Skip to main content
Ad

Golfstaaten: Was kostet die Welt?

Im Luxussegment der Golfländer entscheiden Markenimage und Status, weniger Qualität und Rentabilität. Für den Markt gewinnen Touristen aus Russland und Asien immer mehr an Bedeutung.

Märchenhafter Reichtum, Kaufkraft ohne Ende – in Münchens luxuriösen Einkaufsmeilen schlägt das Herz eines jeden Verkäufers höher, wenn ein Golfaraber oder – noch besser – eine Golfaraberin den Laden betritt. Kein Wunder, dass auch die Golfstaaten selbst als idealer Markt gelten für alles, was gut und teuer ist – allen voran das Emirat Dubai. Ganz so einfach aber ist es nicht, die üblichen Klischees stimmen nur bedingt. Deutsche Verkäufer von Luxusprodukten kommen nicht umhin, sich selber vor Ort ein Bild zu machen und den Markt sorgfältig zu sondieren.

Es gibt sie, die superreichen Golfaraber mit ihren umfangreichen Fuhrparks, den teuren Uhren am Handgelenk, ihren riesigen Villen und einer Vorliebe für protzige Hotels. Ihre Frauen zieren sich gerne mit auffälligem Schmuck, luxuriösen Uhren, Designer-Handtaschen und diamantenbesetzen Handys. Auch was sich unter ihren schwarzen Umhängen verbirgt, soll nobel und teuer sein, berichten Boutiquen-Manager.

Der neureiche Araber, der mit seinem Geld nur so um sich wirft, aber ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Ausnahme und nicht die Regel. Die Bevölkerung der VAE zählt aktuell etwa 7,3 Millionen Einwohner – mehr als vier Fünftel davon ausländische Arbeitskräfte. Das Gros davon wiederum sind Inder und Pakistaner, die für wenig Geld viel arbeiten müssen und sich nur preiswerteste Produkte leisten können. Auch die einheimischen Bewohner der nördlichen, weitaus ärmeren Emirate, kommen nur vereinzelt als Nachfrager von Luxusgütern in Frage.

Deutlich anders stellt sich die Situation in den reichen Emiraten Dubai und Abu Dhabi dar. Beide zusammen haben etwa 3 Millionen Einwohner, davon sind schätzungsweise 15 Prozent Einheimische und davon wiederum vermutlich zwei Drittel vergleichsweise vermögend. Unter Berücksichtigung von Kindern, die im Allgemeinen nur begrenzt als Luxuskäufer in Erscheinung treten, könnte das Nachfragesegment der reichen Einheimischen sehr grob auf etwa 200.000 Personen geschätzt werden. Darüber hinaus zu erwähnen ist eine vergleichsweise kleine Gruppe von Ausländern, die im Emirat gut bezahlte Führungs- und Fachpositionen besetzen.

In den VAE wuchs die Branche 2011 um 16 Prozent

Eine weitere sehr bedeutende, wenngleich schwerlich zu beziffernde Käufergruppe kommt aus den direkten Nachbarländern Oman, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und Bahrain – alles Länder mit einer vermögenden Klientel, aber einem deutlich kleineren Warenangebot und weniger »Shopping-Erlebnis«. Diese Nachbarn kaufen sowohl leicht zu transportierende Luxusprodukte, als auch als Kraftfahrzeuge und Möbel.

Weiterhin existiert eine sehr große Gruppe von Touristen aus Ländern außerhalb der Arabischen Halbinsel, die meist nur als Käufer solcher Produkte in Frage kommen, die sich im Handgepäck oder im Koffer transportieren lassen. Der Großteil dieser Käufergruppe kommt aus Ländern, in denen es kein ausreichendes Luxusangebot gibt und/oder dieses sehr hoch besteuert ist, oder auch aus Ländern mit strengem Fiskus, in denen es schwierig ist, Schwarzgeld auszugeben: Zu nennen wären hier vornehmlich Indien, Pakistan, Iran, Russland sowie Ostafrika. Für all diese Ausländer hat sich Dubai zu einem Shopping-Mekka entwickelt, das seine Attraktivität ständig steigert.

Die Dubai Mall am Fuße des Burj Khalifa ist nach Einschätzung seiner Betreiber nicht nur die größte der Welt, sondern hatte 2010 sogar mehr Besucher als New York City – von unabhängiger Seite verifiziert ist diese Einschätzung allerdings nicht. Immer weniger wichtig wird dagegen die Nachfrage von Touristen aus Staaten mit einem breiten Angebot von Luxusgütern, die dort auch nicht teurer sind als in den VAE, wie etwa den USA und Westeuropa.

Insgesamt schätzt das Marktforschungsunternehmen Euromonitor den Markt für Luxusgüter in den VAE 2011 auf rund 2,3 Milliarden US-Dollar mit einem Anstieg von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Jahr verlief für den Handel außergewöhnlich gut. Einige Einzelhändler konnten ihre Umsätze um über 30 Prozent steigern. Die Chalhoub Group, eines der größten Einzelhandelsunternehmen im Bereich Luxusgüter in der Region, vermeldet für 2011 ein Umsatzplus von 35 Prozent. Die Gruppe vertreibt 280 Luxusmarken, darunter Chanel, Fendi und Saks Fifth Avenue.

Die VAE konnten vor allem vom Zustrom kaufkräftiger Shopping-Touristen profitieren, die angesichts des Arabischen Frühlings Dubai oder Abu Dhabi als Reiseziele den Vorzug gaben gegenüber anderen Städten der Region. Auch die Transferzahlungen, die einige Regierungen im Rahmen ihrer Beschwichtigungspolitik an ihre einheimischen Bürger leisteten, dürften den Konsum in den VAE angekurbelt haben.

Wer hat das Längste?

Das gängigste Statussymbol am Golf sind Nobelkarossen: Audi, Bentley, BMW, Ferrari, Lamborghini, Maserati, Mercedes, Porsche und Rolls-Royce – um nur einige Marken alphabetisch aufzuzählen – alles findet sich auf den Straßen. Wer Geld hat, nennt meist einen Fuhrpark von mehreren Luxuslimousinen, Sport- und Geländewagen sein Eigen. Auch viele gut verdienende Ausländer lassen sich von der »Automanie« anstecken und haben gleich mehrere teure Fahrzeuge vor der Türe. Offizielle Statistiken werden nicht veröffentlicht, und auch die Hersteller geben ihre Zahlen nur ungern weiter.

Von einem entsprechenden Zubehörmarkt kann unterdessen keine Rede sein. Angesichts der Auswahl, die Kunden schon bei der Anschaffung ihres Pkw haben, ist ein nachträglicher Einbau nur sehr selten notwendig oder opportun. Wer ein super-teures Fahrzeug besitzt, wird es sich zudem zweimal überlegen, bevor er seinen Wagen in einer kleinen Werkstatt mit meist schlecht ausgebildetem Personal »verschlimmbessern« lässt.

Ein noch größeres Statussymbol als der häusliche Fuhrpark ist die Luxusyacht. Wer am Golf einen Vergnügungsdampfer bestelle, wolle damit vornehmlich angeben, sagen Marktkenner. Bei der Frage »Wer hat das längste?« geht es nicht mehr um die Geschwindigkeit des Schiffs nach der alten Regel »Länge läuft«, sondern nur noch um die Aufmerksamkeit. Die Messlatte liegt hoch: Weltweit führt Roman Abramovich mit seiner 164-Meter-Yacht, gefolgt vom Herrscher Dubais, Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum (162 Meter), und seinem omanischen Kollegen, Sultan Qabus (155 Meter). Alle drei Schiffe wurden in Deutschland gebaut. Der saudi-arabische König Abdullah liegt mit 147 Metern auf Rang vier. Auch die Schiffe sechs, sieben und acht stehen in einem arabischen Golfstaat vor Anker.

Wer in dieser Spitzenliga mitschippern will, musste bislang bei renommierten westlichen Werften bestellen. Seit kurzem ist dies anders: Abu Dhabis ADM-Werft hat Anfang 2010 die mit 141  Metern die sechst-längste Yacht der Welt vom Stapel gelassen. Das Design wurde von einer VAE-eigenen Marinefregatte inspiriert – böse Zungen sprechen von »copy/paste«. Das großzügig ausgelegte Schiff kann 60 Gäste und 58 Besatzungsmitglieder beherbergen. Für das innere und äußere Design war die in Paris ansässige Pierrejean Design verantwortlich. Neben der ADM-Werft verfügen die VAE noch über eine Reihe kleinerer Bootsbauer, die in Mini-Stückzahlen Freizeitboote für eine betuchte Klientel bauen.

Von Parfümwolken und Konfektionsgrößen

Seitdem nunmehr fast jeder indische Bauarbeiter ein eigenes Handy besitzt, hat die Statuskraft des Mobiltelefons massiv abgenommen. Für Männer von Welt sind in Dubai in diesen Tagen mehrere Geräte selbstverständlich, darunter auch ein Apple IPhone 64 GB für umgerechnet 1.500 Euro. Frauen haben es deutlich leichter aufzufallen: Für sie gibt es veredelte Geräte zum Beispiel von Vertu. Solche Luxusmodelle sind ab etwa 1.800 Euro zu haben, mit vielen Diamanten besetzt in der Serie auch für 65.000 Euro. Wer noch mehr ausgeben will, beauftragt einen internationalen Juwelier. Beliebt sind solche Geräte nicht nur bei der lokalen arabischen Kundschaft, sondern vor allem auch bei russischen Besuchern. Selbstverständlich besitzen auch arabische Kinder und Jugendliche ihr eigenes BlackBerry.

Ob Mann oder Frau, im neureichen Wertesystem der arabischen Welt stehen teure Uhren sehr weit oben auf der Statusliste. Bei Frauen kommt Schmuck hinzu, während sich der Mann mit teuren Manschettenknöpfen begnügt, die zum traditionellen weißen Gewand getragen werden. Bei Uhren und Schmuck sind eher große, auffällige, um nicht zu sagen protzige Stücke gefragt, nicht aber ein schlichtes Design. Zur arabischen Nachfrage kommt eine vergleichsweise große Nachfrage von Seiten russischer und asiatischer Touristen mit ähnlichen Wertesystemen hinzu.

Kosmetika haben einen sehr hohen Stellenwert in den arabischen Golfländern. Schminkmittel für Augen, Lippen und die Gesichtshaut sowie auffällige Fingernägel sind für viele junge arabische Frauen ein Muss. Die sie umgebende »Parfümwolke« wird mehrmals täglich aufgefrischt. Beliebt sind schwere arabische Duftnoten. Auch Männer verwenden reichlich Rasierwasser. Ebenso sind Duftwässer für die breite Palette der Touristen ein beliebtes Mitbringsel, weil sie in Ermangelung einer Luxus- oder Verbrauchssteuer meist deutlich preiswerter sind als im eigenen Land. In Dubai finden sich nahezu alle international bekannten Marken.

Vor allem in Dubai ist die Konzentration von Marken-Labels bei Bekleidung und Accessoires so hoch wie sonst nur in Paris, London und New York. Luxusboutiquen gelten als das Aushängeschild aller großen Shopping-Malls. Ob sich diese Läden immer rechnen, lässt sich kaum überprüfen. Weil die großen Malls und die Handelsvertretungen in der Hand weniger Familien liegen, überwiegt eine Mischkalkulation. Konkret bedeutet das: Auch unprofitable Geschäfte werden mitgeschleppt, weil man sie für das Image braucht. Dem außenstehenden Betrachter fällt auf, dass viele der Edelgeschäfte mit einem sehr geringen Sortiment auskommen.

Weiterhin ist zu bemerken, dass sich die angebotenen Konfektionsgrößen nach westlichen Idealmaßen richten. So hat es die Bevölkerungsmehrheit der vergleichsweise kleinen Asiatinnen wohl schwer, etwas geeignetes zu finden. Auch der arabische Mann, der meist kräftiger gebaut ist als ein europäischer Dressman, dürfte Schwierigkeiten haben, sich in einen Designer-Anzug zu zwängen. Die Hauptzielgruppen der Bekleidungsboutiquen sind deshalb junge arabische Frauen sowie junge russische und westeuropäische Urlauberinnen.

Lieber zu viel als zu wenig

Anders ist es bei Accessoires wie zum Beispiel Handtaschen, die weitgehend unabhängig zur Konfektionsgröße ihrer Trägerin stehen. Bei jungen Araberinnen gehört eine Nobelhandtasche zur Mindestausstattung. Selbst Personen mit vergleichsweise geringem Einkommen sind bereit, dafür sehr viel Geld auszugeben.

Die VAE verfügen über fast 100 Luxushotels (fünf Sterne und mehr) mit einer einschlägigen Nachfrage nach hochpreisigen Nahrungsmitteln, Getränken, Blumen und ähnlichem. Hinzu kommen Innenausbau, Möbel, Lampen, Wandschmuck etc., bei denen angesichts des starken Konkurrenzdrucks nicht gekleckert, sondern geklotzt wird. Letzteres gilt auch für Top-Bürogebäude, in denen Designermöbel und echte Kunstwerke an der Wand schon fast zum Standard gehören.

Für das Gros der Käufer zählen Image und Statuswert, weniger aber die Qualität. Wer einen Luxuswagen kauft, interessiert sich kaum für die technischen Details und schon gar nicht für den Verbrauch. Im Gegenteil: Ein Auto, das sehr viel Benzin schluckt, ist attraktiver als eines mit modernem Sparmotor. Das Wort Sparen ist in der neureichen Welt der Golfaraber geradezu ein Unwort. Auch bei allen anderen Luxusgütern zählt alleine das Image. Wer sich jedes Jahr einen neuen Wagen, ein neues Handy oder eine neue Uhr kauft, für den sind Haltbarkeit und Qualität schlichtweg keine Themen.

Bei vielen modischen Designerkollektionen ist es ähnlich. All die teuren Klamotten werden auch nicht im Ansatz so häufig getragen, dass man an die natürliche Verschleißgrenze herankäme. Zu beachten ist hier noch eine weitere Besonderheit des Marktes: Traditionelle arabische Frauen tun sich schwer, Bekleidung in Umkleidekabinen anzuprobieren. Damit kaufen sie tendenziell noch mehr, als sie tatsächlich brauchen.

Hinzu kommen ihre geringen Möglichkeiten einer attraktiven Freizeitgestaltung. Wer seinem Zuhause entfliehen möchte, dem bleibt nur das Shopping-Center: Einkaufen aus Langeweile. Der Manager eines großen Luxushotels, das einem führenden Einkaufszentrum angeschlossen ist, berichtet von saudi-arabischen Stammkunden, die schon nach dem dritten Urlaubstag eine weitere Suite anmieten müssen, damit all die Einkaufstaschen Platz finden. Viele Textilien würden gleich doppelt und dreifach gekauft, die Blusen gleich in allen verfügbaren Farbschattierungen.

Quelle: zenith BusinessReport

Mehr zum Thema:

Marokko kauft Tide, Ägypten Persil

Schicker shoppen in der Dattel-Boutique

VAE: Kamele mutieren zur Cash-Cow

Foto: © Orhan Çam – Fotolia.com