Mit Kind und Kegel nach Dhaka
Am Morgen des 24. April 2013 erhielt Magnus Schmid einen Anruf von Gewerkschaftsführerin Nazma Akter; etwas Schreckliches sei passiert: „Ein Gebäude mit fünf Fabriken in der Nähe von Dhaka ist eingestürzt, es gibt bereits acht Tote.“ Niemand konnte zu der Stunde ahnen, dass später über 1.100 Menschen, meist Frauen, die Katastrophe nicht überleben. Hunderte erlitten schwere Verletzungen, viele verloren einen Arm, ein Bein oder ihre Sehkraft.
Am Unglückstag spricht Schmid mit dem Chef der Feuerwehr, Ali Ahmed. Die zwei kennen sich gut, denn die Feuerwehr unterstützt das GIZ-Team bei Brandschutzseminaren für Textilfabriken. Ein paar Stunden später erhalten die Rettungskräfte von Schmid und Co. Wasser, Kekse und Dutzende von Taschenlampen, wenig später noch eine Wärmebildkamera, um Verschüttete aufzuspüren. Solch eine Kamera ist in Bangladesch eine Rarität. Die GIZ nutzt sie sonst, um lokale Berater im Bereich Energie-Effizienz in Fabriken auszubilden.
Mit 2,5 Millionen Euro vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) hilft das GIZ-Team nicht nur bei der medizinischen Behandlung der Unglücksopfer. „Wir fördern mit unseren Partnern berufliche und soziale Rehabilitierung, Umschulung, Jobvermittlung, barrierefreie Arbeitsplätze und kleine Existenzgründungen“, erläutert Schmid.
Magnus Schmid und Nazma Akter arbeiten seit zwei Jahren zusammen. Er leitet für die GIZ das Programm zur Förderung von Sozial- und Umweltstandards in der Textilindustrie und kooperiert eng mit der Awaj Foundation, die von der Gewerkschafterin gegründet wurde. „Gemeinsam betreiben wir 18 Frauencafés in Dhaka“, sagt der Bayer.
Er besucht heute solch einen Treff am Stadtrand von Dhaka. Drei Dutzend Arbeiterinnen sitzen in zwei schlichten Räumen auf Matten und Tüchern. Eine unterrichtet über die Bezahlung von Überstunden und Arbeitszeiten. In einem Nebenraum spielen Arbeiterinnen „Parcheesi“, eine Version von „Mensch ärgere Dich nicht“. Der Deutsche setzt sich dazu. Es wird gekichert, diskutiert und gelernt. Wer auf ein Feld mit Fragezeichen rückt, sollte sich im Arbeitsrecht ein bisschen auskennen. Denn wer falsch antwortet muss einmal beim Würfeln aussetzen. Das Spiel ist Teil des Trainings für die Frauen, die auch lernen, sich zu artikulieren und dem Chef gegenüber selbstbewusster aufzutreten.
11-Jährige, die für einen Hungerlohn in der Textilfabrik schuften
„Wir haben einiges erreicht, auch Lohnerhöhungen, Frauen in höheren Positionen, Unterstützung durch Rechtsanwälte“, sagt Nazma Akter. Sie musste als 11-Jährige, als Kinderarbeit noch nicht verboten war, für einen Hungerlohn in einer Textilfabrik schuften. Auch heute gebe es noch Eigentümer, die sich nicht um die Sicherheit kümmern. Brennende und einstürzende Fabriken mit vielen Toten machen dann Schlagzeilen. Schmid sieht nach vorn: „Trotz vieler Probleme – es gibt Fortschritte auch bei Sicherheit und Arbeitsbedingungen.
In ein paar ruhigen Minuten erzählt der 43 Jahre alte Diplom-Agraringenieur aus seinem Leben: „Meine Familie gibt mir den nötigen Rückhalt für meinen Job, besonders auch in so schrecklichen Tagen wie im April.“ Der gebürtige Rosenheimer lebt mit seiner Ehefrau aus Hamburg und den drei Kindern im Alter zwischen 5 und 13 Jahren in der schnell wachsenden 15-Millionen-Metropole Dhaka. Vom Appartement der Schmids in einem Viertel mit Ausländern und Geschäftsleuten sind GIZ-Büro, Schule und Kindergarten nicht weit.
Schmid mag seinen Job. „Es ist wichtig, die Menschen in diesem armen Land zu unterstützen. Das liegt mir am Herzen.“ Sein Vater arbeitete viel im Ausland. So kam der Junior mit zehn Jahren nach Chile. „Das Leben dort hat mir wichtige soziale Impulse gegeben.“ Für die GIZ war Schmid bereits in Lateinamerika, Afrika und Asien aktiv. Er hat zum Beispiel Gemüsekooperativen in Guatemala beraten, für Bauern im Jemen Radiosendungen organisiert und in Angola geholfen Panzer- zu Traktorfahrern umzuschulen.
Heute freut er sich, dass es bei den Textilarbeiterinnen in Bangladesch langsam vorangeht. Durch die Arbeit von Multiplikatoren, durch Seminare, Trainingskurse und Fortbildung konnte der Dialog zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen auch in Konfliktfällen verbessert werden. „In bisher 450 Fabriken mit über 500.000 Beschäftigten hat dies für Verbesserungen gesorgt“, zieht Schmid Bilanz. Michael Meyer
Quelle: Themeservice GIZ
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