Skip to main content
Ad
Wahl in den USA
© Markus Spiske - Unsplash

USA schon länger kein beliebtes Land bei Expatriates

Die US-Präsidentschaftswahl hält die Welt in Atem und egal, wer gewinnt, das Land wird sicher noch lange Zeit gespalten bleiben. Auch für Expats, die derzeit in den USA leben, bedeutet dies eine Belastungsprobe sondergleichen. Für potenzielle deutsche Expats, die bald in die USA ziehen, befeuert es nicht gerade die Vorfreude auf ein Leben im Land, das einmal berühmt dafür war, Auswanderer aus der ganzen Welt anzuziehen. Vor allem, wenn die Familie Mitarbeiter ins Ausland begleiten soll, steigt bei den Betroffenen die Sorge, weiß Omer Dotou von der auf Mitarbeitereinsätzen im Ausland spezialisierten BDAE Consult. Zu aufgeheizt ist aktuell die Stimmung in vielen Teilen des Landes, wo sowohl Biden-Anhänger als auch Trump-Unterstützer auf die Straße gehen und protestieren.

Expats sollten Polizeistationen und Behörden meiden

Omer Dotou, Leiter Unternehmensberatung BDAE Consult

„Da der noch amtierende Präsident angekündigt hat, gegen die Wahlergebnisse in einigen Bundesstaaten gerichtlich vorzugehen und sogar vor den Obersten Gerichtshof der USA ziehen möchte, ist nicht derzeit damit zu rechnen, dass sich die Lage beruhigt. Wir empfehlen Expats deshalb, von Wahllokalen, Polizeistationen und Behörden sowie von den Aufmärschen fernzubleiben und sich regelmäßig über die aktuelle Lage vor Ort zu informieren“, empfiehlt Dotou. Auch sei Vorsicht bei politischen Meinungsäußerungen geboten – vor allem in den sozialen Netzwerken.

Dotou beobachtet schon länger, dass Fachkräfte deutscher Unternehmen eine Entsendung in die USA nicht mehr als großen persönlichen Gewinn betrachten. Das gilt umso mehr, seit die Coronapandemie die Welt in einen Ausnahmezustand versetzt hat. Die USA hat besonders mit den Folgen zu kämpfen und hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl mit mehr als 233.000 Corona-Toten die höchste Todesrate zu verzeichnen (Stand 4.11.2020) und verbucht bereits mehr als 9.207.000 Coronainfizierte.

„Aus unserer Sicht ist es in der nahen Zukunft nicht empfehlenswert, dass die Familie den oder die Expat in die USA begleitet“

Das empfiehlt Unternehmensberater Dotou. Doch die USA ist nicht erst seit Kurzem eher unbeliebt bei Expats, wie die Expat Insider Studie 2019 von InterNations ergeben hat. Dort belegen die USA lediglich den 47. Platz von 64 Reisezielen im Rahmen einer Umfrage unter Expats weltweit. Damit rangiert das Land unter den schlechtesten Ländern für das Familienleben (32. von 36). Lediglich in Sachen Berufsaussichten (Rang 5 von 36) und digitales Leben (Rang 7 von 64) positionieren sich die Vereinigten Staaten im oberen Bereich.

Expats in den USA

Expats geben dem Gesundheitswesen in den USA schlechte Noten

Besonders schlecht schneidet das Gesundheitswesen ab. Mehr als sieben von zehn Expats (71 Prozent) finden, dass die Gesundheitsversorgung in den USA nicht bezahlbar ist (im Vergleich zu 26 Prozent weltweit), was die USA zum weltweit am schlechtesten bewerteten Land für diesen Faktor macht.

„Wer als Ausländer in den USA Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen will, sollte immer seine Kreditkarte und mindestens alle Angaben zu seiner Auslandskrankenversicherung parat haben. Vor allem Krankenhausrechnungen sind in der Regel exorbitant“, sagt Auslandsspezialist Omer Dotou. Egal ob man eine Klinik mit einer Erkältung oder einer Blinddarmentzündung betritt, bei der Anmeldung werde von einem zuständigen Sachbearbeiter zunächst geklärt, ob die Versicherung des Erkrankten oder der Betroffene selbst die Kosten übernehmen kann. Lediglich in absoluten Notfällen, wird der Patient sofort behandelt – und das Geld dann später eingetrieben.

Corona in den USA

 

Der erste Fall des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) wurde in den USA am 21. Januar 2020 in registriert. Den ersten Todesfäll meldeten die US-Behörden am 29. Februar. Bis zum 6. November* beläuft sich die kumulative Fallzahl in den USA auf über 9,6 Millionen.

Ohne eine gute Krankenversicherung geht in den USA nichts

Die Kosten für ein Krankenhauszimmer betragen pro Tag rund 1.000 US-Dollar, auf der Intensivstation können es bis zu 10.000 US-Dollar täglich werden. Auch die Arzthonorare sind im Verhältnis zu Deutschland oft immens hoch – und sie variieren, je nachdem, an welcher Klinik ein Arzt beschäftigt ist. Das nimmt manchmal absurde Ausmaße an, wenn ein derselbe Arzt je nach dem, in welcher Klinik er einen Patienten behandelt, unterschiedlich hohe Honorare für die Behandlung derselben Sache abrechnet, weiß eine Mitarbeiterin der Schadenregulierung bei der auf Auslandskrankenversicherungen spezialisierten BDAE Gruppe.

Auch im Family Life Index der Expat Insider Studie 2019 von InterNations kann das Land nicht bei Expats punkten und rangiert von 36 Ländern auf Platz 32. Mehr als die Hälfte der im Ausland lebenden Expat-Eltern (55 Prozent) sind mit den Kosten für die Bildung unzufrieden (im Vergleich zu 35 Prozent weltweit). Ein französischer Expat sagt dazu: „Wenn Sie Kinder haben, wird ihre Ausbildung ein Vermögen kosten“. Zudem rangieren die USA an letzter Stelle weltweit für die Erschwinglichkeit der Kinderbetreuung, wobei mehr als sieben von zehn ausländischen Eltern (73 Prozent) die Kosten für die Kinderbetreuung als negativ einschätzen (gegenüber 40 Prozent weltweit).

Amerikaner wollen Verbesserung des Gesundheitssystems

Doch nicht nur Expats in Amerika sind unzufrieden mit dem Gesundheitssystem, sondern auch gut die Hälfte der US-Amerikaner selbst. Das hat die Statista Global Consumer Surveys 2020 ergeben, eine Umfrage im Vorfeld der Wahl unter mehr als 25.000 US-Amerikanern. Sie gaben an, dass Gesundheit und soziale Sicherheit zu den größten Problemen in den USA gehören. Ebenfalls kritische Themen sind die wirtschaftliche Situation (38 Prozent) und Arbeitslosigkeit (36 Prozent). Die drei meistgenannten Probleme für viele US-Bürgerinnen und Bürger sind demnach auch direkte Folgen der anhaltenden Corona-Pandemie, die es zu überstehen gilt.

Infografik: Die USA streben nach sozialer und wirtschaftlicher Stabilität | Statista

Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Marc Baribeau, Head of Global Equity bei Jennison Associates

Doch wie viel wird sich ändern, sollte Joe Biden die Wahl gewinnen? Der Demokrat hat zumindest angekündigt, dass er das Gesundheitswesen weiter verbessern will. „Er spricht sich für eine erweiterte Übernahme von Krankheitskosten und die Bekämpfung der Ungleichheit durch eine Sozialversicherung aus, die allen Amerikanern offenstehen würde, und zwar auf einer gleitenden Einkommensskala. Zudem will er das Mindestalter für die Beantragung von Medicare von 65 auf 60 Jahre herabsetzen. Einzelheiten dazu sind noch nicht bekannt, aber unserer Auffassung nach ist eine erweiterte Kostenübernahme generell positiv für die meisten Sektoren des Gesundheitswesens.“, weiß Marc Baribeau, Head of Global Equity beim US-amerikanischen Investment Manager Jennison Associates.

Auch unter Biden wohl keine Lockerung der Einwanderungspolitik zu erwarten

Ausländische Unternehmen hoffen darauf, dass sich in punkto Einwanderungspolitik unter Biden vieles zum Positiven wendet. Unter der Regierung Trump wurden die Einreisevorschriften für Fachkräfte deutlich verschärft, so dass weltweit etliche Unternehmen bei der Beantragung von einer Arbeitserlaubnis für Spezialisten scheiterten. Die BDAE Consult betreute einen entsprechenden Fall, an dem sich die Schwierigkeiten beim Einwanderungsrecht signifikant abbilden ließen.

„Ob die Restriktionen für ausländische Fachkräfte im US-Einwanderungsrecht unter Biden gelockert werden, wagen wir zu bezweifeln. Die Coronapandemie hat mehr als 20 Millionen US-Amerikaner arbeitslos gemacht. Auch die Demokraten werden alles in ihrer Macht stehende tun, um offene Stellen vor allem mit den Landsleuten zu besetzen und möglicherweise das Aufenthaltsrecht ihren Gunsten verschärfen werden “, schätzt Unternehmensberater Dotou. Er glaubt allerdings, dass anders als bisher weniger Willkür seitens der Einwanderungsbehörde an den Tag gelegt werden würde und ausländische Firmen mit mehr Rechtssicherheit rechnen werden können. Aus Erfahrung weiß er, dass es in den vergangenen vier Jahren unmöglich war, vorherzusehen, ob ausländische Spezialisten überhaupt eine Chance auf einen Aufenthaltstitel haben, denn zu chaotisch und mitunter willkürlich gestaltete sich der Antragsprozess.

US-Firmen auf deutsche Spezialisten angewiesen

Zudem gibt es Branchen, bei den die USA auf deutsche Fachkräfte angewiesen sind, so zum Beispiel im Bereich Automation und Roboter. So benötige unter anderem das Automobilunternehmen Tesla Spezialisten aus Deutschland. Viele Maschinen in der Produktion könnten nur von spezialisierten deutschen Ingenieuren gewartet werden.

In einer Sache sind sich die USA-Experten einig: Unter einer demokratischen Regierung mit Joe Biden als Präsident wird das Land zwar keine abrupte Einigung erfahren, aber es besteht zumindest die Chance darauf und somit auch die Hoffnung auf mehr Stabilität. Das werde die USA auch wieder attraktiver für Expatriates und ihre Familie machen.