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Neues internationales Erbrecht innerhalb EU

Bis vor Kurzem herrschte in vielen grenzüberschreitenden Erbfällen Uneinigkeit, nach welchem Recht sich die Erbfolge richtete. So sieht zwar das deutsche Recht vor, dass für alle deutschen Staatsangehörigen die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Erbrecht gelten. Wer Erbe wird, welche Pflichtteilsansprüche entstehen und wie der Nachlass im Einzelnen auf die Erben oder Vermächtnisnehmer übergeht, bestimmt sich damit nach deutschen Vorschriften. 

Bislang diffuse Rechtlage

Doch hatte der Verstorbene Vermögen im Ausland oder wohnte gar selbst jenseits der Grenze, kann aus Sicht der ausländischen Gerichte und Behörden sogar ausschließlich ausländisches Recht gelten. Beispiele hierfür sind das Ferienhaus in Frankreich, das nach französischem Recht vererbt wird, oder der Deutsche, der bereits seit vielen Jahren in den Niederlanden wohnt, wodurch aus Sicht der niederländischen Gerichte und Behörden niederländisches Erbrecht für den gesamten Nachlass zur Anwendung gelangt.

„Durch die unterschiedliche Anknüpfung an Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Belegenheitsort des Vermögens konnte es bislang zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, je nachdem, ob ein deutsches Nachlassgericht oder ein ausländisches Nachlassgericht mit dem Fall befasst wurde“, sagt Daniel Wassmann von der Notarkammer Pfalz. Es sei sogar vorgekommen, dass gleich mehrere Rechtsordnungen nebeneinander angewandt wurden, was die Abwicklung des Nachlasses extrem erschwerte.

Allein der Wohnsitz entscheidet

Vor diesem Hintergrund bringt die Neuregelung der EU-Verordnung, die nach Zustimmung des Rates der Europäischen Union ohne weiteren Umsetzungsakt in den Mitgliedstaaten in Kraft tritt, nach Ablauf einer Übergangsfrist künftig einige Erleichterungen: Demnach soll allein der letzte Wohnsitz des Erblassers darüber entscheiden, welches Recht zur Anwendung gelangt.

„Das bedeutet aber auch, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der seinen Lebensabend auf Mallorca verbringt, nach spanischem Recht beerbt wird – ein Umstand, mit dem dieser unter Umständen nicht gerechnet hat“, warnt Wassmann. Er rät daher jedem, der seinen Nachlass regeln will und es für sich nicht ausschließt, Deutschland dauerhaft zu verlassen, die Anwendung deutschen Erbrechts ausdrücklich zu wählen. Eine solche Rechtswahl sei künftig im Testament möglich. Notare würden die Bürger bei der erbrechtlichen Beratung und Testamentsgestaltung auch darauf hinweisen.

Bereits erstellte Testamente bleiben gültig

Wer sein Testament bereits gemacht hat, müsse nicht fürchten, dass dieses durch die künftigen Änderungen unwirksam wird. Solange die geltenden Regelungen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung eingehalten wurden, bleibt das Testament auch weiterhin formwirksam. Dennoch empfiehlt Wassmann: „Ungeachtet der gesetzlichen Vorgaben sollte man von Zeit zu Zeit überprüfen beziehungsweise überprüfen lassen, ob die in der Vergangenheit getroffenen Verfügungen noch aktuell sind. Denn nicht nur die rechtlichen Bedingungen können sich geändert haben, sondern auch die Zusammensetzung des Vermögens oder das familiäre Umfeld.“

Neuer internationaler Erbschein

Für Erben bringt die Erbrechtsverordnung ebenfalls eine Erleichterung: das neugeschaffene europäische Nachlasszeugnis stellt eine Art internationalen Erbschein dar, der in der gesamten EU Geltung besitzt. Die bisher teilweise erforderliche mehrfache Beantragung von Erbscheinen in allen Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat, entfällt damit. „Wie bereits der Erbschein kann auch das europäische Nachlasszeugnis beim Notar beantragt werden“, so Wassmann.

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 Foto: © arahan – Fotolia.com