Warum Sie als Expat-Familie nicht auf einen „Look-and-See-Trip“ verzichten sollten
Am ersten Tag unserer drei italienischen Expat-Jahre saß ich leicht verzweifelt, mit zwei Kleinkindern im Arm, auf dem Fußboden einer leeren Wohnung. Am Abend davor war ich übermüdet und im Dunkeln in einer Stadt angekommen, die ich nicht kannte und war in einer Wohnung gelandet, die mein Mann, der Expat, einige Wochen zuvor im Schnellverfahren angemietet hatte. Da es im Jahr 2003 auch noch nicht so einfach möglich war, von allem und jedem mal schnell ein Video zu machen und Fotos zu verschicken, hatte ich nur einige Bilder gesehen, die der Makler zur Verfügung gestellt hatte. Aber Jammern nützte ja nichts – ich rappelte mich auf, rückte mein Krönchen zurecht, setzte die Kinder in den Kinderwagen und begab mich auf Erkundungstour. Wo gab es einen Spielplatz, einen Supermarkt, wer waren unsere Nachbarn?
Diesen schlechten Start, der allerdings auch ein paar widrigen Umständen geschuldet war, wollten wir 2017, als unser Expat-Aufenthalt in den USA anstand, definitiv nicht wiederholen. Zwar waren alle Verträge schon unterschrieben und es war klar, dass wir im August für drei Jahre in die USA ziehen würden, aber wir bestanden dennoch auf einen Look-and-See-Trip. Und so flogen wir zwei Monate vor dem eigentlichen Vertragsstart in den Pfingstferien unserer Töchter für eine Woche nach Minneapolis/Minnesota. Dass die Kinder, damals 15 Jahre alt, mitkommen durften, kostete unseren Expat einige Überzeugungskraft, denn Unternehmen bezahlen ungern gleich vier Transatlantik-Flüge, zwei Hotelzimmer und einen extragroßen Mietwagen. Das Argument war schließlich, dass die Kinder ihre Schule kennenlernen sollten und aufgrund ihres Alters bei einigen Entscheidungen ein Wörtchen mitzureden hatten.
Schuldistrikt enorm wichtiges Auswahlkriterium für Hauskauf und Mietobjekt
Viele große Unternehmen, die häufig Expats entsenden, arbeiten vor Ort mit einer Relocation Agentur, die die Organisation des Look-and-See-Trips übernimmt. Sie erhält vor der Ankunft ein genaues Briefing (z.B. benötigte Schulart/Kindergarten, gesuchte Haus-/Wohnungsgröße etc.) und trifft eine erste Auswahl. Unsere Agentur stellte uns Sherry, die gleichzeitig auch Maklerin war, an die Seite. Wir hatten vor der Reise mehrmals miteinander telefoniert und so hatte Sherry entsprechend unserer Vorgaben jede Menge Termine für uns ausgemacht. Zuerst ging es darum, ein passendes Haus zu finden. Ich hatte mit Sherry eine High School ins Auge gefasst, die für die Kinder passend erschien und so waren wir bei der Haussuche auf deren Schuldistrikt fokussiert. US-amerikanische Makler kennen sich perfekt mit Schuldistrikten aus, denn diese sind fast immer ein wichtiges Auswahlkriterium für die Anmietung oder den Kauf eines Hauses.
Also schleuste uns Sherry an zwei Tagen durch fünf Häuser und wir hatten Glück: Ein Häuschen in einem schönen, grünen Familienwohnviertel gefiel uns allen gut und passte auch in unser Budget. Der Mietvertrag wurde schnell unterschrieben und so stand der Schulanmeldung nichts mehr im Wege. Die Dame in der Verwaltung der High School war zunächst etwas überfordert von den mitgebrachten deutschen Zeugnissen, nahm sich dann aber sehr viel Zeit, alles zu verstehen und händigte uns noch jede Menge Infomaterial und einen Terminplan für den Schulstart aus. Die Kinder bekamen zudem eine Tour durch alle Gebäude (was lange dauert, wenn eine High School auch noch eine eigene Schwimm- und Tennishalle hat) und lernten sogar schon einige Lehrer kennen. Was für ein unglaublich erleichterndes Gefühl, zu wissen, wo man in zwei Monaten landet!
Look-and-See-Trip sollte Zeit für Erkundung des neuen Umfelds einschließen
Das Wichtigste für einen erfolgreichen Look-and-See-Trip ist, dass man sich neben all den Pflichtterminen wie Haussuche, Schulanmeldung, Kontoeröffnung etc. auch die Zeit nimmt, das neue Lebensumfeld ausgiebig zu erkunden und auf sich wirken zu lassen. So sind wir in unserer Minneapolis-Woche einfach mal spazieren gegangen, durch Supermärkte gelaufen und haben uns in einen Coffee Shop gesetzt und unsere Umgebung beobachtet. Es war sogar Zeit für einen Badenachmittag im Grünen vor den Toren der Stadt und wir haben festgestellt, dass wir uns in unserem „neuen Leben“ wohlfühlen könnten. Als wir letztendlich Anfang August 2017 mit Sack und Pack in Minneapolis ankamen, war ich alles andere als verzweifelt. Der Optimismus und die Vorfreude auf das, was kommen würde, überwogen eindeutig – auch wenn ich wieder mal in einem (zunächst) komplett leeren Haus saß. Aber dieses Haus, das hatte ich selbst ausgesucht.