Mallorca: Russen erobern die Insel
Wer hätte das gedacht: In Arenal, der touristischen Hochburg deutscher Mallorca-Urlauber gibt es jetzt Pelmenis und eine unlesbare fremde Schrift auf einer Zeitung, die aber so ähnlich aussieht wie das „Mallorca Magazin“, das 1971 gegründet wurde und in dem Deutsche immer donnerstags die neuesten Nachrichten über die Welt und die Insel lesen können. Und nun diese kyrillischen Buchstaben. Jetzt haben also auch die Russen Mallorca entdeckt.
Bereits 5.000 Russen leben auf Mallorca
5.000 Russen sollen jetzt bereits ständig auf der Insel leben. Inzwischen gibt russische Restaurants wie das „Samowar“ in Calvia, ein exquisites russisches Lebensmittelgeschäft in Palma. „Da wächst langsam eine Infrastruktur heran, genauso wie sie früher bei den Deutschen. Es gibt Leute, die Boote nur an Russen verkaufen und es gibt Leute, die Häuser nur für Russen bauen.“ Das sagt der Chefredakteur Bernd Jogalla vom „Mallorca Magazin“, der letztes Jahr, am 15. Juni 2012, „Vesti Mallorca – El periódico en ruso de Mallorca“ auf den Markt brachte und von Anfang an einen Riesen-Erfolg damit hatte.
Eines Tages war die Russin Maria Slawin, die ist jetzt auch Mitarbeiterin von „Vesti Mallorca“ ist, zu Jogalla in die Redaktion gekommen und meinte: „Ihr habt so viel Erfahrung mit Medien, warum macht Ihr nicht eine russische Zeitung?“ Mit diesem Vorschlag rannte sie offene Türen ein, denn schon länger hatte man beim „Mallorca Magazin“ erwogen, vielleicht ein Annex mit ins Russisch übersetzten Texten herzustellen. „Bei mir wurde so eine Art Chip eingepflanzt“, sagt Jogalla, „und ich habe dann für unseren Verlag Grupo Serra, der auch die Tageszeitung „Ultima Hora“ herausgibt, eine kleine Konzeption erarbeitet und mit unserem Graphiker ein Layout entwickelt. Aber wir hatten riesige technische Probleme, da das Redaktions-System keine kyrillischen Buchstaben hatte. Also mussten wir ein neues kaufen. Das war eine ziemlich aufreibende Zeit, aber wir haben es geschafft – trotz der miserablen wirtschaftlichen Situation in Spanien und in der Medienbranche im Allgemeinen bringen wir alle 14 Tage samstags 48 Seiten heraus.“
Russische Kunden sind begehrt
Denn bei „Vesti Mallorca“ läuft alles anders: „Da kommen die Leute auf einen zu, um ihre Inserate zu platzieren. Es gibt einen ganz großen Wunsch der hiesigen Firmen irgendwie an die neue russische Klientel heranzukommen, von der man gehört hat, dass sie so viel Geld hat. Jeder will ein bisschen vom Kuchen abhaben. Denn was die Russen ausgeben, ist enorm. Da ist sicher auch ein Teil Legende, aber es gibt sie nun mal tatsächlich diejenigen, die immer nur das Teuerste bestellen.“
Deshalb ist das Luxus-Kaufhaus „El Corte Ingles“ sicher nicht ohne Grund unter den Anzeigen-Kunden von „Vesti Mallorca“. In ihren beiden großen Häusern in Palma hat das Unternehmen komplett die Beschilderungen und Hinweistafeln, auch für die Kassen und die Lifts, um Angaben in kyrillischer Schrift erweitert. Es gibt auch russische Verkäuferinnen. „Das ist einfach ein Indiz dafür, dass da horrende Umsätze gemacht werden“, sagt Jogalla, und er weiß auch zu berichten, dass zurzeit auf Mallorca wie der Teufel übersetzt wird. Es sollen unheimlich viele Dolmetscher und Sprachwissenschaftler auf der Insel unterwegs sein, da sie wissen, dass sie hier ein garantiertes Einkommen haben, weil jedes Restaurant seine Speisekarte, jedes Immobilienbüro seine Website auf Russisch übersetzt haben will oder jeder Rechtsanwalt und Notar einen russischsprachigen Mitarbeiter für den Immobilienmarkt braucht. Da ist einfach viel Bewegung. Bei den deutschen oder den britischen Unternehmern ist offensichtlich alles schon gesättigt und die Euphorie natürlich vorbei.
Viele Russen suchen Ruhe auf Mallorca
Anna Chumachenko, die Medienwissenschaft in Leipzig studierte, hat letztes Jahr ein Praktikum beim „Mallorca Magazin“ absolviert und wurde danach wegen Ihrer guten Russisch- und Deutsch-Kenntnisse gleich für „Vesti Mallorca“ rekrutiert. Sie meint: „Man erkennt sofort wer Russe ist, von der Kleidung, vom Schmuck, und vom Gesicht her. Russen kommen nicht mit Sportvereinen oder Kegelklubs hierher wie die Deutschen. Ich glaube, viele sind auch ganz reiche Russen, also Millionäre. Und die wollen dann ihre Ruhe haben. Die sind ziemlich bekannt und da sie in Russland ein hektisches Leben haben, möchten sie hier mal ein bisschen abschalten und auf keinen Fall in der Zeitung erscheinen“.
Maria Slawin wohnt seit zehn Jahren mit ihrer Familie im Südwesten von Mallorca in Nova Santa Ponsa am Hafen von Port Adriano. Viele Russen bevorzugen diesen Ort ebenso wie die Gegend um Calvia und Bendinat. Maria Slawin findet: „Die Menschen hier sind am Anfang ein bisschen verschlossen. Doch wenn man sich dann kennen lernt, sind sie sehr entgegenkommend. Aber das kann ich auch akzeptieren und verstehen, weil auf Mallorca zu viele Ausländer sind. Aber ich muss auch dazu sagen, ich bin sehr positiv überrascht wie viele Einheimische, also Mallorquiner, jetzt Russisch lernen.“
Beiden Journalistinnen ist ganz wichtig, dass sie keine „Yellow Press“ bedienen: „Man kann nicht sagen, dass man bei uns nur was über Prominente liest. Es gibt auch Nachrichten und Service. Aber auch Gesellschaftliches: Wir präsentieren russische Inselbewohner, die hier fest leben mit ihren Familie. Wie sie auf die Insel gekommen sind, wie sie hier überlebt haben am Anfang. Denn da muss man sich die Dokumente, die Papiere besorgen. Das ist nicht so einfach wie für EU-Bürger.“
Russische Urlauber wollen viel entdecken
Geschafft hat das schon seit 14 Jahren Tatiana Sapunova, die Eigentümerin des russischen Reisebüros „Viajes Canals“ in Santa Ponsa. Sie ist in St. Petersburg geboren und hat dort wie auch auf Mallorca Tourismus studiert. 70 Prozent ihrer Kunden sind Russen, die nicht nur Flüge buchen, sondern auch Exkursionen auf der Insel. Denn die Russen gehören zu eine sehr wissbegierigen Klientel. Da ist sie derselben Meinung wie Bernd Jogalla: „Die russischen Urlauber sind Leute, die unheimlich viel entdecken wollen. Die kommen auch weil es hier viel Strand und Sonne gibt, aber auch weil hier eine große Sicherheit herrscht für Normal-Urlauber genauso wie für reiche Leute.“
Geschafft hat es auch Ilja Slawin: „Hier auf der Insel bin ich selbständig und arbeite in der Service-Branche. Ich habe russische Kunden, deren Boote ich betreue und verkaufe, z. B. das dort unten im Hafen.“ Was ist ihm am wichtigsten hier auf der Insel? „Gutes Wetter!
Früher konnte man im Winter schon Depressionen kriegen.“ Iljas Sohn David muss in der Schule Malloquin lernen. Der Vater möchte aber, dass er weiterhin auch Russisch beherrscht. Der Achtjährige spricht, schreibt und liest tatsächlich Russisch, was ja nicht so selbstverständlich ist wegen der kyrillischen Buchstaben. „Das ist mir ganz wichtig“ beharrt Ilja Slawin, „einmal weil Russisch seine Muttersprache ist und auch weil Russisch heutzutage sehr wichtig ist.“
Quelle: Russland Heute, Autorin Angelika Kettelhack
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Fotos: Andreas Hermsdorf / pixelio.de