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Ricarda Schönborn auf Zypern
© Ricarda Schönborn

„Auswandern heißt nicht, dass man keine Probleme mehr hat.“

Ricarda Schönborn lebt seit vielen Jahren im Ausland und hat auf Zypern ihre neue Wahlheimat gefunden. Im Interview erzählt sie, was sie fernab von Deutschland über unterschiedliche Mentalitäten gelernt hat, warum sich viele Auswandernde nur ungern mit ihrer Gesundheitsabsicherung auseinandersetzen und welchen Stellenwert Gesundheit insbesondere für sie selbst hat.

Expat News: Sie leben und arbeiten seit 2018 auf Zypern. Zuvor verbrachten Sie drei Jahre auf Bali. Warum haben Sie sich für Zypern statt Bali als dauerhaften Aufenthaltsort entschieden?

Ricarda: Ich hatte mich wirklich in Bali verliebt. Allerdings war für meine Arbeit, die Zeitverschiebung von sechs beziehungsweise sieben Stunden im Winter zu Europa sehr schwierig, denn etwa zwei Drittel meiner Mandanten leben in Europa oder waren zumindest vor ihrer Auswanderung noch in Europa und dort vorwiegend in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Ich hätte sonst spät abends oder nachts arbeiten müssen. Da ich immer mit dem Sonnenaufgang um 5 Uhr aufstehe, um mein Yoga, Pranayama und Meditation zu praktizieren, war das für mich dauerhaft nicht realisierbar. Deshalb habe ich mir viele Länder angeschaut und bin dann letzten Endes auf Zypern gekommen, auch weil eine langjährige Freundin seit 15 Jahren in Limassol lebt und wo ich dann die ersten Monate wohnte, um mir alles in Ruhe anzusehen.

Ricarda auf Zypern

Auf Zypern hat die Auswanderin ihr Glück gefunden; © Ricarda Schönborn

Zudem wollte ich eigentlich überhaupt keine Krankenversicherungen mehr vermitteln, sondern in Zypern dann ein neues, ganz anderes Online-Business aufbauen und meine Kundenbestände verkaufen. Bis dato hatte ich nur noch meinen bestehenden deutschen Kundenstamm betreut und vermittelte nur noch hin und wieder internationale Krankenversicherungen, wenn Interessenten auf mich zukamen. Aber manchmal kommt es anders als man denkt.

Vor 5 Jahren waren noch nicht so viele deutschsprachige Auswanderer auf Zypern, insbesondere nicht in der Paphos Region. Einige junge Start Ups waren eher in Larnaca lokalisiert. Der Hype ging da gerade erst los. Trotzdem zog es mich direkt nach Paphos wegen der wunderschönen Natur hier.

Expat News: Warum ist Zypern insbesondere bei Gründerinnen und Gründern so beliebt geworden?

Ricarda: Insbesondere für Unternehmen, die als Limited firmieren, bietet das Land attraktive steuerliche Konditionen. Außerdem offeriert der Staat Nicht-Europäischen Bürgern einen EU-Pass, wenn diese eine Immobilie kaufen. Für chinesische Staatsbürger wurde dies meines Wissens jedoch kürzlich aufgehoben. Aber Maßnahmen wie diese haben viele ausländische Investoren angelockt.

Einer meiner Mandanten und Gründer der Barfußschuh-Marke feelgrounds, der ebenfalls zur selben Zeit mit seiner Freundin nach Zypern ausgewandert war, organisierte dann 2018 den ersten deutschsprachigen Unternehmerstammtisch in Larnaca. Beim ersten Treffen waren wir um die fünf bis acht Leute. Mittlerweile kommen jeden Monat circa 30-40 neue Auswanderer dorthin und es gibt einen solchen nun auch in Paphos und Polis.

In den Gesprächen baten mich nun regelmäßig die „Neuen“ um Unterstützung beim Thema internationale Krankenversicherung, und da ich nicht „nein“ sagen kann und die Menschen vor gefährlichen Risiken bewahren möchte, beriet und vermittelte ich – damals noch sporadisch – internationale Krankenversicherungen (ähnlich wie auf Bali). Dann kam durch die Empfehlung meines Mandanten mit dem Barfußschuh-Unternehmen der Senior Direktor der größten Steuer- und Rechtsanwaltskanzleien von Zypern (Privacy Management Group) auf mich zu, weil er sich ebenfalls von mir beraten lassen wollte. Ihm gefiel meine Art der Beratung und die Unabhängigkeit so gut, dass er mir dann Mitte 2018 eine Kooperation anbot. Das ehrte mich sehr, aber ich wollte doch eigentlich was ganz anderes machen.

Erst Ende 2018 beschloss ich endgültig die Kooperation anzunehmen, denn die PMG begleitet jeden Monat etwa 140 Neugründungen von Unternehmern aus der DACH-Region, und die Menschen benötigen natürlich auch eine internationale Krankenversicherung. Nun hatte ich auch eingesehen, dass ich meine Arbeit weitermache und mein Tiefenwissen aus mittlerweile 18 Jahren zum Wohle unserer Mandanten einsetze. Denn es gibt im Internet viel Halb-Wissen und Halb-Wahrheiten von selbsternannten Experten.

Die Auswanderin schätzt auf Zypern das milde Klima.; © Ricarda Schönborn

So war ich schon lange vor dem ganzen Boom in Auswanderer Gruppen aktiv, habe dort Fragen beantwortet und Informationen weitergegeben. Viele meiner Tipps haben andere von mir übernommen. So kann ein Laie oft nicht unterscheiden, ob es sich um einen Experten handelt oder ob jemand nur gutes Affiliate-Marketing betreibt. Mein Unternehmen besteht aus einem kleinen, aber feinen Experten-Team. Unsere Mandanten schätzen insbesondere auch die dauerhafte Unterstützung nach dem Vertragsabschluss.

„Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, eine gute Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen zu können.“

Expat News: Was zum Beispiel?

Ricarda: Viele wissen einfach nicht um die Feinheiten und das Kleingedruckte in den Versicherungsbedingungen. Es gibt beispielsweise Leistungsdeckelungen, bei denen nur bis zu einer gewissen Schadenhöhe gezahlt wird. Und insbesondere bei angelsächsischen Versicherern findet sich oft eine Kündigungsoption seitens des Versicherers, wenn Versicherte schwer erkranken. Die meisten Laien können gar nicht verstehen, was für Folgen solche scheinbaren Kleinigkeiten bedeuten. Und auch die Begrifflichkeiten „Heilmittel“ und „Hilfsmittel“ beispielsweise sind vielen nicht geläufig.

Ich glaube, dass dies auch meine Beratungstätigkeit ausmacht, dass ich wirklich ganz genau erläutere, was in einer internationalen Krankenversicherung steckt und was eben nicht. Mir ist es wirklich wichtig – und das kommt wirklich von Herzen – dass die Menschen, die sich von mir beraten lassen, den passenden Krankenversicherungsschutz bekommen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, eine gute Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen zu können und die entsprechende soziale Absicherung dahinter zu haben.

Zu meiner Entscheidung dann auch auf Zypern mit dem Versicherungsgeschäft weiter zu machen, kam dann noch, dass mich meine zufriedenen Mandanten in den vielen Auswandererforen und -gruppen weiterempfahlen und somit war ich regelmäßig für ein bis zwei Monate ausgebucht. 2019 kam dann auch Sergio – einer der Gründer von Global Citizen Explorer und GoodbyeMatrix – auf mich zu, und wir machten das erste Live-Webinar. Seitdem hat sich unsere Kooperation soweit entwickelt, dass wir mittlerweile bei vielen internationalen Krankenversicherern spezielle Sonderkonditionen für Goodbye-Matrix-Kunden anbieten können, die es so nirgends am Markt gibt.

Expat News: Neuanfänge sind immer herausfordernd, fürs Ausland gilt das umso mehr. Wie haben Sie sich damals auf Bali und später auf Zypern eingelebt? Wie schafft man es, soziale Netzwerke aufzubauen – insbesondere auch mit Einheimischen?

Ricarda: Auf Bali war es ziemlich einfach, mit Locals in Kontakt zu kommen. Dort arbeitete ich aktiv bei einer der größten Umweltschutzorganisationen „Trash-Heroes“ mit. Diese Organisation wurde von den Locals und Menschen organisiert, die dort fest lebten. Zudem sind die Balinesen grundsätzlich etwas offener und herzlicher zu Fremden. Und ich lernte dann auch Bahasa Indonesia, also Indonesisch und Balinesisch.

Auf Zypern ist die Mentalität im Vergleich etwas anders, aber grundsätzlich bin ich ein offener und positiver Mensch, und so komme ich eigentlich immer schnell mit Menschen in Kontakt, auch mit Einheimischen. Zudem gehe ich grundsätzlich lieber an Orte, also Strände, Tavernen, Supermärkte und so weiter, wo auch Locals hingehen. Und wenn man den Menschen respektvoll und freundlich gegenübertritt, kommt man einfacher in Kontakt. Leider ist die griechische Sprache sehr schwierig und wenn man keine Zeit hat wegen der vielen Arbeit, ist es nicht so einfach zu lernen. Durch zypriotische und griechische Freunde habe ich aber schon ein bisschen mehr gelernt als üblich. Dennoch möchte ich noch einen Griechisch-Kurs machen, wenn mein Job dies zulässt.

 „Man sollte sich von einigen gewohnten und selbstverständli­chen Dingen verab­schie­­den, wenn man in ein anderes Land geht.“

Expat News: Was haben Sie im Ausland über die deutsche Mentalität gelernt? Warum wollen Sie voraussichtlich nicht mehr in Ihr Heimatland zurückkehren?

Ricarda: Eine sehr gute Frage! Zuerst habe ich gelernt, dass – egal, aus welchem Land – es überall solche und solche Menschen gibt. Ich möchte nicht das Wort positive und negative Menschen verwenden. Jeder Mensch ist individuell und hat durch seine Erfahrungen und Weltanschauung Muster übernommen, die er für seine Wahrheit oder für richtig oder falsch hält, was auch in Ordnung so ist.

Diese kleine Schildkröte hätte es in der Mittagssonne nicht allein ins Meer geschafft – Lara Beach, Zypern; © Ricarda Schönborn

Zudem ist mir aufgefallen – nicht auf Deutsche begrenzt – dass Menschen, die viel reisen oder im Ausland leben, sind flexibler, haben ein offeneres Mindset und eine größere Lebenserfahrung. Insbesondere bei jungen Menschen fällt dies auf. Ich kann mich noch erinnern, als ich im indonesischen Sumatra an einem Regenwaldschutzprojekt freiwillig mitgearbeitet hatte. Dort war ein 19-jähriger Deutscher und ich war positiv überrascht, wie „erwachsen“ er bereits war durch seine vielen Reisen.

Ich halte es aber für wichtig, dass man sich von einigen gewohnten und selbstverständlichen Dingen verabschieden sollte, wenn man in ein anderes Land geht. Jedes Land hat andere Kulturen und vielleicht nicht immer die Infrastruktur oder deutsche Pünktlichkeit und so weiter, wie wir dies aus Deutschland gewohnt sind. Dafür findet man aber viele schöne Dinge, die wir in Deutschland nicht haben. Man sollte sein Land genau wählen und die Vor- und Nachteile für sich persönlich abwägen. Es gibt keine „EierlegendeWollMilchSau, die fliegen kann“ – genauso wie bei einer Versicherung.

Ich fühle mich hier auf Zypern so wohl, dass ich fünf Jahre hier bin und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Vielleicht ändern sich aber auch irgendwann mal meine Prioritäten und ich werde in ein anderes Land gehen. Darüber mache ich mir heute noch keine Gedanken. Dass ich wieder nach Deutschland zurückgehe, ist eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. Das Wetter und das Meer hier auf Zypern sind für mich mitunter die wichtigsten Punkte, denn das ist für mich Luxus und ich bin jeden Tag dankbar dafür. Aber natürlich heißt Auswandern nicht, dass man keine Probleme mehr hat. Vielleicht hat man sogar mehr, aber zumindest neue Herausforderungen, wenn man seine Komfortzone im Heimatland verlässt.

„Menschen, die viel reisen oder im Ausland leben, sind flexibler, haben ein offeneres Mindset und eine größere Lebenserfahrung.“

Expat News: Inwiefern?

Ricarda: Man hat unter Umständen zumindest neue Probleme. Vielen fällt es schwer, sich an neue Kulturen und damit verbundenen Mentalitäten zu gewöhnen. Ich hatte auch so meine Schwierigkeiten hier auf Zypern. Ein Beispiel: Die Zyprioten wissen, dass einem Autokauf immer auch ein Werkstatt-Check vorausgehen sollte. Dennoch kaufte ich meinen BMW, ohne ihn vorher einmal prüfen zu lassen, und zwei Tage nach dem Kauf hatte ich einen teuren Schaden. Die Zyprioten sagen selbst von sich, dass man niemals einem Zyprioten trauen sollte. Wir Deutschen gelten hier, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt, als naiv oder zumindest gutgläubig. Weil in Deutschland alles stark reguliert und genormt ist, sind wir es gewohnt, Händlern und auch Institutionen weitgehend zu vertrauen. Das ist aber nicht überall die Norm und so kommt es, dass man – so wie auch ich – andernorts viel Lehrgeld zahlen muss.

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass es doch mindestens zwei bis drei Jahre dauert, ehe man ein neues Land wirklich in seinen wichtigen Facetten kennenlernt. Im ersten Jahr sind die meisten Menschen noch sehr euphorisch und blenden die Kehrseite der Medaille aus. Doch irgendwann kehrt der Alltag ein und die Erkenntnis, dass auch im schönsten Paradies nicht alles passt.

Expat News: Wie würden Sie die Mentalität/Einstellung der Menschen auf Zypern beschreiben – auch vor dem Hintergrund, dass das Land geteilt ist?

Ricarda: Grundsätzlich finde ich die Mentalität der Zyprioten sehr offen und freundlich. Das liegt sicherlich daran, dass schon immer Menschen verschiedener Nationen auf der Insel lebten und dies für die Einheimischen ein Normalzustand ist. So leben hier seit Jahrzehnten viele Engländer, Russen, Griechen, Chinesen, Araber und nun auch immer mehr Menschen aus der DACH-Region. So begegnen die Zyprioten jedem völlig unvoreingenommen, wenn man ihnen freundlich und respektvoll gegenübertritt.

Ricarda auf Zypern

Lara Beach im Akamas, Zypern; © Ricarda Schönborn

Zudem habe ich auf meinen Reisen bemerkt, dass Menschen, die viel Sonne und das Meer vor der Türe haben, natürlicherweise sehr viel positiver und „lockerer“ sind als jene, bei denen dies nicht der Fall ist.

Was mir aber nach fünf Jahren aufgefallen ist – hier leben ja auch viele Griechen, und man könnte denken, sie haben dieselbe Sprache und Mentalität wie die Zyprioten. Dem ist aber nicht so. Zum einen unterscheidet sich die Sprache etwas – ähnlich wie bei Norddeutschland und Bayern. Und aufgrund der Historie haben beide sehr unterschiedliche Mentalitäten und Grundwerte. Die Zyprioten haben sehr gelitten unter den vielen Kriegen und Kämpfen, weil viele Länder Zypern einnehmen wollten. Nicht nur die Türkei, sondern auch England, früher die Römer und so weiter. Zypern ist eben auch geopolitisch eine sehr interessante Insel. Es gibt sogar heute noch Territorien, welche offizielle britische Besatzungszone sind. Und dass der Norden von den Türken besetzt ist, wissen ja die meisten. So ist Nicosia – die Hauptstadt von Zypern – die letzte geteilte Stadt weltweit, nachdem Berlin mit dem Mauerfall vereint wurde. Wenn man in Nicosia zu Fuß in den anderen Teil der Stadt möchte, erinnert mich das immer ein bisschen an Checkpoint Charlie in Berlin.

„Die Zyprioten begegnen jedem völlig unvoreingenommen, wenn man ihnen freundlich und respektvoll gegenübertritt.“

Expat News: Apropos geteiltes Land: Sie haben Ihre Kindheit und Jugend in der ehemaligen DDR verbracht und waren somit auch von der Wendeerfahrung betroffen. Inwieweit hat Ihnen diese Erfahrung auf Ihrem Weg – insbesondere ins Ausland – geholfen?

Ricarda: Ich bin direkt an der ehemaligen Grenze im heutigen Sachsen-Anhalt aufgewachsen. Ich konnte quasi mit bloßem Auge den Menschen in der BRD beim Baden im Schwimmbad zusehen. Somit habe ich schon in früher Kindheit mitbekommen, dass es noch ein „dort drüben“ gab. Aber politisch gesehen war das ja dort alles böse und schlecht. In der Werbung sah das natürlich anders aus, denn durch die Nähe konnten – nicht durften – wir West-Fernsehen empfangen. Immer wenn es an der Haustür klingelte, wurde sofort auf ein DDR-Programm umgeschaltet, denn es könnte ja ein Spitzel sein. Durch die Selbstständigkeit meines Vaters bekamen wir zudem auch die unschönen Dinge im Osten mit. Denn es wurde immer lieber gesehen, wenn man in einem staatlichen VEB Betrieb arbeitet und jeder dem „Kollektiv“ gleichgestellt ist.

Zeremonie zu Galungan in Bali, Ubud; © Ricarda Schönborn

Trotzdem hatte ich eine schöne Kindheit und Jugend. Kurz vor der Grenzöffnung nahm ich an den Montagsdemonstrationen „Wir sind das Volk“ teil. Dies zeigt mir rückblickend, dass die Menschen in der ehemaligen DDR irgendwann die Nase voll hatten und auch den Mut hatten aufzustehen. Diesen Mut vermisse ich heute ein bisschen bei den Deutschen – die ehemaligen Ossis eingeschlossen. Wobei ich denke, dass es viel mit dem Einfluss der Medien zu tun hat. Der starke Fokus auf negative Berichterstattung mag auch lähmend wirken und passiv machen.

Leider habe ich den Mauerfall und die direkte Wende nicht mitbekommen, da ich durch einen schweren Autounfall als Beifahrerin für drei Monate im Koma lag. Als ich wieder „wach“ war, waren die Grenzen offen und ich brauchte tatsächlich rund ein Jahr, um dies alles zu verarbeiten. Der Film „Good Bye, Lenin“ verdeutlicht ganz gut, wie es mir ergangen war.

Aber auch dies war eine Erfahrung, wo mir bewusst wurde, wie wichtig eine gute Krankenversorgung ist. Denn durch die Wende zerfiel das alte Sozialversicherungssystem in der ehemaligen DDR und wurde der westdeutschen AOK übertragen. Aus diesem Grund waren viele organisatorische Dinge in der Leistungsabrechnung im Zusammenhang mit meinem Unfall unklar, und ich erhielt lediglich eine Grundversorgung und keine Reha. Dadurch wurde mir klar, niemand kann mir helfen, ich kann dies nur selbst tun.

Und wahrscheinlich habe ich genau deshalb später meine medizinischen Ausbildungen gemacht. Ich besorgte mir viel Literatur zu Naturheilverfahren und fernöstlicher Medizin, was vor dem öffentlich zugänglichen Internet, wie wir es heute kennen, sehr schwer war. Doch ich biss mich buchstäblich durch, und wahrscheinlich half mir mein innerer Drang, mich ausgiebig mit Dingen zu beschäftigen, die mich interessieren.

„Leider habe ich den Mauerfall und die direkte Wende nicht mitbekommen, da ich durch einen schweren Autounfall als Beifahrerin für drei Monate im Koma lag.“

Expat News: Sie beraten seit vielen Jahren Personen, die im Ausland leben wollen, in Fragen des internationalen Krankenversicherungsschutzes und zu Gesundheitssystemen. Wie sind Sie zu diesem Spezialgebiet gekommen?

Ricarda: 2005 habe ich meine Ausbildung zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen bei der IHK abgelegt. Eigentlich bin ich eher durch Zufall in diese Branche gekommen. Nach über 15 Jahren in der Automobilbranche – ich arbeitete unter anderem für die Marken Jaguar und Mercedes Benz – hatte ich nebenberuflich ein Heilpraktiker-Studium begonnen, weil mich das Thema Gesundheit und alternative Medizin schon immer interessierte. Als die Gelegenheit da war, habe ich bei Mercedes Benz gekündigt und das Studium in Vollzeit in zwei Jahren absolviert. Mehr als Nebenjob hatte ich für eine Versicherung im Callcenter Kunden akquiriert. Damals noch ganz unvoreingenommen bei diesem Thema, hatte ich durch meine freundliche und offene Art guten Erfolg und so bot man mir an, voll einzusteigen. Da mir der Umgang mit Menschen sehr viel Spaß machte, nahm ich das Angebot an. Relativ schnell erkannte ich dann, dass ich nur für eine Gesellschaft die Produkte verkaufen muss. Ich wollte aber die Kunden in ihrem Sinne beraten und das Beste für sie und nicht für den Produktgeber.

Zeremonien mit balinesischen Freunden vor Nyepi (hinduistisches Neujahr) in Bali; © Ricarda Schönborn

So wechselte ich dann zu einem allgemeinen Finanzdienstleister und später zu einem Finanzdienstleister für Krankenversicherungen, aber auch dort musste ich nach einem Jahr feststellen, dass ich ebenfalls in erster Linie verkaufen muss und nicht im Interesse der Kunden beraten darf. So begann ich dann in 2009 eine Zusammenarbeit mit einem echten Makler, der ausschließlich auf Krankenversicherungen spezialisiert war. Nun durfte ich wirklich beraten, und zudem half mir mein medizinisches Wissen – Anatomie, Pathologie, Physiologie – welches ich für Risiko-Voreinschätzungen mit einbringen konnte. Seit 2008 bin ich nun ausschließlich auf Krankenversicherungen spezialisiert, denn diese sind meiner Meinung nach eine der wichtigsten Versicherungen überhaupt und in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch eine Pflichtversicherung.

„Die meisten Menschen kennen nicht den Unterschied zwischen Unfallversicherung und Krankenversicherung.“

Natürlich gibt es bei internationalen Krankenversicherungen viele weitere Dinge und Risiken. Es gibt hier keine gesetzliche Regulierung zu beachten, aber durch meine vielen Spezialausbildungen in Deutschland weiß ich diese einzuschätzen und aus den AVBs herauszulesen. Es gibt meines Wissens nicht viele, die dies können, insbesondere im internationalen Bereich. Deshalb lege ich einen großen Fokus auf das „Kleingedruckte“, denn mir sind langjährige und zufriedene Mandanten das Wichtigste.

Expat News: Das Thema Absicherung hat für viele bei der Planung ihres Abenteuers im Ausland keine hohe Priorität. Wie gelingt es Ihnen, die Personen, die Sie beraten, davon zu überzeugen, dass ein guter Auslandskrankenschutz essenziell ist?

Ricarda: Weil meine Kunden ausschließlich über Empfehlungen auf mich zukommen, muss ich niemanden überzeugen. Es war auch noch nie meine Art, über das Mittel der Angst zu verkaufen, wie es in der Branche oft üblich ist. Die richtigen Kunden finden zu uns, und dann darf ich beraten. Dies macht mir mittlerweile wieder sehr viel Spaß, da insbesondere die Auswanderer immer eine interessante Geschichte zu erzählen haben. So haben mein Team und ich nicht nur eine persönliche, sondern oftmals auch eine freundschaftliche Beziehung zu unseren Mandanten.

auf Zypern
Baracas Beach Bar Paphos, Zypern; © Ricarda Schönborn

Interessant ist noch, dass oftmals Kunden auf uns zukommen und „nur eine Unfallversicherung“ möchten. Die meisten Menschen kennen nämlich nicht den Unterschied zwischen Unfallversicherung und Krankenversicherung. Wenn ich ihnen dies kompetent erläutere, verstehen sie plötzlich die Notwendigkeit einer guten internationalen oder Auslands-Krankenversicherung. Denn eigentlich meinten sie, sie wollten die schweren Krankheiten und hohen Risiken durch schwere Unfälle abdecken.

Expat News: Warum befassen sich die Leute Ihrer Erfahrung nach so wenig und ungern mit der existenziellen Frage ihrer Gesundheitsabsicherung?

Ricarda: Ich denke, dies hat verschiedene Gründe. Erstens möchte jeder am liebsten nur die schönen Seiten des Lebens leben. Dazu gehören in erster Linie Gesundheit und finanzielle Freiheit. Deshalb denken die meisten lieber darüber nach, wie sie zu viel Geld kommen und arbeiten daran. Vielen ist nicht bewusst, dass gerade eine schwere Krankheit oder ein Unfall genau diese finanzielle Freiheit wieder kaputt machen kann. Hier reden wir ja nicht über ein paar hundert Euro, sondern um fünf- bis sechsstellige Beträge. Zudem weiß jeder, der schon einmal sehr krank war oder einen schweren Unfall hatte, dass man dann nur noch Eins möchte: eine gute medizinische Versorgung. Alles andere ist dann nebensächlich.

„Wer gesund ist, hat viele Wünsche, wer krank ist, hat nur einen“.

Ich kann leider aus eigener Erfahrung ein Lied davon singen, und ich habe Mandanten begleitet, wenn es darum ging, ob sie ihren Arm behalten oder dieser amputiert wird. Hier denke ich insbesondere an das Thema Zwei-Klassen-Medizin. Denn wie sagt man so schön: „Wer gesund ist, hat viele Wünsche, wer krank ist, hat nur einen“.

Ein weiterer Grund für die mangelnde Beschäftigung mit der Gesundheitsabsicherung ist der Umstand, dass die meisten Menschen sich nicht der finanziellen Risiken bewusst sind und fast jeder denkt, „mich wird es schon nicht treffen“. Dies hat aber nichts mit Intelligenz zu tun und soll auch kein Vorwurf sein. Wir alle haben schon mehr oder weniger den Kopf in den Sand gesteckt, wenn es um Themen ging, die wir nicht mögen. Dies liegt meiner Meinung nach in der Natur der Menschen.

Expat News: Sie engagieren sich für den Umweltschutz, haben auf Bali ehrenamtlich für die Organisation „Trash Heroes“ gearbeitet. Welche Bedeutung hat Umweltschutz bei den Menschen auf Zypern?

Ricarda: Leider ist der Mehrheit der Zyprioten die Relevanz des Umweltschutzes noch nicht sehr bewusst. Da wird lieber das Obst und Gemüse im Supermarkt gekauft, obwohl hier die schönsten Früchte am Baum an der Straße hängen. Und leider fliegt auch schon mal Müll aus den fahrenden Autos. Aber ich denke, dies ist in den meisten Ländern der Welt so.

Ein Beispiel: Es wird weltweit Obst und Gemüse in Plastikverpackungen verkauft, wo vorher die beste Verpackung, nämlich die Schale selbst, entfernt wurde. Aber es ist bequemer, denn viele Menschen haben wenig Zeit. Wir alle könnten mitbestimmen, indem wir solche Dinge gar nicht kaufen, denn wo keine Nachfrage, da kein Angebot.

 


Einer der wöchentlichen Clean-Ups auf Bali; © Ricarda Schönborn

Man kann aber schon sehen, dass sich immer mehr Menschen in lokalen Umweltschutzprojekten organisieren. So gibt es schon kleinere lokale Organisationen, die Bäume anpflanzen oder Beach-Clean-Ups durchführen, an denen ich auch schon oft teilgenommen habe. Zypern hatte nämlich einmal vor hunderten von Jahren einen riesigen Bestand an Zedern, wie ich in Geschichtsbüchern über die Insel gelesen habe. Heute findet man diese nur noch im Paphos Forest.

Ich finde Umweltschutz sollte schon in der Schule den Kindern gelehrt werden, denn im Hamsterrad des Alltags macht sich kaum noch jemand Gedanken um unseren wunderschönen Planeten Erde. Mit den „Trash Heroes“ haben wir auf Bali auch mit den Schulen zusammengearbeitet und haben versucht, den Kindern das Thema spielerisch zu erklären. Und es hat immer so viel Spaß gemacht.

Über Ricarda Schönborn: unabhängige Krankenversi­cherungs-Beraterin

Seit 2005 ist Ricarda Schönborn auf nationale und internationale Krankenversicherungen spezialisiert. Sie arbeitet als unabhängige Versicherungsmaklerin mit allen relevanten und hochwertigen Gesellschaften zusammen – darunter auch der BDAE. So kann sie mit ihrem Team weit über 400 verschiedene Krankenversicherungs-Tarife anbieten.