Deutschland: Zweitbeliebtestes Arbeitsland weltweit
Deutschland ist das attraktivste Zielland für Arbeitskräfte in Europa. Im internationalen Vergleich stehen lediglich die USA vor Deutschland. Das hat eine Studie der Online-Jobbörsen StepStone und The Network und der Unternehmensberatung The Boston Consulting Group ergeben. Befragt wurden 366.000 Menschen in 197 Ländern.
Deutschlands Sprung auf Platz Zwei erfolgt zu einer Zeit, in der die allgemeine Begeisterung auf der Welt dafür, im Ausland zu arbeiten, insgesamt nachgelassen hat. Dieses gesunkene Interesse ist zumindest teilweise auf einen strengeren Kurs bei der Einwanderungspolitik zurückzuführen, den mehrere große Volkswirtschaften eingeschlagen haben oder in Erwägung ziehen. Deutschland hingegen hat sich aufgeschlossener gegenüber Menschen aus anderen Ländern gezeigt. Zusammen mit einer boomenden Wirtschaft erklärt dies den Aufstieg im Ranking der attraktivsten Arbeitsländer seit 2014, als das Land lediglich an vierter Stelle lag.
Deutschland beliebter als Großbritannien
Vor allem Arbeitskräfte aus solchen europäischen Ländern, für die Großbritannien vor dem Brexit-Votum sehr attraktiv war, sind mittlerweile stärker daran interessiert, in Deutschland zu arbeiten. Dazu zählen Arbeitskräfte aus Spanien, Dänemark, Polen und Rumänien. Für Personen in diesen Ländern ist jetzt Deutschland das attraktivste Arbeitsland, noch vor Großbritannien. Nichteuropäische Länder, in denen Deutschland zulasten von Großbritannien immer mehr an Beliebtheit gewinnt, sind unter anderem China und Indonesien. In beiden Ländern bevorzugen die Arbeitskräfte inzwischen Deutschland gegenüber Großbritannien – 2014 war dies noch umgekehrt.
Gleichzeitig hat sich Deutschland seine Popularität als Arbeitsland für Menschen aus anderen europäischen Ländern bewahrt. Das gilt unter anderem für die beiden Nachbarländer Österreich und Tschechien. Auch für Arbeitskräfte aus den Balkanstaaten und den nordafrikanischen Ländern ist Deutschland weiterhin ein attraktives Ziel.
Deutschland hat nicht nur Großbritannien überholt, sondern auch den Platz vor Kanada eingenommen. Zugleich hat es seinen Vorsprung vor anderen beliebten europäischen Arbeitsländern vergrößert. Durch den Sprung auf Platz Zwei im weltweiten Ranking liegt Deutschland jetzt fünf Plätze vor Frankreich, sechs Plätze vor der Schweiz und sieben Plätze vor Italien.
Deutschland offen gegenüber Einwanderern
Eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen ist nicht so einfach, wie es vielleicht den Anschein hat. Es kann mitunter sehr lange dauern, bis man als Ausländer eine Arbeitserlaubnis bekommt. Dennoch hat die Bundesrepublik in den letzten Jahren den Ruf erlangt, im Vergleich zu anderen westlichen Ländern wesentlich offener gegenüber Einwanderern zu sein. Sind die bürokratischen Hürden erst einmal überwunden, ergibt sich tatsächlich eine Reihe von Chancen.
Dazu gehören zahlreiche Stellen für technische Berufe in Branchen wie der Automobil- und der Chemieindustrie – viele von ihnen bei namhaften internationalen Unternehmen. Aufgrund dieser Arbeitsmöglichkeiten ist Deutschland das attraktivste Ziel für jene Befragten, die in der Herstellung oder im Engineering arbeiten. Das Land liegt in der Beliebtheitsskala auf dem zweiten Platz – hinter den USA – bei Menschen unter 30 Jahren, Personen mit einem Masterabschluss oder einer Promotion sowie bei Digitalexperten.
Man muss noch nicht einmal fließend Deutsch sprechen, um in Deutschland zurechtzukommen. In Berlin – nach London und New York mittlerweile weltweit die drittattraktivste Stadt zum Arbeiten – werden die Geschäfte oftmals auf Englisch geführt.
Unter den Alternativen ist etwa München, das durch sein Kulturangebot herausragt und auf Platz 23 der attraktivsten Zielstädte weltweit liegt, sowie Hamburg, das eine aufstrebende Start-up-Szene hat und sich auf Rang 32 befindet.
Künftige Herausforderungen bei der Arbeitsmobilität
Obwohl Deutschland als Arbeitsland an Attraktivität gewonnen hat, stehen das Land und die dort ansässigen Unternehmen vor einer Reihe bedeutender Herausforderungen, was die zukünftige Personalbeschaffung betrifft.
Die erste dieser Herausforderungen ist die abnehmende Mobilität in vielen der Länder, die deutsche Unternehmen schon seit jeher mit Arbeitskräften versorgen. Dies gilt für Polen, Rumänien, Ungarn und Kroatien. Zwar geben die Menschen in allen diesen mitteleuropäischen Ländern Deutschland als Zielland Nummer Eins oder Nummer Zwei zum Arbeiten an. Durch die sich verbessernde wirtschaftliche Lage in diesen Ländern nimmt jedoch die Mobilitätsbereitschaft stark ab. Sollte die Zahl der Polen, Rumänen, Ungarn und Kroaten, die nach Deutschland kommen, sinken, so könnte dies einen spürbaren Arbeitskräftemangel in den Bereichen zur Folge haben, in denen Arbeitskräfte aus diesen Ländern überdurchschnittlich viele Stellen besetzen – unter anderem im Sozial- und im IT-Bereich sowie im Bau- und Gastgewerbe.
Deutsche entdecken Wanderlust
Die zweite Herausforderung für Deutschland lässt sich als neu entdeckte Wanderlust (in verschiedenen Arbeitsbereichen) bei den Deutschen selbst beschreiben. Vor vier Jahren lag die Bereitschaft der Deutschen, für eine Arbeitsstelle ins Ausland zu ziehen, noch weit unter dem weltweiten Durchschnitt. Zwar ist die Bereitschaft der Deutschen zum Auswandern immer noch unterdurchschnittlich, der Abstand zum weltweiten Mittelwert hat sich jedoch stark vermindert: von 20 Prozentpunkten im Jahr 2014 auf heute kaum noch nennenswerte zwei Prozentpunkte.
Darüber hinaus handelt es sich bei jenen Menschen in Deutschland, die ihre Bereitschaft bekunden, zum Arbeiten in ein anderes Land zu ziehen, vielfach genau um jene, die man gern hierbehalten würde. So sagen beispielsweise 68 Prozent der hochqualifizierten Menschen in Deutschland (mit Master- oder Doktorgrad oder einem vergleichbaren Abschluss), dass sie sich vorstellen können, im Ausland zu arbeiten. 66 Prozent der unter 30-Jährigen teilen diese Ansicht.
Viele der Deutschen, die die Bereitschaft zeigen, ins Ausland zu wechseln, geben als Grund dafür bessere Karrierechancen an. Jene deutschen Arbeitskräfte, die mobil sind, sind zugleich in höherem Maße als andere karriereorientiert und karrierebewusst.
Gute Work-Life-Balance wichtiger als Höhe des Gehalts
Wertschätzung für ihre Arbeit zu erfahren und an interessanten Inhalten zu arbeiten, spielt für Deutsche eine größere Rolle als für Menschen in anderen Ländern. Ansonsten stimmen ihre Einstellungen mit den weltweiten Trends auf dem Arbeitsmarkt überein, vor allem was die vorherrschende Ansicht betrifft, „weiche“ Jobfaktoren – wie beispielsweise eine gute Work-Life-Balance – seien wichtiger als die Höhe des Gehalts.
Nicht alle deutschen Unternehmen gehen in ausreichendem Maße auf diese Vorstellungen ein; so erscheinen weder eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre noch eine gute Work-Life-Balance unter den wichtigsten zehn Faktoren, in denen deutsche Unternehmen nach Aussage von Personalverantwortlichen, die an der Umfrage teilgenommen haben, gut aufgestellt sind. Diese Erkenntnis kann für deutsche Unternehmen, die zwar florieren, aber nach Ansicht vieler sehr hohe Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellen, ein mögliches Handlungsfeld für die Zukunft eröffnen, damit sie auch weiterhin erfolgreich bleiben.