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Third Culture Kids
© Marisa Howenstine - Unsplash

Wie Third Culture Kids im Ausland groß werden

Die Möglichkeit, dass ihre Kinder in einem internationalen Umfeld mit den vielseitigen Eindrücken fremder Kulturen, Sprachen und Lebensweisen aufzuwachsen dürfen, ist für viele Eltern erstrebenswert. Wie es gelingt, sie im Ausland großzuziehen, weiß die Expertin Ann Wöste.

Kinder, die ihre Eltern an verschiedene Auslandsstandorte begleiten, werden Third Culture Kids genannt, da sie sich weder die eigene Kultur noch die jeweilige Gastkultur ganz und gar zu eigen machen, sondern maßgeblich durch eine dritte, von den Expats erschaffene Kultur mit Einflüssen aller sie umgebenden Kulturen geprägt werden. Sie verfügen als Erwachsene aufgrund dieser Erfahrungen über einen großen Vorrat an nützlichen Eigenschaften und Ressourcen: Sie sind reiselustig, neuen Herausforderungen und anderen Kulturen gegenüber aufgeschlossen, tolerant und wissbegierig, interkulturell erfahren und kompetent, anpassungsfähig und beim Lösen von Problemen kreativ und vielseitig. Sie sprechen meist mehr als eine Sprache, haben Freunde über den ganzen Erdball verteilt und verfügen über echtes Erfahrungswissen im Gegensatz zu nur angelesenem Know-how. Sie sind örtlich und beruflich hochflexibel und daher ein kostbares Gut als Mitarbeitende von weltweit operierenden Firmen und inspirierende Gesprächspartner*innen.

Ortswechsel gehen mit einer Phase der Transition einher

Aber dieser Kickstart für den persönlichen und beruflichen Lebenslauf kommt nicht ganz ohne Preisschild daher. Die Phase der Transition, die zu jedem Ortswechsel dazugehört, ist eine emotional herausfordernde, die von innerer Unruhe, großer Unsicherheit, schlaflosen Nächten, Ängsten, Stress und Trauer begleitet wird und daher viel Energie kostet. Für mitausreisende Kinder und Jugendliche verändern sich über Nacht Klima, Sprache, Bezugspersonen, häusliche Umgebung, Gewohnheiten, schulische Umgebung, Lehrer, Kleidungsstil, Nahrungsmittel, Sitten und Gebräuche, Alltagsabläufe, Verkehr, Geräusche, Gerüche und vieles andere mehr.

Wenn Third Culture Kids die Spielregeln im Ausland verstanden haben, werden sie emotional ruhiger. (Foto: Spikeball auf Unsplash.com)

Erst wenn Kinder sich gut eingelebt haben, ihnen die neuen Menschen, Orte und Spielregeln vertraut sind, geht es emotional wieder ruhiger zu. Da jedoch oft bereits nach circa drei Jahren der nächste Ortswechsel oder eine Rückkehr ansteht, beginnt die Unruhe und der Stress erneut.

Third Culture Kids brauchen besonders viel Halt und Empathie der Eltern

Stressempfinden hat allerdings auch eine sehr subjektive Komponente. Unbewusst werden jeder Herausforderung die inneren und äußeren Ressourcen zur Bewältigung entgegengehalten. Fällt dieser Vergleich positiv zugunsten der eigenen Fähigkeiten und Kräfte aus, ist der Stresslevel eher gering.

Wenn Eltern ihren Kindern helfen, sich als kompetent und selbstwirksam wahrzunehmen, dem Abenteuer Ausland selbst sehr positiv gegenüberstehen und gut für sich sorgen, damit sie ausreichend Kraft haben, ihren Kindern in emotional herausfordernden Phasen Halt, Empathie, Verständnis und Nähe anzubieten, ist das eine gute Prävention.

Innere Rastlosigkeit bei erwachsenen Third Culture Kids

Dennoch spüren erwachsene Third Culture Kids, sogenannte Adult Third Culture Kids (ATCK), die in ihren Entwicklungsjahren einen hochmobilen Lebensstil geführt haben und sich dabei in einem Zustand einer beinahe chronischen Transition befunden haben, oft eine gewisse Rastlosigkeit und ein inneres Getriebensein. Sie verspüren einen Drang, immer wieder neu anzufangen und nach etwas anderem zu suchen. Echtes Ankommen, Sesshaftigkeit und innere Ruhe sind ihnen fremd, und sie sind gewissermaßen auf der Flucht vor Stillstand und ihren eigenen Gefühlen.

So suchen sich Menschen mit einer mobilen Kindheit und Jugend gern selbst einen Beruf, der mit einer Auslandstätigkeit verbunden ist. Dadurch wird nicht nur ihr Bedürfnis nach Bewegung und Veränderung gestillt, sondern auch das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.

Fremdeln mit dem Land, dessen Staatsbürgerschaft Third Culture Kids besitzen

Third Culture Kids haben nach ihrer Rückkehr in das Land, dessen Pass sie besitzen, oft gar nicht das Gefühl, dass sie dort wirklich hingehören. Ein Kind, das beispielsweise in China geboren wurde, und seine Kindergartenzeit dort verbracht hat, dann nach ein paar Jahren in Deutschland erneut aufbricht und in Mexiko seine Schule beendet und vielleicht in Hongkong studiert, hat nicht das Gefühl wirklich deutsch zu sein und fühlt sich im Kreis von gleichaltrigen Deutschen oft fehl am Platz. Seine volle Third-Culture-Kids-Identität kann es nur in der Gemeinschaft von anderen Menschen mit ähnlichen Erfahrungen ausleben. Dort fühlt es sich eher verstanden und zugehörig.

Zu einem mobilen Leben mit all den Neuanpassungsprozessen gehört auch immer die Phase des Abschieds. Jedes Verabschieden von geliebten Menschen, Orten und Lebensweisen ist immer auch mit Trauer verbunden. Für eine Kindergartenkind kann es sehr hart sein, seinen besten Freund zurückzulassen, bei einem Zehnjährigen fließen viele Tränen, wenn er sein geliebtes Pony, auf dem er reiten gelernt hat, niemals wiedersehen wird, und für einen Teenager muss es sehr bitter sein, seine erste große Liebe zu verlieren. Für das Ausleben dieser Gefühle ist jedoch oft wenig Raum oder Zeit in der anstrengenden Zeit des Aufbruchs. Vielen Eltern ist auch gar nicht bewusst, wie wichtig es für die seelische Gesundheit und ein emotional stabiles Ankommen ist, ihre Kinder gut durch diese Trauer zu begleiten. Wenn Kinder hingegen erleben, dass anerkannt wird, dass ihre Verluste real und hart für sie sind, und sie auf Verständnis und Mitgefühl stoßen, kann die Trauer ausgelebt und verarbeitet werden und sorgt damit vielleicht für eine anstrengende Zeit für alle Beteiligten, führt dann aber zu einer gesunden Bewältigung und ein Voranschreiten.

Wenn die Gefühle keinen Raum bekommen, von der Außenwelt womöglich als unangemessen zurückgespiegelt werden und nicht auf Verständnis stoßen, bleiben sie unbewältigt und damit ein nagender Schmerz verborgen im Inneren, ein Gefühl, dass vielen TCK sehr vertraut ist.

Da es im Leben von mitreisenden Kindern zwar viele bereichernde Erfahrungen aber auch sensible Phasen und allerlei Stolpersteine gibt, ist es hilfreich, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dazu empfiehlt sich die Lektüre „Third Culture Kids –Aufwachsen in mehreren Kulturen“ von David E.Pllock, Ruth van Reken und Geaorg Pflüger.