Deutschland macht Expats die Eingewöhnung nicht einfach
Der Ruf von Deutschland wird unter Expats zunehmend schlechter. Eine mangelhafte Willkommensstruktur sowie die schlechte digitale Infrastruktur sind zwei der Gründe, warum Deutschland in der aktuellen Expat Insider Studie von InterNations in den letzten Jahren viele Plätze einbüßen musste.
Expats in Deutschland machen sich zunehmend Sorgen um kulturelle Unterschiede, sprachliche Verständigungsschwierigkeiten und vor allem wegen der als unfreundlich wahrgenommenen Deutschen. Dies wirkt sich negativ auf ihre persönliche Zufriedenheit aus: Bei diesem Faktor liegt Deutschland mittlerweile unter den zehn Ländern mit den schlechtesten Bewertungen weltweit, wie die Expat Insider 2018 Studie von InterNations zeigt. Die Studie unter knapp 18.000 Teilnehmern bietet nicht nur eine ausführliche Analyse des Lebens im Ausland; sie enthält auch eine Rangliste von 68 Zielländern, die diverse Faktoren – zum Beispiel Lebensqualität, Arbeitswelt und Eingewöhnung im Gastland – miteinbezieht. Während Deutschland 2018 nur auf einem durchschnittlichen 36. Platz landet, sind Bahrain, Taiwan, Ecuador, Mexiko, Singapur, Portugal, Costa Rica, Spanien, Kolumbien und Tschechien am beliebtesten.
Deutsche Willkommenskultur lässt zu wünschen übrig
Seit einem guten 12. Platz (von 61 Ländern) im Jahr 2014 gibt es für Deutschland in der globalen Rangliste nur eine Richtung: abwärts. 2018 erzielt die Bundesrepublik mit Platz 36 (von 68) der Expat Insider 2018 Studie lediglich ein durchschnittliches Ergebnis. Dieser negative Trend spiegelt vor allem die stetige Verschlechterung beim Thema Eingewöhnung im Ausland wider: Auf Rang 66 hat Deutschland sich nun unter die Länder mit dem frostigsten Empfang für Expats eingereiht, gleich hinter der Schweiz (65) und knapp vor Saudi-Arabien (67) und Kuwait (68).
Demnach hat einer von drei Expats in Deutschland (34 Prozent) große Schwierigkeiten, sich an die deutsche Kultur zu gewöhnen (versus 21 Prozent weltweit); über der Hälfte (56 Prozent) fällt es schwer, einheimische Freunde zu finden (versus 36 Prozent weltweit), und fast zwei Drittel empfinden es als schwierig, die Landessprache zu erlernen (im Gegensatz zu knapp der Hälfte weltweit). Ein kanadischer Umfrageteilnehmer beklagt sich über „das fehlende Verständnis für die Vorteile einer multikulturellen Gesellschaft“, während ein Expat aus den USA Deutschland als „ein sehr kaltes und sozial isolierendes Land“ bezeichnet.
Zudem beschreiben nur 51 Prozent der Befragten die Haltung der einheimischen Bevölkerung gegenüber ausländischen Mitbürgern als freundlich – im Vergleich zu einem globalen Durchschnitt von 66 Prozent. Infolgedessen kann sich circa ein Drittel der Expats in Deutschland nicht mit der deutschen Kultur anfreunden; im weltweiten Vergleich trifft dies nur auf etwa ein Viertel aller Studienteilnehmer in Bezug auf die Kultur ihres jeweiligen Gastlandes zu.
Quelle: InterNations
Expats in Deutschland sind unzufrieden
Trotz der beeindruckenden Bewertungen für die Wirtschaftslage in Deutschland (Platz drei von 68), die sicheren Arbeitsplätze (Platz sieben) und ein bezahlbares Bildungswesen (Platz acht) scheint sich die unfreundliche Atmosphäre auf die persönliche Zufriedenheit der Expats mit ihrem Leben im Allgemeinen auszuwirken. Hier liegt Deutschland nun ebenfalls unter den zehn Ländern mit den schlechtesten Ergebnissen weltweit, zusammen mit Serbien, Ägypten, Finnland, Großbritannien, Dänemark, Schweden, Saudi-Arabien und Kuwait.
Deutschland rekrutiert IT-Experten, liegt aber bei der digitalen Infrastruktur doch weit zurück. Das beliebteste Tätigkeitsfeld für Expats in Deutschland ist dennoch die IT-Branche: Einer von fünf Befragten arbeitet in diesem Sektor, im Vergleich zu circa einem von acht Expats weltweit. Jedoch scheint sich dies (noch) nicht auf die digitale Infrastruktur auszuwirken: Hier liegt Deutschland lediglich auf Platz 53 von 68. Zum Beispiel ist es das einzige europäische Land unter den zehn Ländern weltweit, die beim Thema bargeldloses Zahlen besonders schlecht abschneiden. In Deutschland beschreiben dies ganze 35 Prozent der Expats als schwierig (versus 13 Prozent weltweit). Wie es ein australischer Studienteilnehmer ausdrückt: „Ich finde es sehr lästig, dass in Deutschland fast überall Bargeld bevorzugt wird.“ Das Fehlen von Anschlüssen mit hoher Internetgeschwindigkeit zu Hause sorgt auch für Ärger – hier erzielt Deutschland genauso schlechte Ergebnisse wie Südafrika oder die Türkei: Nur ungefähr drei von zehn Expats bewerten diesen Faktor mit der Bestnote, im Vergleich zu 41 Prozent weltweit.
Diese Ergebnisse aus der neuen Unterkategorie „Digitales Leben“ im Index für die Lebensqualität im Ausland haben sich stark auf Deutschlands Platzierung ausgewirkt. Nach einer leichten Verschlechterung von Platz fünf (2014) auf Platz zehn (2017) erreicht es dieses Jahr ein neues Rekordtief: Deutschland liegt beim Thema Lebensqualität nun auf Rang 26 von 68 – und das obwohl der hohe Lebensstandard traditionell einen der größten Anziehungspunkte für Expats darstellte.
Liebe als einer der Gründe für den Umzug ins Ausland
Im Ausland lebende Deutsche haben überwiegend ein hohes Bildungsniveau: Fast drei von fünf Expats aus Deutschland haben einen akademischen Abschluss für Postgraduierte (zum Beispiel Master, Diplom) oder einen Doktortitel (versus 48 Prozent weltweit). Dies scheint sie für eine erfolgreiche Karriere im Ausland zu prädestinieren: Ungefähr einer von sechs Deutschen hat einen Posten im Management inne. In dieser Gruppe arbeiten wiederum 84 Prozent im mittleren Management oder gar in der obersten Führungsebene. Die beliebtesten Tätigkeitsfelder für Deutsche im Ausland sind Produktions- und Ingenieurswesen (13 Prozent), IT (neun Prozent) und der Gesundheitsbereich (acht Prozent).
Interessanterweise sind die Karrierechancen im Ausland jedoch nicht der einzige wichtige Grund, warum Deutsche ihre Heimat verlassen: Mehr als ein Fünftel aller deutschen Expats nennt die Liebe als einen der Gründe für den Umzug ins Ausland – im weltweiten Vergleich sind es 17 Prozent. Über sieben von zehn deutschen Expats in einer Beziehung haben einen Partner mit einer anderen Staatsangehörigkeit und die meisten Deutschen in einer festen Beziehung (66 Prozent) lernten ihren Partner auch im Ausland kennen. Im globalen Vergleich trifft dies auf 57 Prozent beziehungsweise 51 Prozent aller Studienteilnehmer zu.
Expats sind in Bahrain am zufriedensten
Bahrain – der überraschende Gewinner im Jahr 2017 – verteidigt erfolgreich seinen ersten Platz: Sowohl beim Thema Arbeiten als auch bei der Eingewöhnung im Ausland liegt der kleine Golfstaat an der Weltspitze. Sieben von zehn Expats in Bahrain sind mit ihren Karrierechancen zufrieden, und 81 Prozent fällt es leicht, sich im Gastland einzuleben (versus 59 Prozent weltweit). „Ich fühle mich in Bahrain nicht wie ein Expat,“ meint ein Studienteilnehmer aus Indien. „Ich fühle mich hier zu Hause.“ Mehr als drei Viertel aller Expats, die in Taiwan, dem Zweitplatzierten der 2018 Studie, leben beschreiben ihren Arbeitsplatz als sicher – damit liegt Taiwan bei diesem Faktor ganz vorne. Es bietet auch die beste Lebensqualität weltweit und 77 Prozent der Umfrageteilnehmer fühlen sich dort zu Hause.
Ecuador auf Platz Drei erweist sich als einer der größten Gewinner in der Expat Insider 2018 Studie: Im Vergleich zu 2017 (25. Platz von 65) ist der Andenstaat in der Rangliste um ganze 22 Plätze nach oben geklettert. Während 2017 weniger als die Hälfte der Expats (46 Prozent) mit ihren Karrierechancen im Ausland zufrieden war, bewerten nun 69 Prozent diese positiv. Zudem fällt 76 Prozent der Befragten in Ecuador die Eingewöhnung im Gastland leicht (versus 59 Prozent weltweit).
Niedrige Lebensqualität wirkt abschreckend auf Expats
Indien (Platz 66 von 68), Saudi-Arabien (67) und Kuwait (68) liegen nicht nur in der Gesamtwertung weit zurück, sondern sind ebenfalls auf der Liste der Länder mit der schlechtesten Lebensqualität zu finden. Expats in Indien haben mit der schlechtesten Umweltqualität weltweit zu kämpfen: Über vier von fünf Studienteilnehmern in Indien sind mit diesem Faktor unzufrieden (versus 19 Prozent weltweit).
Mehr als zwei von fünf (41 Prozent) beschreiben die Qualität der Umwelt sogar als sehr schlecht – rund zehn Mal so viel wie der globale Durchschnitt (vier Prozent). „Mir gefällt hier weder die Luftqualität noch all der herumliegende Müll oder die Umweltverschmutzung,“ meint ein Expat aus den USA. „Das ganze Land ist stark verschmutzt.“ Etwa die Hälfte aller Expats in Kuwait (52 Prozent) und Saudi-Arabien (47 Prozent) sind mit dem Faktor Umweltqualität ebenfalls nicht zufrieden. Die beiden Golfstaaten liegen außerdem beim Thema Eingewöhnung im Ausland auf den beiden letzten Plätzen – Kuwait auf Rang 68 und Saudi- Arabien auf Platz 67. Ungefähr der Hälfte der Expats in Kuwait (47 Prozent) wie auch in Saudi-Arabien (51 Prozent) fällt es schwer, sich an die dortige Kultur zu gewöhnen (versus 21 Prozent der Befragten weltweit).