Bessere Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen auf dem Weg
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen im Reiserecht beschlossen. Dieser richtet die Insolvenzabsicherung bei Pauschalreisen völlig neu aus. Das Gesetz wird von diversen Verbänden und Verbraucherorganisationen begrüßt.
So erklärt etwa der tourismuspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Paul Lehrieder: „Mit dem geplanten Reisesicherungsfonds werden Urlauber künftig umfassend gegen eine Insolvenz ihres Reiseveranstalters geschützt. Die Thomas-Cook-Pleite im September 2019 hat die unzureichende Wirksamkeit der bisherigen Regelung gezeigt, da der Erstattungsanspruch der Kunden auf ihre An- und Restzahlungen auf den Reisepreis nicht vollständig erfüllt werden konnte.“
Die Fondslösung, bei der die Finanzierung aus Beiträgen der Reiseveranstalter erfolgen soll, sei begrüßenswert. Im weiteren Verfahren müsse aber ein Funktionieren des Marktes durch erfüllbare Regelungen für die Reisebranche sichergestellt werden, die sich durch die Corona-Krise in einer existenzbedrohenden Situation befindet. Dazu gehöre auch die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und Heterogenität der Reiseveranstalter. Kleine und mittelständische Veranstalter sollten nicht unverhältnismäßig belastet werden und nicht das deutlich höhere Schadensrisiko von Großveranstaltern mitfinanzieren.
Die wichtigsten Punkte zur Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen
Zahlungen von Pauschalreisen sollen künftig über einen Fonds abgesichert sein. Bis zum Jahr 2026 soll der Fonds über 750 Millionen Euro verfügen. Die bisherige Höchsthaftungssumme von 110 Millionen Euro entfällt.
Der Fonds soll im Einzelnen Vorauszahlungen von Pauschalreisenden, den Rücktransport gestrandeter Urlauber und deren Unterbringung bis zum Rücktransport garantiert erstatten, sollte ein Reiseveranstalter vor Antritt der Reise insolvent werden.
Der Fonds soll ab November 2021 einspringen.
Während der Aufbauphase sichert der Staat den Fonds durch eine Kreditgarantie oder Bürgschaft ab.
Reiseveranstalter, die in den letzten drei Geschäftsjahren im Durchschnitt einen Umsatz von weniger als drei Millionen Euro mit Pauschalreisen erzielt haben, müssen nach den Plänen des Justizministeriums nicht in den neuen Reisesicherungsfonds einzahlen.
Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen bisher nicht europarechtskonform
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bemerkt, dass die Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen erstmals seit 30 Jahren europarechtskonform, effektiv und verbraucherfreundlich ausgestaltet sei. Bereits seit vielen Jahren weisen die Verbraucherschützer darauf hin, dass die Insolvenzabsicherung im deutschen Pauschalreiserecht nicht europarechtskonform ausgestaltet ist. Das betrifft insbesondere die Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro pro Versicherer und Geschäftsjahr. Die Bundesregierung habe erst unter dem Eindruck der Staatshaftung wegen der Insolvenz von Thomas Cook im September 2019 begonnen, die bislang geltenden reiserechtlichen Insolvenzschutzregelungen zu evaluieren und neue Regelungen zu etablieren.
„Endlich hat sich unsere Forderung nach einem Reisesicherungsfonds durchgesetzt. Mit der lange geforderten Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen sind Reisende effektiv schützt. Pauschalreisende sind in Zukunft deutlich besser gegen die Insolvenz eines Reiseanbieters abgesichert“, so Klaus Müller, Vorstand des vzbv. „Pandemiebedingt drohen in der Reisebranche viele Insolvenzen. Das neue Gesetz sollte so schnell wie möglich in Kraft treten, um den Reisesicherungsfonds sofort einzurichten und das Vertrauen in die Pauschalreise wiederherzustellen.“
Lehren aus der Thomas-Cook-Pleite
Auch der ADAC bewertet den Gesetzentwurf zur Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen als einen guten Ausgleich zwischen den Interessen von Reisenden und Anbietern. Kundengelder würden besser geschützt und Mehrkosten etwa eine Rückführung in die Heimat abgesichert, sagt ADAC Tourismuspräsident Kurt Heinen: „Aus der Insolvenz des Reiseveranstalters Thomas Cook, von der unzählige Reisende betroffen waren und bei der sich die Grenzen einer Absicherung über Versicherungen gezeigt hätten, sind im Grundsatz die richtigen Lehren gezogen worden“, so Heinen.
Die Versicherung hatte bei der Pleite von Thomas-Cook lediglich einen Bruchteil der Kosten ersetzt, weil die Haftung insgesamt auf 110 Millionen Euro im Jahr begrenzt war. Somit musste der Staat einspringen und zahlte bis Mitte November 2020 fast 40 Millionen Euro an Thomas-Cook-Kunden aus, deren Reisen geplatzt waren.
Aus Sicht des ADAC ist es wichtig, dass nicht nur Vorauszahlungen, sondern auch weiterhin die Kosten für die Rückführung in die Heimat abgedeckt sind. Falls bei Insolvenzfällen in der Aufbauphase des Fonds die Mittel nicht ausreichen, springt der Staat ein.
„Der Reisesicherungsfonds muss auch direkt einspringen, wenn Reiseveranstalter Vorleistungen – zum Beispiel Hotelübernachtungen – noch nicht bezahlt haben“, sagt der ADAC Tourismuspräsident: “ Es darf nicht wieder passieren, dass Reisende in solchen Fällen selbst vor Ort hohe Zahlungen leisten müssen, die sie sich anschließend vom Versicherer mühsam zurückholen müssen.“
DRV fordert Nachbesserungen
Der Deutsche Reiseverband (DRV) unterstützt den politischen Willen zur Neuausrichtung der Insolvenzsicherung, hält aber zahlreiche Änderungen und Verbesserungen für notwendig.
„Die Idee des Reisesicherungsfonds orientiert sich am niederländischen Modell, bei dem die Kundengelder ebenfalls über einen Fonds abgesichert werden, und ist vom Grundsatz her vernünftig“, heißt es beim DRV. „Der Schutz der Reisenden ist uns ein wichtiges Anliegen. Das neue Modell stellt jedoch – gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise mit ihren wirtschaftlichen Herausforderungen – eine große zusätzliche Belastung für die Reiseveranstalter dar. Pauschalreisen dürfen in dieser schwierigen Situation im Vergleich zu Einzelleistungen nicht über Gebühr verteuert werden.“
Damit wäre weder den Unternehmen, die Reisen anbieten, noch den Urlaubern im Sinne des Verbraucherschutzes geholfen. Wenn sich Verbraucher aus preislichen Erwägungen entschließen, Einzelleistungen zu buchen, die nicht den Schutz des Pauschalreiserechts genießen, wäre dies konträr zu den Bestrebungen der Bundesregierung den Insolvenzschutz für Verbraucher zu verbessern, so der DRV weiter.
Mögliche Liquiditätsschwierigkeiten in der aktuellen Pandemie
Ebenfalls Nachbesserungsbedarf sieht der Unternehmensverbund mittelständischer Reiseveranstalter und Reisebüros (AER): „Die Insolvenzabsicherung für Reisen darf nicht einseitig zu Lasten der Unternehmen gehen, sonst geraten gerade kleine und mittelständische Reiseveranstalter in wirtschaftliche Probleme und die Vielfalt in der Reisebranche wird gefährdet“, sagt Rainer Hageloch, Vorstand der AER Kooperation AG.
In der vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzesnovelle ist der Vorschlag zur Gründung eines Fonds zur Insolvenzabsicherung der Reiseveranstalter verankert, den die Unternehmen mit jeweils sieben Prozent ihres Jahresumsatzes finanzieren sollen. „Sieben Prozent des Umsatzes zur Insolvenzsicherung entzieht den Unternehmen erhebliche Liquidität, die gerade in der schwierigen Pandemie-Lage dringend an anderer Stelle benötigt wird. Eine solche Regelung wäre für das Gros der mittelständischen Reiseveranstalter wirtschaftlich nicht darstellbar und gefährdete Existenzen, Arbeitsplätze und die für den Kunden wichtige Vielfalt der Branche“, so Hageloch weiter. Schon die heutige Praxis von einem bis zwei Prozent Sicherungsleistung stelle für viele Mitgliedsunternehmen der AER Kooperation eine erhebliche Belastung dar.
Grundsätzlich steht die AER Kooperation der Gründung eines Fonds zur Insolvenzabsicherung sehr positiv gegenüber. Zur Finanzierung eines solchen Fonds schlägt der Unternehmensverbund vorübergehend eine Mischkalkulation des Jahresumsatzes mit einer Prämie pro durchgeführter Reise vor, die auf den Kunden umgelegt werden könne. „Eine solche zeitlich befristete Umlagefinanzierung könnte das vom Gesetzgeber gewünschte Ziel, schnell eine ausreichende Finanzausstattung des Insolvenzsicherungsfonds zu gewährleisten sicherstellen, ohne die kleinen und mittleren Unternehmen einerseits oder die Kunden andererseits über Gebühr zu belasten“, resümiert Hageloch. Mit einer solchen übergangsweise paritätischen Finanzierung des Insolvenzsicherungsfonds könnte dieser laut AER Kooperation