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Florian auf seinem Boot
©Florian Hornig

Weniger ist mehr: Warum es sich lohnt, sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu fokussieren

Oft sind es die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen. In seinem Gastbeitrag erzählt und Florian Hornig, wie er sein altes Leben reflektiert und gegen das neue getauscht hat und dabei festgestellt hat, dass es sich gelohnt hat, sich auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist im Leben. Und das eben weniger oft mehr ist.

Zu Beginn der 2010er Jahre, an einem wunderschönen sonnigen Tag im Mai in Berlin Prenzlauer Berg, sitzt ein frustrierter Typ Anfang 30 in einem Café und genießt seinen Kaffee, während er verträumt in die Sonne schaut. Er hat einen gut bezahlten Job an einer der renommiertesten Business Schools der Welt und wohnt in einer 100 qm großen, sanierten Altbauwohnung im Dachgeschoss mit Sauna im Bad, Kamin im Wohnzimmer und einer Terrasse mit Blick über Berlin. Doch trotz all dem Luxus spürt er, dass etwas fehlt, jedoch kann er nicht genau benennen, was es ist.

Was er sicher weiß sind die Dinge, die er nicht mehr möchte:

  • Arbeit, die nur dazu dient, eine Wohnung zu finanzieren, in die er nur zum Schlafen geht
  • Anzüge kaufen, die er nur im Büro trägt
  • Sich am Wochenende Dinge leisten müssen, um die anstrengende Woche zu kompensieren
  • Täglich zweimal eine Stunde quer durch Berlin pendeln
  • Schon montags auf das Wochenende warten und dann Dokumentationen über die Welt anschauen
  • Jeden Tag auf dieselbe weiße Raufasertapete blicken
  • Sich täglich auf die Mittagspause freuen, nur um in die Sonne gehen zu können
  • Ständig Urlaubstage zählen und von längeren Reisen träumen

„Meistens sind viel tiefere Fragen für unsere eigene Zufriedenheit entscheidend“

Dieser Typ war ich, und meine zugrunde liegende Frustration wurde zum Antrieb für einen grundlegenden Wandel. Seit 2009 arbeite ich als Coach und konzentrierte mich zunächst auf Karrierecoaching, bevor mir klar wurde, dass meistens viel tiefer liegende Fragen für unsere eigene Zufriedenheit entscheidend sind.

Was uns wirklich antreibt, ist nicht das, was wir tun, sondern warum und wofür wir es tun. Eine Frage, die ich mir und meinen Kunden seitdem gestellt habe, ist: Wer oder noch besser WIE möchte ich einmal gewesen sein? Wie möchte ich in den Erinnerungen der Menschen, die mich kannten, bleiben? Damals entwickelte ich eine erste Vorstellung davon, was ich eigentlich wirklich will – etwas, das ich seit meiner Kindheit in mir trug. Ich wollte um die Welt reisen, Erfahrungen sammeln und Geschichten erleben, die ich mit anderen teilen kann, um durch meine Erfahrungen anderen zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Am liebsten würde ich auf einem Segelboot um die Welt reisen, am besten dabei noch andere mitnehmen. Doch ich dachte, ich müsste erst etwas erreichen, bevor ich mir diese Träume erlauben kann.

Aber dann stellte ich mir die Frage: Was wäre, wenn ich nicht erst Karriere, Haus, Familie, Erfolg und Reichtum anstrebe, um dann (hoffentlich) das zu tun, was ich schon immer tun wollte, sondern sofort danach strebe? Diese Idee ließ mich nicht mehr los. Plötzlich hinterfragte ich alles, um herauszufinden, ob es mich auf meinem neuen Weg unterstützt oder behindert.

„Alles, was ich zum Leben und Arbeiten brauche, passt in meinen Rucksack“

Und wenn ich doch wusste, was ich wirklich will, warum setzte ich es nicht „einfach“ um? Nach und nach wurde mir klar, dass in meinem Leben nicht etwas fehlte, sondern im Gegenteil, dass es bereits zu viel war. Zu viele Dinge, Aufgaben, Verpflichtungen, Gedanken und Glaubenssätze, die mir im Weg standen.

Weniger ist mehr

Ich begann, mich von Ballast zu trennen und verkaufte oder verschenkte etwa 90 Prozent meiner Sachen, um zu erkennen, dass ich von dem, was übrig blieb, ebenfalls 90 Prozent  nicht wirklich brauchte. Seitdem passt alles, was ich zum Leben und Arbeiten brauche, in meinen Rucksack – häufig sogar in Handgepäckgröße. Das hat mich wesentlich flexibler gemacht und ermöglicht es mir, von überall aus zu arbeiten. Ich reise häufiger und bleibe ein paar Tage länger, arbeite unterwegs und auch in Berlin meide ich inzwischen oft das Büro. Stattdessen arbeite ich aus Cafés oder dem Park heraus.

Rucksackreisen
© Florian Hornig

Nachdem ich mich von so viel Ballast getrennt hatte, begann ich viele meiner bisherigen Gewohnheiten und Glaubenssätze zu hinterfragen. Und das machte mich gleichzeitig zu einem besseren Coach. Indem ich weder an den Glaubenssätzen meiner Klienten hing noch an meinen eigenen, konnte ich viel besser als zuvor darin unterstützen, neue eigene Wege zu gehen und Möglichkeiten zu entdecken, wo vorher keine zu sein schienen.

„Andere Wege zu gehen und neue Prioritäten zu setzen, kann im direkten Umfeld Unverständnis hervorrufen.“

Zu dieser Zeit hat sich auch der Name meines Coachingbusiness gefunden: „Simplicity Of Happiness“ – die Einfachheit des Glücklichseins. Denn das Geheimnis des Glücks beruht nicht auf der Akkumulation von Dingen, sondern auf dem Gegenteil: Alles loszulassen, was dem eigenen Glücklichsein im Wege steht.

Seit 2014 habe ich keinen Bürojob mehr und arbeite 100 Prozent remote. In den letzten Jahren habe ich Projekte in der Sahara, auf Sansibar, am Kilimandscharo und den Alpen aufgebaut, während ich mein Coaching Business etablierte. Ich reiste ein ganzes Jahr mit einem Wohnmobil, verbrachte einen Winter in einem Skiresort und lebte ein Jahr auf Sansibar.
Andere Wege zu gehen und neue Prioritäten zu setzen, kann im direkten Umfeld Unverständnis hervorrufen. Menschen, die einen jahrelang begleitet haben, kommen mit Veränderungen oft nicht klar und unterstellen Egoismus, in dem Versuch, einen zurück in die Norm zu bringen. Doch man kann es nicht allen recht machen. Und die wichtigste Person, der man es recht machen sollte, ist man selbst.

Zwei Strategien haben mir geholfen und ich empfehle sie immer wieder:

  • Loslassen
  • Sein lassen

Lass Dinge los, die dich zurückhalten, lass Glaubenssätze los, die dich einschränken, lass Menschen los, die dich zurückhalten. Gleichzeitig lass andere sein, wie sie sein wollen. Lass deine Eltern, Geschwister und Freunde sein, wie sie sind. Lass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen, auch wenn sie nicht deine wären.

Das Schwierigste bei neuen Wegen ist für mich, eine gewisse Arbeitsroutine zu entwickeln und beizubehalten. Wenn sich die Umgebung schnell und kontinuierlich ändert, kann es schnell überfordernd sein, den Tag zu beginnen, ohne zu wissen, was zuerst zu tun ist. Deshalb hilft es, Gewohnheiten wie eine Morgen-, Arbeits- oder Sportroutine zu etablieren, die man beibehalten kann: egal wo man sich aufhält. Der Geist ist schon genug damit beschäftigt, sich an die neue Umgebung anzupassen. Da ist es hilfreich, nicht auch noch über den Start in den Tag nachdenken zu müssen.

„Das Schwierigste bei neuen Wegen ist für mich, eine gewisse Arbeitsroutine zu entwickeln und beizubehalten.“

Meine mühsam erlernte Flexibilität und die daran angepassten Routinen wurden vor allem während der Pandemie herausgefordert und auf die Probe gestellt. Heimlich hatten sich wieder Routinen entwickelt, die nicht hilfreich waren. Und ich hatte wieder einmal die Gelegenheit, diese zu hinterfragen, über Bord zu werfen und neue zu entwickeln.
Es dauerte einige Monate, bis ich realisierte, dass sich eine großartige Chance bot. Die Art zu arbeiten, die für mich zur Norm geworden war, wurde plötzlich alltagstauglich. Die Menschen hatten eine wesentlich größere Akzeptanz für Coaching über Videokonferenzen. Seit 1,5 Jahren lebe ich nun auf einem Segelboot im Mittelmeer und arbeite meistens von hier aus, wenn ich nicht am Kilimandscharo in Tansania bin.

Am Steuer seiner Hallberg-Rassy 35 Rasmus vor Elba in Italien ©Florian Hornig

Reizt es dich ebenfalls, die an dich gestellte Erwartungshaltung in Frage zu stellen und eigene Wege zu gehen? Dann ist mein Tipp für dich, dich an einigen Fragen zu orientieren.

Fünf Fragen für eine Orientierung

  • Was ist dein Nordstern? Wie möchtest du mal gewesen sein?
  • Wovon kannst du dich trennen, was dir dabei im Wege steht?
  • Bei Dingen: Frag dich, ob du sie in den letzten 6 Monaten benutzt hast oder ob du wirklich vorhast, sie in den nächsten 3 Monaten zu nutzen. So hast du alle Jahreszeiten abgedeckt. Falls nicht, ab in den Keller und nach 6 Monaten weitergeben.
  • Bei Gewohnheiten: Lege eine Liste mit „100Prozent JA“, „Vielleicht“ und „100 Prozent NEIN“ an. Stelle „Vielleicht“ und „100 Prozent Nein“ ab und fokussiere dich auf „100Prozent JA“.
  • Welche Menschen wollen dich in alten Rollen halten? Lass sie ihre Meinung haben, lass sie ihre Wünsche äußern – es müssen nicht deine sein.

Zu guter Letzt: Was ist der kleinste Schritt in die Richtung, in die du gehen möchtest, den du heute gehen kannst? Gehe ihn!

Ich wünsche dir von Herzen viel Erfolg dabei, die Person zu sein, die du sein möchtest. Falls du dabei Hilfe brauchst, melde dich bei mir.