Die richtige Schule für Expat-Kinder finden
Fragen des Familienmanagements werden von den meisten Unternehmen bislang nur stiefmütterlich behandelt – zu Unrecht. Dabei ist der Zusammenhang zwischen der Effizienz der Arbeit im Ausland und privater Harmonie in der Praxis greifbar und in der Theorie durch zahlreiche Studien belegt.
Zeit und Geld sind wie so oft die treibenden Faktoren, die auch die Entsendepraxis der meisten international tätigen Unternehmen prägen – und immer steht von beidem zu wenig zur Verfügung. Zu oft fällt die Entscheidung für eine Entsendung kurzfristig, so dass die Zeit für die nötigsten Anträge und Formalitäten, die Vertragsgestaltung und für individuelle Absprachen eng wird. Persönliche Bedürfnisse mit der begleitenden Familie zu besprechen, ist im engen Zeitplan schlichtweg nicht mehr unterzubringen.
Auslandsentsendungen scheitern, wenn die Familie sich nicht wohlfühlt
Auslandseinsätze sind kostspielig. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass 53 Prozent der Unternehmen die größte Herausforderung im Kostenmanagement der Entsendung sehen. Trotz der Kosten zahlt es sich doppelt aus, sich im Vorfeld der Entsendung insbesondere auf die Familien zu konzentrieren und familiäre Herausforderungen des zu entsendenden Mitarbeiters rechtzeitig anzusprechen. Dies belegen die Ergebnisse einschlägiger Studien wie beispielsweise der jährliche Brookfield Report „Global Relocation Trends“, „A Global Talent Mobility Study“ von Towers Watson oder auch „Trends in Global Relocation“ von der Cartus Cooperation.
Nach aktuellen Erhebungen scheitern gut fünf Prozent aller Entsendungen, weitere sechs Prozent werden vorzeitig beendet. Die Kosten einer fehlgeschlagenen Entsendung belaufen sich etwa auf das Vierfache eines Jahresgehalts des betreffenden Mitarbeiters. Daneben sind weitere Schäden durch ineffektive Arbeit vor Ort, verzögerte Arbeitsprozesse, entgangene Geschäftschancen oder zukünftig erschwerte Geschäftsbeziehungen ebenfalls einzubeziehen. Die größte Gefährdung der Entsendung liegt in allen kritischen Phasen in den familienbezogenen Themen. Mit 89 Prozent schlagen insbesondere die Bildungschancen der Kinder im Ausland zu Buche.
Die Bildungslaufbahn der Kinder ist eine der wichtigsten Sorgen der Eltern. Einige Relocation-Dienstleister vermitteln war Schulen vor Ort, die wenigsten können jedoch eine wirkliche Bildungsstrategie für die betroffenen Kinder anbieten.
141 deutsche Auslandsschulen in 72 Ländern
Eine naheliegende Bildungsmöglichkeit sind die Deutschen Auslandsschulen. Aktuell gibt es 141 deutsche Schulen in 72 Ländern, zumeist in alteingesessenen Handelsmetropolen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Kind wird in seiner Muttersprache unterrichtet, das Curriculum richtet sich nach den Vorgaben der deutschen Kultusministerien, die Zeugnisse werden in Deutschland anerkannt und somit ist eine Wiedereingliederung in das deutsche Schulsystem in der Regel problemlos möglich. Die Kosten des Schulbesuchs liegen etwa zwischen 4.000 und 12.000 Euro pro Schuljahr. Leider ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass im Einsatzort keine Deutsche Schule in zumutbarer Entfernung vorhanden ist.
Internationale Schulen verlangen hohe Gebühren
Die gängige Option im Rahmen von Entsendungen ist der Besuch einer internationalen Schule, derzeit 6.641 mit englischsprachigem Unterricht weltweit. Diese Schulen bieten eine westliche Pädagogik und ein dem deutschen Standard vergleichbares Unterrichtsniveau, leiden jedoch chronisch an einer hohen Fluktuation der Schüler- und Lehrerschaft. Nicht selten trifft man dort die Kinder der Oberschicht des Gastandes an; manche dieser Schulen haben ihr internationales Gesicht mit bis zu 80 Prozent Einheimischer weitgehend verloren. Die Schulgebühren liegen üblicherweise im fünfstelligen Bereich und gehören damit zu einer der teuersten Optionen.
Alternativ kann auch eine lokale Schule in Betracht gezogen werden, wenn deren Unterricht akzeptabel ist. Vor allem Kindern im Grundschulalter gelingt es dort leicht, einheimische Freunde zu finden und Kultur und Sprache des Gastlandes kennenzulernen. Dauerhafte Beziehungen sind dort wahrscheinlicher als an internationalen oder deutschen Schulen. Es empfiehlt sich allerdings im Voraus genau zu prüfen, inwieweit Curriculum und Schulethos deutschen Erwartungen entsprechen.
Foto: ludi auf pixabay.com
Alternative Schule mit Fernunterricht
Insbesondere in entlegenen Regionen oder schwach entwickelten Gebieten sind geeignete Schulen oft nicht zu finden. Die Zentrale für Auslandsschulwesen empfiehlt Fernunterricht als familienfreundliche und qualitativ hochwertige Bildungsalternative und verweist auf die Deutsche Fernschule (Vorschule bis Klasse 5) und das Institut für Lernsysteme (Klassen 5 bis Abitur). Beide Organisationen bieten einen staatlich zertifizierten Fernunterricht für alle Schulfächer an.
Das Institut für Interkulturelles Management (IFIM) weist darauf hin, dass heimatbezogenes Wissen für eine spätere Rückkehr in das deutsche Schulsystem oft vernachlässigt wird. Gemeint sind altersgerechte Kenntnisse der deutschen Geschichte, Politik oder Geographie. Auch bleibt die deutsche Sprache bei Kindern im Vor- und Grundschulalter nicht automatisch erhalten, wenn nur in der Familie Deutsch gesprochen wird. Ein ausreichender Wortschatz und die Schriftsprache werden gar nicht erlernt oder verlieren sich nach wenigen Jahren, was bei der Rückkehr nach Deutschland zu Problemen führt.
Deutsch als Schulfach kommt im Ausland oft zu kurz
Der Deutschunterricht an internationalen Schulen oder in lokalen Vereinen ist nicht auf Muttersprachler ausgerichtet, daher ist es sinnvoll das Fach Deutsch im Ausland über Fernschulkurse abzudecken, die sich an den Vorgaben der Kultusministerien orientieren. So kann sichergestellt werden, dass sich die Kinder auf dem gleichen schulischen Niveau bewegen wie ihre Alterskameraden in deutschen Schulen. Die Fähigkeit, ihrem Alter entsprechend in der deutschen Muttersprache sicher kommunizieren und sich auch schriftlich altersgerecht und fehlerfrei ausdrücken zu können, ist für eine gelungene Rückkehr in die deutsche Schule das Wichtigste.
Fazit: Ein kluges Familienmanagement mag die Anfangsinvestition eines Auslandseinsatzes geringfügig erhöhen, spart jedoch über die gesamte Laufzeit der Entsendung betrachtet bares Geld und stärkt zudem das Image und die Attraktivität des Unternehmens.
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Lesetipps:
Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor (BMFSFJ 2008) Siehe auch die Website http://www.erfolgsfaktor-familie.de/
Betram, Christoph: Einbeziehung der Familienangehörigen bei Entsendung –
Modelle der SCHERING-Gruppe. In: Familie und Mobilität 2002, S. 84
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Die Autoren:
Georg A. Pflüger ist Geschäftsführer und Schulleiter der Deutschen Fernschule e.V..
E-Mail: pflueger@deutsche-fernschule.de
Ilonka Sposato ist verantwortlich für das Marketing der Deutschen Fernschule e.V..
E-Mail: sposato@deutsche-fernschule.de
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Titelfoto: White77 auf pixabay.com