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Expat-Bericht: Netzwerke für Deutsche in São Paulo

Mitte Januar 2011 wurde es konkret: Ich hatte das elektronische Ticket für meinen Flug nach São Paulo erhalten. Schon in wenigen Wochen würde ich ein neues Leben beginnen. In der letzten Januarwoche wurden meine Umzugsgüter in den Überseecontainer eingeladen und weitere zwei Wochen später flog ich in die Megacity – mit drei Kontakten im Gepäck.

Mein Vater hatte einen Kontakt, der beruflich interessant sein könnte, vermittelt. Über eine Freundin meiner Mutter hatte ich bereits im November Tereza, die brasilianische Ehefrau des deutschen Cousins ihres Mannes, kennen gelernt. Auch mit zwei Maklerinnen stand ich in Verbindung, einer Deutschen, die vor vielen Jahren schon nach Brasilien ausgewandert war, und einer Deutsch-Brasilianerin, mit der ich über die Freundin einer Freundin in Kontakt gekommen war.

Darauf galt es, aufzubauen. Ich recherchierte viel in diesen ersten Tagen in der Megacity und wurde auf der Startseite des Generalkonsulats São Paulo fündig: „Deutschsprachiger Treffpunkt – Wir sind eine internationale deutschsprachige Gruppe. Einige von uns leben erst seit kurzem in São Paulo, andere schon seit vielen Jahren. Durch eigene Erfahrungen wissen wir, mit welchen Fragen und Schwierigkeiten man sich im Ausland konfrontiert sieht und helfen Euch gerne mit persönlichen Tipps.“

Volltreffer! New York hatte ich mir 14 Jahre zuvor problemlos selbst erschlossen. Doch dass São Paulo nicht New York ist, spürte ich schnell, auch, da ich gerade erst damit begonnen hatte, Portugiesisch zu lernen. Ein Erfahrungsaustausch und weitere Kontakte könnten nur hilfreich sein.

Mein erstes Treffpunkt-Frühstück sollte im hiesigen Kolpinghaus, das mich optisch sehr an sein New Yorker Pendant erinnerte, stattfinden. Seit wann ich denn in São Paulo sei, wollten die vier Teilnehmerinnen, bei denen ich saß, sofort wissen. Auch, was mich in die Megacity verschlagen habe. Die Geschichte war schnell erzählt, denn schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt erst gerade einmal viereinhalb Wochen im Land.

 Checkliste für Neulinge

Als hätte ich auf einen unsichtbaren Knopf gedrückt, wurde nun die Checkliste für Neulinge abgearbeitet. In welchem Hotel wir untergebracht seien und ob wir bereits einen Makler hätten, wurde erfragt. Ich fasste den aktuellen Stand zusammen und stellte an den Reaktionen erleichtert fest, dass wir intuitiv alles richtig gemacht hatten.

Welche Sicherheitsanforderungen die Unternehmen in der Regel an den Wohnort ihrer Mitarbeiter stellten, war mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, da wir keinerlei diesbezügliche Anweisungen erhalten hatten. Am Condomínio Fechado, einem geschlossenen Wohnkomplex aus Einzel- oder Apartmenthäusern, so berichteten die Damen, führe kein Weg vorbei. Auch in diesem Punkt gab es keine Beanstandungen.

Wie es denn um unseren Container stünde, wurde ich gefragte. Als ich erklärte, dass wir mit dessen Ankunft im April oder Mai rechneten, waren die Damen alarmiert. Auch wenn die Auslieferung bereits fest terminiert sei, könne ich nicht davon ausgehen, dass diese vereinbarungsgemäß erfolgen würde. Dies belegten zwei Leidgeprüfte anhand ihrer eigenen Containergeschichte. Hier müssten wir uns wohl auf einiges gefasst machen, notierte ich mental.

Was es bedeutet, mit Kindern in der Megacity zu leben, war für mich, die ich mich für den Beruf und gegen Kinder entschieden hatte, genauso interessant, wie zu erfahren, wie meine Gesprächspartnerinnen mit ihrer Entscheidung gegen die Berufstätigkeit umgehen und wie ihre Strategien für die Zeit nach ihrer Mutterschaft aussehen.

Geballtes Wissen erfahrener Auswanderer

Geballtes Wissen prasselte auf mich ein. Ich erfuhr, dass aus dem Treffpunkt, in dessen Rahmen von Zeit zu Zeit im Anschluss an das gemeinsame Frühstück, Vorträge zu zielgruppenrelevanten Themen gehalten würden, eine Krabbelgruppe, ein Spielplatztreff, ein monatlicher Stammtisch und ein Lesetreff entstanden seien und ließ mich sogleich auf drei Verteiler setzten. Um viele Informationen und Einschätzungen reicher, verließ ich das Treffpunktfrühstück.

Noch am gleichen Tag erhielt ich die erste über einen der Verteiler gesendete Mail und war glücklich, dass ich auf den Treffpunkt gestoßen war, denn auch die vielen Mails, die mich über die Monate erreichten, waren und sind hilfreich. Von den Verkaufslisten derjenigen, die Brasilien wieder verlassen, über Veranstaltungshinweise bis hin zu Personalempfehlungen reicht das inhaltliche Spektrum der Mails, die über die beiden großen Verteiler des Treffpunkts und des Stammtischs jeweils über 200 Empfänger erreichen.

Doch dabei sollte es nicht bleiben: Seit 18. April 2012 ist der Treffpunkt bei Facebook und betreibt, inspiriert durch “The International Newcomers Club of São Paulo (INC)”, eine geschlossene Gruppe, der bislang 151 Mitglieder durch eine kurze Anfrage an die Gruppengründerin beigetreten sind.

Hilfreiche Empfehlungen auf Facebook

Wer einen Arzt – welcher exotischen Fachrichtung auch immer – oder ein Reiseziel für den nächsten Urlaub sucht oder sich über Möglichkeiten des Geldtransfers zwischen Brasilien und Deutschland orientieren möchte, wird hier nach kürzester Zeit zahlreiche hilfreiche Empfehlungen erhalten, ebenso wie derjenige, der sich weiterbilden, einen bestimmten Kurs machen oder sich ehrenamtlich engagieren möchte.

Zuverlässige Elektriker, liebevolle Babás (Kinderfrauen), zuverlässige Haushaltshilfen oder hochspezialisierte Sprachlehrer, die Kinder und Erwachsene in Portugiesisch, Chinesisch oder Latein unterrichten werden, werden hier gehandelt, neben feinstem Interieur, banalen Kühlschränken, neuwertigen Sportgeräten oder kompletten Kinderausstattungen.

Dass eine Anfrage unbeantwortet bleibt, kommt praktisch nie vor. Irgendeinem Mitglied fällt immer etwas ein.

Die Autorin:

Esther K. Beuth-Heyer (44) ist freie Journalistin und PR-Expertin. Sie lebt mit ihrem Mann seit Februar 2011 in São Paulo und schreibt eine regelmäßige Kolumne über ihren Auslandsaufenthalt.

Foto: © Foto-Ruhrgebiet – Fotolia.com