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Welche Bilder von China die Deutschen hatten und haben

Betrachtet man die deutsche Chinawahrnehmung ab dem 20. Jahrhundert, lassen sich drei Hauptströmungen ausmachen, die größtenteils negativer Natur waren. Weiterhin wurde die „Gelbe Gefahr“ heraufbeschworen, da das chinesische Massenvolk ins Ausland ströme oder wenigstens daheim die Ressourcen der Welt verbrauche.

Von der Gelben zur Roten Gefahr

Seit Gründung der Volksrepublik China, im Deutschen auch „Rotchina“ genannt, wurde ferner vor einer kommunistischen Bedrohung gewarnt. Diese Tendenz wurde durch die Position Deutschlands im Spannungsfeld zwischen den Großmächten Russland und Amerika in der Folgezeit angeheizt, ließ dann zeitweilig nach, verschwand indes niemals ganz.

Mao-Bibel einst auch in Deutschland sehr beliebt

Skurril wirkt dabei die Tatsache, dass sich viele Deutsche in der Studentenbewegung der 1968er mit der Mao-Bibel ausrüsteten, da sie auf die Umsetzung idealer politischer Verhältnisse in der chinesischen Ferne hofften. Heute gibt das freilich kaum jemand in Deutschland zu – hier und da taucht dennoch ein Foto mit der Bibel auf.

Angst und Euphorie angesichts Chinas Wirtschaftsmacht

Ein weiteres Gefahrenpotenzial wird bis heute in Chinas wirtschaftlichem Einfluss gesehen. In jüngerer Zeit wurde dies im Bereich der grünen Energie sehr deutlich, als man China, das lange als Werkbank einfacher Billigprodukte gesehen wurde, für den Niedergang der deutschen Solarbranche verantwortlich machte.

Das Angstbild einer wirtschaftlichen Übermacht Chinas geht in seinen Grundzügen bis in die Reform- und Öffnungsphase der Volksrepublik zurück. In Deutschland wechselte sich die Angst auch regelmäßig mit Euphorie ab, weil deutsche Wirtschaftsakteure in hohem Maße am chinesischen Wachstum teilhatten und -haben.

Medien mit Reizthemen und Tunnelblick bei China

Westliche Medien reproduzieren, variieren und multiplizieren heutzutage diese drei farbenfrohen, aber letztlich doch düsteren Gefahren, mit denen China in Verbindung gebracht wird. Die deutsche Berichterstattung ist in den letzten Jahren zwar vielseitiger und ausgewogener geworden, dennoch bleiben Informationen über China sehr selektiv mit einem Hang zur Ablehnung.

Dies ist nicht nur deshalb tragisch, weil dem Reich der Mitte damit ein Negativklischee anhaftet, das oftmals nicht ganz – und manchmal überhaupt nicht – gerechtfertigt ist. Dass die so genannten Qualitätsmedien in Deutschland auf den alteingetretenen Pfaden der Chinakritiker mitsamt den üblichen Reizthemen marschieren, ist aus einem weiteren Grund bedauerlich: Dadurch wird häufig versäumt, auf diejenigen Probleme und Entwicklungsfelder in China einzugehen, die weitaus aktueller sind und mittlerweile in den chinesischen Medien offener diskutiert werden.

Der Autor:

Jones Polfuß ist interkultureller Trainer und Berater für China und Dozent am Institut für Sinologie und Ostasienkunde an der WWU Münster.

www.interculturecapital.de

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Foto: © Jonas Polfuß