, sondern lediglich Treffer zur weiteren menschlichen Analyse und Bewertung aussondert, würde zukünftig Möglichkeiten bieten, Kinderschutz grundrechtssensibel und effektiv zu gewährleisten.

Das Beispiel “Sharenting” zeigt den enormen “Interpretationsspielraum” von Persönlichkeits- und Datenschutz-Grundrechten auf, die nicht dem Ego beziehungsweise der Bedürfnisbefriedigung von Erwachsenen dienen sollten, sondern dem Schutz des vulnerablen Lebens der Kinder.