„In Südafrika lebt man im Hier und Jetzt“
Die Werbefilmproduzentin Anja Teufel wanderte vor vielen Jahren nach Südafrika aus, nachdem sie sich in das Land verliebte. Was sie an ihrer Wahlheimat Kapstadt schätzt und wie Auswanderer dort Fuß fassen können, erzählt sie im Interview.
EXPAT NEWS: Wann und aus welchen Gründen hat es Sie nach Südafrika verschlagen?
Teufel: Ich habe damals für die Plattenfirma EMI/Elektrola gearbeitet und bin als Kundenbetreuerin einer Künstlerin für einen Musikvideo-Dreh nach Südafrika geschickt worden. Das war im Jahr 2002. Ich habe mich sofort in das Land verguckt. Nach diesem Projekt ging es zurück nach Hamburg, wo ich bis dato lebte. Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht besonders glücklich mit meinem Job, deshalb bewarb ich mich kurzerhand bei der Firma, für die ich damals den Job in Südafrika gemacht hatte und wurde tatsächlich für eine Saison als Produzentin gebucht. Eine klassische Saison dauert in Südafrika ungefähr von November bis Mitte April.
Danach flog ich wieder zurück nach Hamburg und überlegte mir, wie es weitergehen sollte. Ich sagte mir, jetzt oder nie und bewarb mich erneut für einen Auftrag, so dass ich ein halbes Jahr später im Jahr 2004 nach Südafrika auswandern konnte. Arbeitstechnisch habe ich mich zum Glück schnell etablieren können, inzwischen arbeite ich als freie Line Producerin für Cyclone Films, ein Unternehmen, das internationale Werbefilme produziert.
EXPAT NEWS: Warum hat Sie das Land beziehungsweise Kapstadt, wo Sie jetzt leben, so »gepackt«?
Teufel: Die Menschen sind einfach lockerer und offener, sehr freundlich, zudem sind sie weniger statusbezogen als etwa in Deutschland. Und dann haben mich die vielen unterschiedlichen Kulturen wahnsinnig fasziniert. Südafrika ist von jeher ein »melting pot«. Dann hat Kapstadt einen immens hohen Freizeitwert. Aufgrund der Lage am Meer gibt es ein richtiges Strandleben und die Natur ist atemberaubend. Man kann wandern gehen und aufgrund des überwiegend schönen Wetters gibt es so viele Möglichkeiten, etwas draußen zu unternehmen. Die Lebensqualität ist dadurch ziemlich hoch, was ich sehr schätze.
EXPAT NEWS: Gibt es etwas, das Sie an Südafrika weniger mögen? Wie steht es etwa um die Kriminalität? Erst vor Kurzem sorgte der Mord an der Freundin des Paralympic-Siegers Oscar Pistorius für weltweite Schlagzeilen.
Teufel: Das war sehr tragisch, zumal ich dessen Freundin Reeva Steenkamp während eines Filmdrehs persönlich kennengelernt hatte. Eine sehr nette Person war sie. Man muss aber unterscheiden zwischen dem, was in den Medien regelrecht hochgepusht wird und wie die Realität aussieht. Südafrika hat ein Problem mit der Kriminalität – ohne Frage. Statistisch gesehen sind insbesondere die Townships, also die weiter außerhalb gelegenen ärmeren Gegenden betroffen. Ich selbst lebe seit Jahren in einer Mittelklassegegend. Ich habe keine hohe Mauer, die mein Haus abschirmt und bin bislang nie Opfer eines Überfalls geworden. Ich kann mich auch abends noch frei bewegen und fühle mich sicher. Aber ja, auch in meinem Umfeld habe ich es schon erlebt, dass Menschen ausgeraubt wurden. Wer in Kapstadt lebt, weiß mit der Zeit, wie man sich entsprechend verhält und bewegt. Es ist natürlich nicht empfehlenswert, Reichtum oder Schmuck zur Schau zu stellen, wenn man sich beispielsweise in Gegenden mit einer hohen Verbrechensquote bewegt. Alles in allem fühle ich mich überhaupt nicht bedroht.
Die Art der Berichterstattung über Südafrika in Deutschland ist oft sehr eindimensional. Ähnliches passiert allerdings auch in der internationalen Presse, wenn beispielsweise in Deutschland Neonazis Ausländer angreifen. Das gibt es und es ist schlimm, allerdings ist dies nicht repräsentativ für den Zustand eines ganzen Landes.
EXPAT NEWS: Wie empfinden Sie den Zustand Südafrikas?
Teufel: Diese Region ist nach wie vor die wirtschaftlich stärkste ganz Afrikas. Ich bin politisch sehr interessiert und informiere mich praktisch täglich über die Entwicklung des Landes. Was mich betrübt, ist die Tatsache, dass es trotz der wirtschaftlichen Stärke immer noch so viel Armut gibt. Und mittlerweile sind die Lebensmittelpreise deutlich gestiegen. Als ich vor mehr als zehn Jahren das erste Mal nach Kapstadt reiste, kostete ein Bier noch 7 Rand, inzwischen sind es etwa 18. Für Milch zahlte man 3 bis 4 Rand, heute schon 10. Ich frage mich, wie die arme Bevölkerung über die Runden kommt. Auch die Korruption grassiert weiter. Hier interessiert die meisten Menschen nicht, ob Politiker ehrlich und rechtschaffen sind. Das ist in Deutschland deutlich anders. Dort funktioniert die kontrollierende Macht der Medien immer noch sehr gut. Manchmal denke ich, dass es nicht schaden könnte, wenn neben der seit 20 Jahren amtierenden Partei ANC noch eine zweite starke Partei mit das Ruder übernehmen würde.
EXPAT NEWS: Warum?
Teufel: Der ANC ist traditionell die Partei der Schwarzen, die hier natürlich in der Mehrheit sind. Die Weißen sind eine sehr kleine Minderheit. Manchmal habe ich aber den Eindruck, der ANC verlässt sich zu sehr auf die »race card« und verspürt deshalb keinen besonders hohen Druck, seine Politik zu ändern. Es wundert mich, dass es noch keine Aufstände vom Kaliber des Arabischen Frühlings gegeben hat. Aber das spiegelt die Mentalität der Menschen wider. Südafrikaner sind sehr friedlich und geduldig. Dennoch frage ich mich, ob dies in Zukunft so bleibt.
EXPAT NEWS: Welche besonders augenfälligen interkulturellen Unterschiede nehmen Sie in Südafrika verglichen mit der deutschen Mentalität wahr?
Teufel: Mein Partner, der gebürtiger Südafrikaner ist, sagt oft zu mir, dass ich zu ernst sei und das Leben an sich viel zu ernst nehme. Auf den Punkt gebracht leben Südafrikaner im Hier und Jetzt und die Deutschen im Morgen. Unser Sicherheitsdenken ist viel ausgeprägter. Die meisten Südafrikaner haben zum Beispiel keine Krankenversicherung, es gibt auch keine Pflicht, sich abzusichern. Die Deutschen leben viel mehr in Sorge, vor dem, was kommen könnte. Wenn ich deutsche Nachrichten verfolge, fällt mir auf, dass diese grundsätzlich besorgter und negativer klingen als die News hierzulande. Das deutsche Sicherheitsdenken, die Gründlichkeit und Zuverlässigkeit wird hier einerseits sehr geschätzt. Dieses Feedback bekomme ich auch oft im Job. Auf der anderen Seite nervt es die Einheimischen auch manchmal und dann heißt es, man solle nicht alles zu genau nehmen.
Diese positive Herangehensweise gefällt mir aber sehr gut und die Praxis zeigt – denken Sie nur an die Fußball-WM 2010 – dass es irgendwie doch immer klappt. Und wenn auch nur auf dem allerletzten Drücker.
EXPAT NEWS: Haben Sie manchmal Heimweh nach Deutschland?
Teufel: Heimweh habe ich nur nach meinen Eltern und alten Freunden. Aber diese besuche ich einmal im Jahr für fünf bis sechs Wochen, meistens im deutschen Sommer. Und dann freue ich mich auf die gute schwäbische Küche, das tolle Angebot im Supermarkt – insbesondere die Milchprodukte wie Joghurt – und auf die deutsche Effizienz und Kompetenz.
EXPAT NEWS: Inwiefern?
Teufel: Man muss schon sagen, dass Deutschland etwa in bürokratischen Fragen sehr kompetent ist. Das merke ich immer wieder, wenn ich mit dem Flieger gelandet bin. Es soll nicht herablassend klingen, aber vor den deutschen Beamten habe ich schon Respekt. Man merkt, dass sie wissen, was sie tun und gut ausgebildet sind. Das kann man von den südafrikanischen Beamten nicht unbedingt behaupten.
EXPAT NEWS: Viele Deutsche träumen vom Auswandern nach Südafrika. Was empfehlen Sie diesen, damit der Traum erfolgreiche Realität wird?
Teufel: Nach meinen Beobachtungen gibt es hier zwei Typen von Auswanderern: Zum einen sehr wohlhabende Deutsche, die sich hier eine Immobilie zugelegt haben und sich darin niederlassen. Diese führen oft ein Leben wie in Deutschland. Sie bewegen sich fast ausschließlich in der deutschen Community, schauen deutsches Fernsehen und lesen deutsche Zeitungen.
Die zweite Variante des Auswanderns ist, als junger Mensch einen Job zu finden und sich hier ein Leben aufzubauen. Ich empfehle jedem, zunächst ein Praktikum zu absolvieren, um zu erkunden, ob einem Land und Leute liegen. Lediglich Urlaub zu machen, verschafft einem keinen realistischen Eindruck vom Leben. Es ist allerdings nicht leicht, einen festen Job zu finden, denn es gibt das sogenannte Black Economic Empowerment (BEE), eine Art Quote, bei der Schwarze bevorzugt eingestellt werden oder einen Studienplatz erhalten. Dessen sollte sich jeder potenzielle Südafrika-Einwanderer bewusst sein. Den besten Start hat man, wenn man von einer deutschen Firma mit einem deutschen Gehalt nach Südafrika entsandt wird.
Grundsätzlich empfehle ich wirklich jedem, zumindest einmal nach Kapstadt zu reisen. Es ist einfach die schönste Stadt Südafrikas. Sowohl aus architektonischer als auch aus landschaftlicher Sicht. Unser Haus ist etwa einen Kilometer vom West Coast Strand entfernt, von dem aus man auf den Tafelberg blickt. Es ist einfach traumhaft hier.
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Fotos: Anja Teufel, © herb-art – Fotolia.com