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© MichaelGaida - Pixabay.com

Verpasster Hinflug wegen falscher Warteschlange: Reisende haben Recht auf Entschädigung

Für einen verpassten Hinflug haben Reisende Anspruch auf eine Entschädigung vom Reiseveranstalter. Das hat das Amtsgericht München in einem inzwischen rechtskräftigen Urteil entschieden (Az.: 154 C 2636/18). 

In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich eine Deutsche an die Schlange zum Check-In für den Hinflug gestellt, während dort jedoch auch gleichzeitig ein Check-In für einen anderen Flug abgefertigt wurde, was sie nicht bemerkt hatte. Sie hatte für sich, ihren Partner und zwei Kinder für 2.262 Euro eine All-Inclusive-Flugreise für elf Tage nach Side gebucht. Der Veranstalter wies im Voucherheft darauf hin, dass spätestens 30 Minuten vor dem Abflug die Eincheckzeit endet. Der Hinflug sollte am 29. September 2017 um 14:45 Uhr mit der Fluggesellschaft Condor ab dem Flughafen Leipzig mit Ankunft in Antalya um 19 Uhr erfolgen. Am Flughafen wurde gleichzeitig mit dem gebuchten Flug nach Antalya auch ein Flug nach Griechenland abgefertigt. Um circa 14:20 Uhr kam die Klägerin zu spät am Schalter zum Check-In an die Reihe. Das Flugzeug flog ohne sie und ihre Familie nach Antalya.

Reisende musste neuen Flug buchen

Die Klägerin gab an, alle seien circa zwei Stunden vor Abflug am Abflugschalter auf dem Leipziger Flughafen gewesen. Auf dem Bildschirm vor dem Check-In sei lediglich der Name der Fluglinie angegeben gewesen. Sie und ihre Familie hätten sich an der dort befindlichen Warteschlange angestellt, die zu drei Schaltern führte. Sie seien davon ausgegangen, dass sämtliche Wartenden das gleiche Ziel hätten. Sie hätten weder gehört, dass sie aufgerufen worden seien, noch seien sie darauf hingewiesen worden, dass man nicht mehr einchecken könne, wenn man nicht an der Schlange vorbeigehe. Es sei auch keiner aus der Schlange heraus nach vorne gegangen.

In der Folge mussten sie einen neuen Flug ab Berlin-Tegel buchen und die Nacht in Leipzig bei Verwandten auf dem Fußboden schlafen. Tags darauf fuhren sie mit dem Zug nach Berlin, um von dort über Istanbul nach Antalya zu fliegen. Erst am 01. Oktober 2017 gegen 3:00 Uhr kam die Familie im Hotel an.

Die Zeugin des Veranstalters gab jedoch an, dass etwa eine Stunde vor dem Abflug die Passagiere für den Flug nach Antalya aufgerufen worden sein müssten, um sie vorzuziehen. Die Klägerin müsse unaufmerksam oder zu spät gewesen sein.

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Klägerin dennoch in weiten Teilen Recht.

Art des Aufrufens nicht ausreichend

Die Begründung: Die Art und Weise des geschilderten Aufrufens, indem ein Mitarbeiter an der Schlange entlanggeht und mehrmals laut ruft, sei nicht geeignet, um sicherzustellen, dass alle Fluggäste hiervon Kenntnis erlangen. Es sei davon auszugehen, dass die wartenden Personen in der Schlange am Check-In-Schalter sich auch miteinander unterhalten, während sie warten und dass deshalb ein gewisser Geräuschpegel herrscht. Die ausrufende Person müsste dementsprechend sehr laut rufen, um sämtliche anderen Geräusche zu übertönen. Es sei auch möglich, dass Reisende für die kurze Zeit des Aufrufs unaufmerksam sind. Die volle Aufmerksamkeit auf das Geschehen vor sich in und neben der Warteschlange während der hier anderthalb Stunden dauernden Wartezeit zu richten, kann von keinem Reisenden verlangt werden. Die Fluggesellschaft hätte entweder durch eine Durchsage per Lautsprecher oder durch ein Ansprechen aller Wartender in der Schlange sicherstellen müssen, dass alle Reisenden die Information erhalten.

Es könne auch nicht von den Fluggästen erwartet werden, dass diese alle wissen, dass es auch sein kann, dass zwei Flüge gleichzeitig abgefertigt werden und dass sie an der Warteschlange vorbeigehen – ein sozial zumeist unerwünschtes Verhalten – um bevorzugt eingecheckt zu werden. Diese Erwartung habe selbst die Fluggesellschaft nicht, da sie ansonsten gar keine Aufrufe machen würde.  Das Gericht hält dementsprechend eine Minderung in Höhe eines Tagesreisepreises in Höhe von 205,64 Euro (2.262 Euro: 11 Tage) für angemessen.

Die Richterin sprach ebenfalls in Höhe von 205,64 Euro Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit zu. Sie minderte jedoch den daneben geforderten Ersatz der durch den Ersatzflug entstandenen Schadens von insgesamt 881,50 Euro um 50 Prozent.

Klägerin hätte selbst das Verpassen des Fluges verhindern müssen

Die Klägerin treffe ein erhebliches Mitverschulden daran, dass sie zu spät zum Check-In am Schalter eintraf. Selbst wenn der Veranstalter beziehungsweise die Fluggesellschaft keinen hinreichenden Aufruf für den Flug nach Antalya vorgenommen habe, hätte sie selbst tätig werden müssen, um ein Verpassen des Fluges zu verhindern.  Die Richterin legte ihr Verhalten als grobe Sorgfaltspflichtverletzung in eigenen Angelegenheiten aus, da sie sich sorglos in eine Warteschlange stellte und sehenden Auges den gebuchten Flug verpasste, ohne auch nur einmal eine Nachfrage zu stellen.