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Expat-Bericht: Kulinarisches aus Brasilien

São Paulo ist weltweit berühmt für seine kulinarische Vielfalt. Jeden Monat investieren die Paulistanos R$ 767 Millionen in Mahlzeiten außerhalb der eigenen vier Wände. Dies bedeutet, dass jeder Erwachsene im Durchschnitt R$ 91 pro Monat in den zahlreichen Restaurants der Megacity ausgibt.

Laut dem Marktforschungsunternehmen Scope Geomarketing, das im Herbst 2011 im Rahmen einer repräsentativen Umfrage 1.618 Menschen befragt hat, geht fast jeder vierte Bewohner der Hauptstadt mindestens einmal pro Woche zum Mittagessen ins Restaurant. Die Zahl derjenigen, die jeden Tag im Restaurant speist, soll bei 1,7 Millionen Menschen beziehungsweise 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung der Stadt liegen.

Heilige Mittagsmahlzeit

Gut erinnere ich mich daran, dass ich mich in den ersten Tagen nach meiner Ankunft in der Megacity gefragt habe, was die zahllosen Businessleute mitten am Tag auf den Bürgersteigen der Straße, an der unser Hotel gelegen war, verloren hatten. Bis sich mir erschloss, dass sie zum Essen pilgerten, denn an jedem Wochentag um die Mittagszeit wiederholte sich das Schauspiel.
Bereits nach einigen Wochen reihten auch wir uns in die große Schar der mittäglichen Pilger ein. Ein wahrer Genuss, nachdem ich aus Deutschland, wie so viele, nur den Snack am PC oder das eilige „Essenfassen“ in der Kantine gewohnt war.

Als wir vor etwas über einem Jahr endlich unser Apartment bezogen, hieß es auch, die Küche auszustatten. In den einschlägigen Fachgeschäften hatte ich bereits eine Vorauswahl an Haushaltsgeräten getroffen, die ich meinem Mann kurz vor dem Einzug präsentierte. Von einem schönen großen Kühlschrank über eine Spülmaschine, eine Waschmaschine mit Trockner bis hin zu einem Gasherd mit vier Flammen und Backofen reichte das Spektrum.

Mein Mann war soweit angetan. Doch die Auswahl des Herdes erschütterte ihn. Was wir denn mit diesem kleinen Herd anfangen sollten, wollte er wissen. Ich war nie eine Köchin gewesen und meinem Empfinden nach würde das ausgewählte Stück seinen Zweck erfüllen. Was soll man schon mit einem Herd tun? Lebensmittel erwärmen. Wer es denn mag, kann sicher auch damit kochen oder backen, dachte ich bei mir, während mein Mann das Sortiment an Gasherden studierte.

Ein Strahlen erfüllte sein Gesicht, als er die technischen Angaben des monströsesten aller im Geschäft ausgestellten Herde prüfte. „Den nehmen wir“, erklärte er entschlossen. Ich betrachtete das Monstrum, das neben vier durchschnittlich großen Flammen über eine riesige zentrale Flamme, einen Backofen und einen separaten Grill verfügte, eher unschlüssig, woraufhin mein Mann engagiert erklärte, dass wir nur mit einem Herd dieser Größenordnung Gäste anständig bewirten könnten. Solange er nicht von mir erwarte, dass ich zur Meisterköchin avanciere, könnte er jeden Herd dieser Welt kaufen, erklärte ich launig.

Kartoffelsuppe als Einstieg

Kurze Zeit später zierte das imposante Monstrum aus Chrom unsere Küche. Zugegeben, die Optik überzeugte mich und nicht nur mich. Meine Freundin Tereza war ganz begeistert von der Neuerwerbung. Wir sollten heute einmal kochen, erklärte sie. Was ich denn von Kartoffelsuppe hielte. Die sei ein hervorragender Einstieg in die Welt des Kochens. Meine Begeisterung hielt sich zwar in Grenzen, doch da selbst die Erledigung schnödester Alltagangelegenheiten mit Tereza stets kurzweilig gewesen war, ließ ich mich auf ihren Vorschlag ein.

Nachdem alle Zutaten eingekauft waren, machten wir uns ans Werk. Wenn es denn je eine mit dem Kochen verbundene Tätigkeit gegeben hatte, die ich mochte, dann war es die Vorbereitung der Lebensmittel. Mit Freude schälte ich Kartoffeln und Möhren. Während Tereza mit dem eigentlichen Prozess des Kochens beschäftigt war, notierte ich ihre Anweisungen. „Diese Suppe kannst Du ganz schnell und leicht einmal für Dirk vorbereiten“, erklärte sie schließlich, während wir die dampfende Delikatesse genossen. Grundsätzlich keine schlechte Idee. Eines Tages könnte ich dies sicherlich einmal tun.

Lieber gehe ich, wie die besagten 1,7 Millionen anderen Paulistanos, mittags zum Essen, denn das Rústico und das Mix, beides so genannte “restaurante de comida por quilo”, in denen die vielfältigen kulinarischen Köstlichkeiten nach Gewicht abgerechnet werden, bieten uns alles, was das Herz begehrt. Auch das Restaurante Uffizi, dessen Büffet mein Mann und ich in der Regel auf der schönen Sonnenterrasse genießen, besuchen wir häufig.

Einmal, an einem ganz besonders kalten Wintertag im vergangenen Jahr, als ich verbissen überlegte, wie mir wohl warm werden könnte, kam mir die Suppe wieder in den Sinn. Die könnte helfen. Vielleicht sollte ich es einfach wagen und versuchen, sie für mich und meinem Mann zum Abendessen zu kochen. Ich hatte nicht alle Zutaten und rief Tereza an, die mich ermutigte. Die wesentlichen Zutaten seien vorhanden, erklärte sie. Es könne also nichts schiefgehen. So dachte zumindest die vergleichsweise routinierte Köchin. Falsch gedacht! Die Suppe schmeckte nach nichts, nach wirklich gar nichts. Sollte unser Herd für ewig ein schönes Designobjekt bleiben?

Die Autorin:

Esther K. Beuth-Heyer (44) ist freie Journalistin und PR-Expertin. Sie lebt mit ihrem Mann seit Februar 2011 in São Paulo und schreibt eine regelmäßige Kolumne über ihren Auslandsaufenthalt.

Foto: © marilyn barbone – Fotolia.com