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Die Prozesse für China-Entsendungen müssen regelmäßig angepasst werden

Mehr als fünf Jahre alt ist Chinas neues Sozialversicherungsgesetz nun schon. Nach anfänglicher Unsicherheit bei entsendenden Unternehmen besteht inzwischen mehr Klarheit hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die ausländische Expatriates haben. Omer Dotou, Sozialversicherungsexperte der BDAE GRUPPE erläutert im Interview unter anderem wie das Antragsverfahren in China funktioniert und welche Folgen falsche Sozialversicherungs­bescheide haben.

Expat News: Was müssen Unternehmen, die Mitarbeiter ins Reich der Mitte entsenden, in punkto Sozialversicherungsrecht beachten?

Dotou: Grundsätzlich gelten die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nur für in Deutschland ausgeübte Beschäftigungen. Der Arbeitgeber hat dabei die Pflicht, die Arbeitnehmer zur Sozialversicherung zu melden. Dies regelt Paragraf 28a Viertes Buch des Sozialversicherungsgesetzes (SGB IV). Bei zeitlich befristeten Beschäftigungen in China bedeutet dies für Personalverantwortliche, dass sie dazu verpflichtet sind, den rechtlichen Verbleib der Mitarbeiter in ihre bestehende Sozialversicherung zu klären. Die Herausforderung der entsendenden Unternehmen besteht darin, ein gelungenes Antragsverfahren bei den entsprechenden Sozialversicherungsträgern einzuleiten und den bestehenden Sozialversicherungsstatus der Mitarbeiter zu wahren. Im Klartext heißt das: dafür zu sorgen, dass die entsandten Mitarbeiter im Idealfall weiterhin in Deutschland sozialversichert bleiben können.

Auf der chinesischen Seite unterliegen allerdings seit 2011 erstmals auch alle ausländischen Arbeitnehmer, die in der Volksrepublik China rechtmäßig arbeiten und im Besitz einer Arbeitserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis sind, der Versicherungspflicht. Dafür sorgt das chinesische Sozialversicherungsgesetz (Social Insurance Law of the People’s Republic of China), das neben lokal angestellten ausländischen Arbeitnehmern auch nach China entsandte Arbeitnehmer erfasst. Die Tatsache, dass die Höhe der chinesischen Sozialversicherungsbeiträge und das Anmeldeverfahren in den verschiedenen Städten und Regionen des Landes unterschiedlich geregelt sind, macht die Angelegenheit für ausländische Unternehmen besonders komplex.

Expat News: Sie sprachen vom Antragsverfahren bei den deutschen Sozialversicherungsträgern und vom Anmeldeverfahren bei den chinesischen Behörden. Was genau passiert da?

Dotou: Die meisten Mitarbeiter, die für den deutschen Arbeitgeber in China eingesetzt werden, möchten weiterhin in der deutschen Sozialversicherung bleiben. Um dieses Ergebnis zu erzielen, muss der Arbeitgeber entsprechende Anträge bei der Krankenkasse beziehungsweise bei privat versicherten Arbeitnehmern beim zuständigen Rentenversicherungsträger stellen. Diese Träger geben bei Vorliegen einer Entsendung nach deutsch-chinesischen Abkommen den Vordruck VCR/D 101 heraus, der in China den zuständigen Behörden vorgelegt werden muss. Dieser Vordruck wiederum dient dem Nachweis, dass der Mitarbeiter in Deutschland in der deutschen Renten- und Arbeitslosenversicherung verbleibt und somit von der chinesischen Renten- und Arbeitslosenversicherung befreit ist. Liegt keine Entsendung vor oder dauert der Aus­landseinsatz länger als 48 Monate, muss in einem vorgelagerten Schritt ein Antrag auf Ausnahmegenehmigung gemäß Artikel 8 des deutsch-chinesischen Sozialversicherungsabkommens bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung (DVKA) gestellt werden, damit dieses auch in solchen Fällen greift.

Das klingt zunächst einfach, die Antragspraxis der Unternehmen zeichnet allerdings ein ganz anderes Bild. Allein bei den Krankenkassen wird jeder zweite Antrag zur Prüfung der Entsendung mit unvollständigen oder unwissentlich fehlerhaften und für die Krankenkassen kaum überprüfbaren Angaben gestellt. Die daraus erlassenen Prüfbescheide sind in der Konsequenz ebenso fehlerhaft wie die Anträge, allerdings ist ihr Regelungsinhalt für alle Betroffenen rechtlich bindend.

Bei der lokal zuständigen chinesischen Be­hörde müssen deutsche Unternehmen einen entsprechenden Antrag unter Vorlage des Vordrucks VRC/D 101 innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erhalt der Arbeitserlaubnis stellen. Eine rückwirkende Befreiung von der Entrichtung der Beiträge in die chinesische Renten- und Arbeitslosenversicherung mit Beginn der Beschäftigungsaufnahme ist nur unter dieser Voraussetzung möglich. Wird diese Frist versäumt, wirkt die Befreiung erst vom Tag der Vorlage des Vordrucks VRC/D 101 an. Eine Rückerstattung der bereits abgeführten Beiträge zur chinesischen Renten- und Arbeitslosenversicherung ist ausgeschlossen.

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Expat News: Viele Entsendungen oder Verlängerungen werden kurzfristig geplant. Wie lange wartet man denn in der Regel auf den Bescheid, ob eine Ausnahmevereinbarung zustande kommt oder nicht?

Dotou: Das kann leider niemand pauschal beantworten und ist sehr unterschiedlich. Nicht zuletzt hängt dies auch von den Angaben ab, die im Antragsformular gemacht werden. Je genauer die Angaben, desto eher kommt der Bescheid. Ansonsten muss man mit Nachfragen rechnen, die das Verfahren in die Länge ziehen. In unserer Beraterpraxis haben wir außerdem die Erfahrung gemacht, dass über kürzere Einsätze schneller entschieden wird als über längere. In einem Fall mussten wir tatsächlich acht Monate auf einen Bescheid warten, der letzten Endes glücklicherweise positiv war.

Expat News: Wenn ein Unternehmen damit rechnen muss, mehrere Monate auf einen Bescheid zu warten, wie wird ein nach China entsandter Mitarbeiter in der Zwischenzeit sozialversichert?

Dotou: Grundsätzlich empfehlen wir rechtzeitig zu prüfen, inwieweit für den Mitarbeitereinsatz in China die Voraussetzungen der Entsendung erfüllt werden und, wenn nötig, rechtzeitig den Antrag auf Ausnahmegenehmigung zu stellen. Häufig wird der entsandte Mitarbeiter weiterhin auf der deutschen Payroll geführt. Dies führt dazu, dass viele Unternehmen die Beiträge für die deutsche Renten- und Arbeitslosenversicherung weiterhin abführen während das Antragsverfahren in der Schwebe ist. In der Praxis hat sich gezeigt, dass dies ein gangbarer Weg ist. Inwiefern die Unternehmen parallel die Beiträge in China abführen, ist zum einen Unternehmensentscheidung und zum anderen kann es auch von der jeweiligen chinesischen Provinz abhängen, inwieweit allein eine Kopie der Antragsstellung auf Ausnahmegenehmigung und nicht der endgültige Bescheid ausreicht, um zunächst von der Beitragszahlung befreit zu werden.

Expat News: Welche Konsequenzen hat ein negativer Bescheid?

Dotou: Zusätzlich zu den nicht vom Abkommen erfassten Sozialversicherungszweigen müssen die Personalverantwortlichen den Mitarbeiter auch in die chinesische Renten- und Arbeitslosenversicherung integrieren und die entsprechenden Beiträge zahlen. In Deutschland fällt der Mitarbeiter somit komplett aus dem Sozialversicherungssystem. Dies bedeutet, dass das Unternehmen diese Beiträge in China dann auch rückwirkend leisten muss, sofern es dies während des schwebenden Verfahrens nicht bereits getan hat.

Expat News: Was passiert mit den Beiträgen, die an die Renten- und Arbeitslosenversicherung während des schwebenden Antragsverfahrens in Deutschland abgeführt wurden?

Dotou: Die Beiträge können auf Antrag zurückgefordert werden. In der Rentenversicherung empfiehlt sich, den Antrag auf Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Arbeitnehmer im Ausland nach Paragraf 4 Absatz 1 SGB VI zu stellen, sofern diese Möglichkeit bei der Antragsstellung bereits berücksichtigt wurde.

Expat News: Und was passiert mit der Arbeitslosenversicherung?

Dotou: Das ist eine sehr gute Frage, die uns auch länger beschäftigt hat. Denn es gibt keine Möglichkeit im Antragsformular, um nach längerer Wartezeit immer noch fristwahrend die gezahlten Beiträge in Pflichtbeiträge umzuwandeln. Hinzu kommt, dass man innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Beschäftigung im Ausland den so genannten Antrag auf das Versicherungspflichtverhältnis (freiwillige Arbeitslosenversicherung) stellen muss. Wartet man also, wie in unserem Fall geschehen, acht Monate auf einen Bescheid, ist es dafür bereits zu spät. Bei einer privaten Lösung ist es dann Ermessensentscheidung, ob der Versicherer einen rückwirkend gegen die Arbeitslosigkeit versichert. Viele Arbeitgeber vereinbaren aber auch im Entsendevertrag, den Mitarbeiter nach seinem Auslandseinsatz mindestens 12 Monate wieder in Deutschland zu beschäftigen. Somit hat er dann seinen Anspruch auf Arbeitsförderung wieder erlangt. Ein gewisses Restrisiko bleibt dennoch, denn eine 100-prozentige Garantie kann kein Unternehmen geben, einen Arbeitnehmer nach einem Auslandseinsatz für ein Jahr wieder beschäftigen zu können.

Expat News: Haben Sie weitere Tipps im Umgang mit der Sozialversicherung bei Entsendung nach China?

Dotou: Ein Fehler, der häufig gemacht wird, ist die Annahme, dass die bloße Weiterzahlung ins deutsche Sozialversicherungssystem bedeutet, dass der Mitarbeiter auch während seines Einsatzes in China in Deutschland automatisch abgesichert ist. Wie eben erwähnt, ist dies leider nicht der Fall, und Personalverantwortliche müssen genau prüfen, welches Recht Anwendung findet und wie man den Mitarbeiter unter Umständen alternativ absichern kann.

Der betroffene Mitarbeiter verlässt sich häufig jedoch darauf, dass er komplett im deutschen Sozialversicherungssystem verbleibt. Nicht selten ist dies eine Grundvoraussetzung, damit die Beschäftigten überhaupt zu einem Auslandseinsatz bereit sind. Was wir in der Beratung häufig erleben, ist, dass der Mitarbeiter selten über seine Sozialversicherung informiert wird. Insbesondere wenn die Situation nicht komplett geklärt ist – zum Beispiel bei einem schwebenden Verfahren für die Ausnahmegenehmigung – wird der Mitarbeiter im Dunkeln gelassen. Das läuft dann problemlos, wenn der Bescheid positiv ist. Ist dieser negativ und es ändert sich die Situation für den Entsandten, gerät der Arbeitgeber in Erklärungsnot. Nicht selten führt dies zu unangenehmen Situationen zwischen potenziellem Expat und Unternehmen. Wir empfehlen daher, den Mitarbeiter mit Hilfe von Beratern so gut es geht aufzuklären und auf dem Laufenden zu halten.

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Omer Dotou WebOmer Dotou Leiter
Unternehmensberatung Internationale Mitarbeiterentsendung bei der BDAE GRUPPE

Tel.: +49-40-306874-45
E-Mail: odotou@bdae.com

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