Islam: Flirt mit Gottes Segen
»Ich danke Gott und muslima.com, dass ich die Liebe meines Lebens gefunden habe«, schreibt Ahmed aus den USA. Hasim aus der Türkei findet es interessant, eine Frau zu heiraten, die weder aus der Türkei kommt, noch Türkisch spricht: »Wir können zwar nicht miteinander sprechen, aber wir lieben uns«, schreibt er neben dem Foto, auf dem er seiner neuen Frau einen Kuss gibt. Auf unzähligen Datingseiten im Internet können sich Muslime von allen Kontinenten kennenlernen und verlieben. Und dafür sind diese Plattformen auch gedacht: für Menschen, die Sehnsucht nach Ferne und Lust auf Neues haben.
Weil der öffentliche Raum in vielen islamisch geprägten Staaten von konservativen Imamen und deren Anhängern kontrolliert wird, tummeln sich immer mehr Flirtwillige in virtuellen Chaträumen. Die Seite muslima.com ist dabei ein Angebot, das gut ankommt.
»Alle meine Freundinnen haben ein Profil dort«, erzählt Sana aus Marokko. Sie hat ihren Traummann schon gefunden. Ein Kurde aus der Türkei, der in Schweden lebt. Vielleicht ergibt sich eine Beziehung, vielleicht auch nicht: »Immer so eine Überraschungstüte, diese Männer aus dem Internet«. Schon drei Mal dachte Sana, sie hätte es geschafft, dass sie nur ein paar Klicks von ihrem Glück entfernt sei, doch drei Mal wurde sie enttäuscht. Ein Fall blieb ihr besonders in Erinnerung: »Es geht schnell und die Männer steigen ins Flugzeug, um sich die Mädchen anzuschauen«. Der gebürtige Iraker kaufte in den Niederlanden ein Ticket, kam nach Marokko, fand Sana nicht passend und zog weiter.
Männer zahlen, Frauen nicht
Die Dienste von muslima.com kosten – für den Seitenbetreiber ist es ein lukratives Geschäft. Wer jemanden anschreiben, Bilder oder fremde Kontaktdaten einsehen möchte, muss bezahlen. Der kostenlose Service ist eingeschränkt, zwei Mitglieder die nicht bezahlen wollen, können auch keine Kontaktdaten austauschen. Unter den Benutzern hat sich aber schnell eine Regel durchgesetzt: Männer bezahlen, Frauen nicht.
Dass Männer die Gebühren übernehmen, ist eine alte Tradition. Die Kupplerinnen in den Altstädten von Rabat, Kairo und Amman bekamen ihr »Zuckergeschenk« meistens von der Familie des Mannes. Allerdings hat es der alte Berufstand der Heiratsvermittlung schon seit langem schwer. Das Geschäft läuft schleppend, seitdem die Jugend angefangen hat, sich von den Eltern zu lösen. Traditionell hatten sich stets die Mütter bei den Agenturen nach dem heiratsfähigen Nachwuchs anderer Familien erkundigt. Ein Prinzip, dass mehr und mehr ausstirbt, seit sich junge Menschen auf dem Schulhof und in der Universität kennen lernen. Die Internetkonkurrenz ist da nur ein weiterer Nagel im Sarg.
Hinter der Seite muslima.com steckt ein australisches Startup-Unternehmen. Das Modell scheint aber nicht nur in islamischen Ländern zu funktionieren, so gibt es wahlweise auch koscheres oder bibeltreues Dating, Flirten für Hindus oder Bahai ist auch im Angebot des Unternehmens.
Halal oder haram, das ist hier die Frage
Die Euphorie um die neuen Möglichkeiten des Internets ist schnell einer Skepsis gewichen – zumindest bei denen, die sich für »wirklich gottesfürchtig« halten. Viele islamische Internetforen werden mit Anfragen zum Thema Onlinedating überflutet. Nachdem sich vermehrt populäre Geistliche negativ über das Phänomen geäußert hatten, verloren die meisten Portale Mitglieder, insbesondere solche, die sich selbst als konservativ beschrieben.
In einer Internet-Fatwa auf islamonline.net schrieb ein Rechtsgelehrter unter dem Namen Mufti Yussuf: »Es ist nicht Scharia konform, einen Menschen des anderen Geschlechts zu kontaktieren, egal, ob es auf der Straße, über das Telefon oder im Netz ist, außer man ist verheiratet.« Befeuert wird die Unsicherheit in der Community durch Dutzende Youtube-Videos, die Mädchen angeblich beim Flirten zeigten. Mitglieder der Chatportale sollen die Gespräche mitgeschnitten und sie anschließend – teils mit Namen und Telefonnummer der Gesprächspartnerin – bei Youtube veröffentlicht haben.
Sana kümmert das alles wenig. Sie ist glücklich mit ihrem neuen Mann, auch wenn er sie zunächst nicht mit nach Schweden, sondern nur zur Familie in die Türkei mitnahm. »Immerhin, die Türkei liegt in Europa, wir nähern uns der Sache«, kommentiert sie optimistisch.
Quelle: zenith BusinessReport
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