„Viele Menschen sind leider neidisch auf Weltreisende“
Janina Breitling war mehr als ein Jahr mit ihrem kleinen Sohn Max auf Weltreise und ist zum Zeitpunkt des Interviews in Kalifornien. Nach der Rückkehr hat die Beiden erneut das Fernweh gepackt. Wie das Abenteuer Fernreisen auch mit Baby und Kleinkind problemlos funktionieren kann und welche Reaktionen sie auf ihr erlebnisreiches Vorhaben erhielt, erzählt die Journalistin und Betreiberin des Blogs „Bärti muss mit“ hier.
Expat News: Die meisten allein-erziehenden Mütter von kleinen Kindern trauen sich maximal im Rahmen einer Pauschalreise inklusive Kinderbetreuung zu verreisen. Du hingegen hast mit deinem damals fünfjährigen Sohn Max mal eben eine Weltreise unternommen und bist derzeit wieder mit ihm unterwegs. Wie kamst du auf diese Idee, die anderen wahrscheinlich Angstschweiß auf die Stirn treiben würden?
Janina: Als Max vier Jahre alt war, bin ich mit ihm bereits zwei Monate in Südostasien unterwegs gewesen. Damals fiel mit auf, wie schnell die Zeit vergeht und wie groß er schon war und dass es gar nicht mehr so lange dauern würde, bis er in die Schule geht. Ich wollte ihm und uns ermöglichen, die Zeit vor dem geregelten Schulalltag noch einmal intensiv zu nutzen und gemeinsam die Welt zu bereisen. Zwei Monate in den USA oder in der Mongolei zuzubringen, würde mit der Schulpflicht natürlich nicht mehr funktionieren. Ich handelte also nach dem Motto „Jetzt oder nie“.
Ich selbst bin schon vor Max‘ Geburt viel gereist. Anstatt Geld für Partys auszugeben, habe ich lieber in einen Wochenendtrip nach Rom investiert. Als ich feststellte, dass ich schwanger bin, war ich auf dem Weg nach Indien. Mein Sohn war also buchstäblich von Anfang an ein kleiner Globetrotter. Mir war auch wichtig, dass er ein Reisekind werden würde.
Expat News: Wie hat denn dein Umfeld reagiert, als du deine erste Weltreise mit deinem Sohn antreten wolltest?
Janina: Insbesondere die elterliche Angst um uns war schon da. Sie wussten aber, dass ich nicht verantwortungslos bin und nicht kopflos an solche Vorhaben herangehe. Gewundert hat es aber weder meine Familie noch meine Freunde, dass ich mir und Max diesen Traum verwirklichen wollte.
Expat News: Was waren bislang die größten Herausforderungen bei deinen Reisen mit deinem Sohn?
Janina: Herausforderungen gibt es viele. Mag sein, dass ich aber von Anfang an sehr relaxt an das Ganze herangegangen bin. Und ich denke, dass ich gut vorbereitet war. Nach der Geburt von Max waren wir zusammen mit seinem Vater auf Curacao und auch in Asien. Da ich Max als Baby voll gestillt habe, mussten wir uns nicht einmal um Essen für ihn kümmern. Zudem war er durchgeimpft und wir haben natürlich Länder gemieden, wo es gefährliche Krankheiten gegeben hätte. Natürlich habe ich bei jeder Reise geschaut, dass ein Krankenhaus in der Nähe unseres Aufenthaltsortes ist und immer eine Reiseapotheke dabei gehabt.
Expat News: Wie schaffst du es zu arbeiten, wenn dein Sohn nicht in einen Kindergarten gehen kann?
Janina: Ich arbeite immer früh morgens, stehe spätestens um sechs Uhr auf, mache meine Podcasts und schreibe Texte für Kunden und für meinen Blog. Maxi war immer schon Langschläfer, also bleiben mir mindestens drei Stunden, um produktiv zu sein. Außerdem kann er sich mit seinen sechs Jahren inzwischen auch gut selbst beschäftigen, so dass ich beispielsweise auch tagsüber Skype-Gespräche mit Auftraggebern oder Interviewpartnern führen kann.
Als wir fünf Monate auf Bali waren, ging Maxi sogar in einen Kindergarten und in eine Surferschule. Da konnte ich die Zeit gut nutzen und hatte auch mal entspannte Phasen für mich allein.
Expat News: Wie ist es für Max, wenn er so viel unterwegs ist und nicht wie andere Kinder seines Alters in den Kindergarten geht, wo er jeden Tag die selben Abläufe hat?
Janina: Bevor wir das erste Mal auf die große Welttour gingen, hatte ich mit einem Kinderpsychologen in meinem Podcast ein Interview zu diesem Thema geführt. Er erläuterte, dass Kinder Struktur brauchen, diese aber ganz unterschiedlich aussehen kann. Und für Max ist die Struktur, dass er mit mir zusammen ist. Das ändert sich ja nicht. Zudem lernt er die mitunter schönsten Orte der Welt kennen und saugt so viele Eindrücke auf, die seine Persönlichkeit bilden. Er ist ein ausgesprochen fröhliches und aufgeschlossenes Kind. Egal wo wir sind, er lernt immer schnell andere Kinder kennen und knüpft schnell Freundschaften.
Expat News: Beim Stichwort Weltreise stellt sich vielen Menschen sofort die Frage nach der Finanzierung. Wie schaffst du es, eure Trips zu finanzieren und für euren Unterhalt zu sorgen?
Janina: Zu einer guten Vorbereitung eines solchen Vorhabens gehört natürlich auch die finanzielle Kalkulation. Wir leben nicht besonders anspruchsvoll, eher Low-Budget. Insofern wusste ich schon mal, was wir zum Überleben benötigen. Außerdem kennt man in der Regel auch die Preise für Flüge. Ohne den Transport kommen Max und ich mit rund 1.000 Euro im Monat sehr gut klar. Bevor es losging, war ich als Journalistin tätig. Also habe ich berechnet, was ich als freischaffende Autorin pro Artikel bezahlt bekomme und wie viele ich unterwegs produzieren könnte. Darüber hinaus habe ich auch noch Ersparnisse, von denen ich einen Teil unserer Reisen finanzieren kann.
„Ich habe viel Zuspruch erfahren“
Expat News: Die meisten Menschen sind sicherlich total begeistert von deiner Mami-Kind-Bärti-Tour. Sogar bei Markus Lanz in dessen gleichnamiger Talkshow konntest du zwei Millionen Menschen von deiner tollen Reise berichten. Gibt es auch Menschen, die Verständnislosigkeit an den Tag legen und dies artikulieren?
Janina: Leider ja. Vor etwa einem halben Jahr habe ich für Spiegel Online ein Interview gegeben und war entsetzt über die vielen Hass-Kommentare, die unter dem Beitrag auftauchten. Da waren so viele Boshaftigkeiten und so fiese Unterstellungen. Dass ich wohl im Geld schwimmen müsse, war da noch eine harmlose Bemerkung. Auch von Verletzung der Aufsichtspflicht und Verantwortungslosigkeit ist die Rede. Ich glaube, dass viele Menschen per se einfach sehr neidisch darauf sind, was wir erleben und selbst nicht den Mut haben, einen solchen Schritt zu gehen. Aber es ist anmaßend, sich ein solch hartes Urteil über unsere Lebensweise zu erlauben, ohne uns überhaupt genauer zu kennen oder über die Hintergründe Bescheid zu wissen.
Danach war ich in der Talkshow von Markus Lanz, wo ich viel Zuspruch für unsere Weltreise erfahren habe. Das tat gut.
Expat News: Was waren die bisher prägendsten Erlebnisse für deinen Sohn und dich im positiven Sinne?
Janina:Am schönsten war die Erkenntnis, wie lieb und hilfsbereit die Menschen auf der Welt sind, vor allem, wenn man mit Kind unterwegs ist. Und manchmal verhilft einem ein eigentlich negativer Umstand zu besonders eindrucksvollen Erlebnissen.
Bei der letzten Weltreise wollten wir nämlich ursprünglich von Französisch-Polynesien nach Hawaii und dann nach Kalifornien weiterreisen. Dann stellte ich fest, dass man online aber mit einem Kinderreisepass kein Visum für die USA bekommt. Wir saßen also in Neuseeland fest und haben auf die Weltkarte geschaut. Wir beschlossen dann in die Mongolei zu reisen, weil mich die Vorstellung reizte, in einem nicht ganz so touristischen Gebiet unterwegs zu sein. Glücklicherweise hatten wir die Gelegenheit, ein paar Tage mit den Tsaaten in der Steppe zu verbringen. Das sind Nomaden, die als Rentierzüchter in Zelten leben – eine völlig andere Welt. Eines der Kinder und Maxi haben sich sofort angefreundet. Maxi hat gelernt, auf einem Rentier zu reiten, die Kinder waren teilweise stundenlang weg. Die Gastfreundlichkeit der Leute war fantastisch. Wir haben auf dem Boden eines Zelts geschlafen, was nicht besonders komfortabel, aber aufregend war. Maxi erzählt noch immer viel von den Rentieren und wie toll es dort war.
Die Reise in die USA holen wir gerade jetzt nach und auch hier haben wir schon viele tolle Erlebnisse gehabt.
„Mein Sohn hat durch das Reisen eine enorme Offenheit erlernt“
Expat News: Du hast das große Bedürfnis, deinem Sohn frühzeitig die Welt zu zeigen. Hast du jetzt schon das Gefühl, dass er sich anders entwickelt hat als Altersgenossen, die nicht so häufig auf Reisen waren?
Janina: Ich möchte Max vermitteln, dass es nicht so viel Böses auf der Welt gibt, wie es den Anschein hat. Menschen sind vor allem gut und es lohnt sich immer, positiv auf jemanden zuzugehen. Mir ist es wichtig, dass er merkt, dass wir alle gleich sind – egal, wie viel Spielzeug man hat, welche Hautfarbe oder wo man lebt.
Ich habe schon den Eindruck, dass mein Sohn eine extreme Offenheit an den Tag legt und die Fähigkeit besitzt, schnell Freundschaften zu schließen.
Expat News: Was hast du für dich durch das Reisen mitgenommen? Hat es deine Identität in irgendeiner Weise verändert?
Janina: Es klingt vielleicht simpel, aber es ist wirklich schön, zu sehen, dass wir alle gleich sind.
Mich zeichnet aus, dass ich sehr offen bin und immer das Positive aus Situationen rausziehe, egal wie unkomfortabel es auch sein mag. Allerdings denke ich, dass ich schon immer so war und das Reisen diese Seite an mir, diesen Teil meines Selbst, vor allem verstärkt. Was Luxus und Bequemlichkeit angeht, bin ich von Grund auf ein Mensch, der nicht viel zum Leben braucht. Diesbezüglich sind meine Ansprüche nicht sonderlich hoch. Das Nomadenleben mag nichts für Menschen sein, denen Beständigkeit und ein gewisser Komfort wichtig ist.
Die Leute denken oft, ich sei Brasilianerin und finden, dass ich so gar nicht das typisch Deutsche an mir habe. Ich sprühe vor Energie und habe viel Feuer in mir. Das sind Attribute, die nicht unbedingt den Deutschen, sondern eher Südländern zugeschrieben werden.
Expat News: Hast du ein paar essentielle Tipps, die du alleinerziehenden Elternteilen mit auf den Weg geben kannst, die Ähnliches planen, was du bereits getan hast?
Janina: Für Mütter an sich ist wichtig, dass man sich auch auf Reisen selber nicht vergisst und auf sich hört, also das tut, was man für sein Wohlbefinden braucht. Trotz oder gerade mit Kind sollte man sich selbst nicht aufgeben. Denn eine glückliche Mutter hat in der Regel auch ein glückliches Kind.
Wenn man den Wunsch nach einem solchen Abenteuertrip verspürt, sollte man in sich reinhören, ob man sich das zu traut und es dann einfach ausprobieren. Es ist ja keine ultimative Entscheidung, denn man kann ja jederzeit nach Hause zurück.
Unterwegs ist es wichtig, sich und seinem Kind mal eine Auszeit zu gönnen, also ein paar entspannte, faule Tage einzuplanen sowie länger an einem Ort zu verweilen. Mir hilft es außerdem, täglich Kontakt nach Hause zu pflegen mit den besten Freundinnen und meiner Familie. So bricht die Verbindung nicht ab und die Rückkehr fällt leichter. Max skypt natürlich regelmäßig mit seinem Vater.
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Über den Blog „Bärti muss mit“
Bärti muss mit ist in Deutschland einer der bekanntesten Blogs, wenn es um das Thema Abenteuer (Welt-) Reisen mit Kind geht. Zusammen mit ihrem Sohn Max reist Autorin und Bloggerin Janina Breitling so oft es geht – und das von Anfang an. Seit Juli 2016 sogar dauerhaft: Einmal um die ganze Welt!
Ihre Erfahrungen sollen nicht nur Lust auf Reisen, Abenteuer und einzigartige Erlebnisse machen, sondern vor allem Eines mitgeben: Mut. Für zwei!
Ziemlich haarig, teilweise schon ganz schön abgenutzt, aber immerhin von Anfang an in Max’ Leben mit dabei: Kuscheltier Bärti, der pünktlich zur Geburt bei der Kleinfamilie eingezogen ist. Eine Weltreise zu zweit? Undenkbar. Bärti muss mit!
Neben dem Medium Blog veröffentlicht die alleinerziehende Mutter einmal die Woche einen Podcast bei iTunes. Dort spricht sie unter anderem über ihre eigenen Erfahrungen auf Reisen mit Kind und tauscht sich zusätzlich mit Interviewpartnern zu den entsprechenden Themengebieten aus – kürzlich auch mit dem BDAE.
Bilder: Privatbestand Janina Breitling
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