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Gesundheitssystem in Singapur: Viel private Eigenleistung notwendig

Je nach Quelle leben zurzeit zwischen 7.000 und 10.000 Deutsche in Singapur. Der Stadtstaat ist aufgrund seiner geografischen Lage und der hervorragenden Infrastruktur ein beliebter strategischer Standort für deutsche wie internationale Unternehmen. Das Niveau des Gesundheitswesens ist außerordentlich hoch und mit dem deutschen durchaus vergleichbar. Ganz anders als hierzulande gestaltet sich jedoch der Aufbau des Sozialversicherungs- und Gesundheitssystems. So kommuniziert die Regierung ganz offen, dass Wohlfahrt nicht allein Sache des Staates ist, sondern in allererster Linie in der Hand des Einzelnen beziehungsweise der Familie liegt. Entsprechend viel Eigenverantwortung auch finanzieller Art fordert das System von den Menschen ein.

Bis zum Ende der kolonialen Abhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1963 war das Gesundheitswesen nahezu identisch mit dem britischen steuerfinanzieren National Health Service (NHS), doch Schritt für Schritt bauten die Verantwortlichen in mehreren Gesundheitsreformen das Prinzip um. Zwar stellt die Steuerfinanzierung noch immer eine wichtige Säule dar, doch ein Großteil der Gesundheitskostenfinanzierung wurde auf den privaten Sektor verlagert.

Soziales Sparkonto als Basisversorgung

Der Grundstein des singaporianischen Sozialsystems ist der bereits 1955 gegründete Central Provident Fund (CPF), eine Art soziales Sparkonto, das sowohl seitens der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer mit Beiträgen finanziert wird. Zur Beitragszahlung verpflichtet, sind lediglich die Einwohner Singapurs und Ausländer mit dem Aufenthaltsstatus „permanent resident“. Einer Erhebung im Jahr 2009 zufolge zahlen schätzungsweise 3,29 Millionen Einwohner auf das staatliche Sparkonto ein – das entspricht 90 Prozent der einheimischen Bevölkerung. Der CPF erbringt Geldleistungen für drei wesentliche Elemente der finanziellen Absicherung: Rente, Gesundheit und Wohneigentum. Letzteres erscheint aus europäischer Sicht bemerkenswert, ist aber in Singapur ein essenzieller Bestandteil der Altersvorsorge, der von der Regierung massiv gefördert wird.

Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge in den CPF werden auf drei Konten („Ordinary“, „Special“ und „Medisave“) aufgeteilt. Seit der Gesundheitsreform im Jahr 2011 zahlen Mitglieder unter 50 Jahren 20 Prozent ihres Einkommens und Arbeitgeber 15,5 Prozent auf das Sparkonto ein (siehe auch Abbildung unten).Wer älter als 50 Jahre ist oder weniger als 1.500 US-Dollar im Monat verdient, zahlt weniger. Die Beitragsmessungsgrenze liegt bei einem monatlichen Einkommen von 4.500 US-Dollar.

Vom Guthaben des „ordinary accounts“ ist es den Versicherten möglich, Wohneigentum zu erwerben sowie Ausgaben für die Bildung zu tätigen. Der „special account“ ist für die Altersvorsorge und den Erwerb von rentenbezogenen Geldanlage vorgesehen. Nichtsdestotrotz richtet das CPF-Bord zusätzlich automatisch ein Rentenkonto ein, sobald Arbeitnehmer ein Alter von 55 Jahren erreicht haben (Renteneintrittsalter ist aktuell 62). Das für das Gesundheitswesen wichtigste Konto ist der „medisave account“, dessen Guthaben einerseits für die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes oder gewisse ambulante Ausgaben (zum Beispiel einfache Arztbesuche) verwendet werden. Andererseits fließen auch Krankenversicherungsbeiträge in den „MediShield“, ein System, das für hohe Krankenhausaufenthalte aufkommt und erst 1990 eingeführt wurde. Zusätzlich zum MediShield-Versicherungsschutz ist es möglich, seinen Versicherungsschutz durch so genannte „Private Integrated Shield Plans“ (also integrierte private Krankenversicherungen) aufzubessern. Diese können jedoch nur abgeschlossen werden, wenn bereits eine MediShield-Versicherung besteht. Shield Plans könnten sowohl von Einzelpersonen abgeschlossen werden als auch von Arbeitgebern als Gruppenversicherung für ihre Beschäftigten. 2011 hatten etwa 2,2 Millionen Einwohner eine solche private Zusatzkrankenversicherung.

Grundversorgung erfolgt durch Krankenschwestern und Hausärzte

Wer in Singapur erkrankt, wird durch Hausärzte und Krankenschwestern behandelt, die entweder in den 18 staatlichen Polikliniken oder in den rund 2.400 Privatkliniken beschäftigt sind. Sie sind die erste Anlaufstelle für Patienten, die dann – wenn nötig – zur Behandlung durch Fachärzte in eine Klinik überwiesen werden. Zur Grundversorgung gehören die ambulante medizinische Behandlung, die Nachsorge nach einem Krankenhausaufenthalt, Impfungen, Screening, gesundheitliche Aufklärung, Diagnostik und Arzneimittelversorgung. Etwa jede fünfte Grundversorgung erfolgt nach Angaben des Gesundheitsministeriums durch die Polikliniken, 80 Prozent durch Privatkliniken. Die zahnärztliche Behandlung findet entweder in einem öffentlichen Krankenhaus oder Zahnzentrum oder in einer privaten Zahnklinik statt. Es besteht eine freie Arzt- und Krankenhauswahl. Ärzte in Singapur müssen sich an keine staatlichen Gebührenordnung richtet, wodurch jeder Arzt die Höhe seines Honorars frei individuell festlegen kann.


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Reisende in Singapur sollten zwingend eine Auslandskrankenversicherung im Gepäck haben, da sie ohne den „permanent resident status“ keinen Anspruch auf Leistungen im Gesundheitssystem haben. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, vorab weltweit gültigen Schutz für Singles wie Familien abzuschließen. Wichtig ist dabei, dass Urlauber darauf achten, dass der entsprechende Tarif zu 100 Prozent stationäre und ambulante Aufenthalte auch in Privatkliniken abdeckt und freie Arztwahl garantiert.

Singapurs Regierung steht übrigens vor dem selben Problem wie Deutschland: Die Überalterung der Bevölkerung und damit einhergehende massiv steigende Gesundheitskosten (siehe auch Statistik „Private Gesundheitsausgaben in Singapur“). Auch wenn derzeit neue Krankenhäuser entstehen – für 2020 bis 2030 sind vier Komplexe geplant -, müsse sich der Fokus bei Pflege und Behandlung älterer Menschen stärker in das private Umfeld verlagern.

Informationsquellen: Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), gtai, CFP, https://www.cpf.gov.sg/members