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Entsendung in die Tropen: Wie Expats vorsorgen

Nils Neuner ist 38 Jahre, erfolgreich, sportlich und war immer gesund. Hoch motiviert geht er mit Frau und zwei Kindern für eine deutsche Bank nach Indien. Abseits der Megacitys des Subkontinents soll er im Norden neues Business generieren. Zunächst läuft alles prima. Die Familie fühlt sich wohl und Neuner hat Erfolg.

Doch dann knickt er beim Badminton mit einem Geschäftspartner mit dem Fuß um. Dabei bricht er sich das Sprunggelenk unglücklich. Ein eher harmloser Bruch. Doch auch ohne Wunde blutet der Bruch innerlich überraschend stark. Der Knöchel schwillt massiv an. Neuner hat starke Schmerzen, muss vor Ort operiert werden. Die Blutung ist nicht zu stoppen. In fremder Umgebung unsicher, entschließt er sich für die weitere Behandlung in Deutschland. Die Reise in die Heimat mit einem Ambulanzflug verläuft problemlos. Frau und Kinder folgen nach einigen Tagen.

Was hierzulande harmlos ist, gestaltet sich im Ausland als ernstes Problem

Die Ärzte diagnostizieren bei ihm erstmalig eine seltene angeborene Blutgerinnungsstörung. In Deutschland kein Problem, in der indischen Provinz schon. Drei Monate fällt Nils Neuner aus. Verunsichert durch die lange Krankheit und familiäres Hin und Her entschließt sich Familie Neuner schweren Herzens in Deutschland zu bleiben. Auch Nils Neuner reist nicht wieder nach Indien. Acht Monate nachdem er enthusiastisch für sein Unternehmen ins Ausland ging, sitzt ein frustrierter Mitarbeiter wieder an seinem alten Schreibtisch im 11. Stock und schaut nachdenklich durch den Nebel auf den Main. Was war schief gelaufen?

Entsendeabbrüche kosten oft sechsstellige Summen

Die fehlgeschlagene Entsendung hat Neuners Arbeitgeber eine nette sechsstellige Summe gekostet. Dazu kommt ein verlorenes Jahr in der Businessakquise. Dabei wären Fehler vermeidbar gewesen.

Mitarbeiterentsendungen in exotische aber dynamische Märkte sind komplex. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben oft nicht die notwendigen Informationen. Die medizinische Versorgung im Ausland sowie entsprechende Untersuchungen und Beratungen fehlen. Neben einer professionellen und kulturellen Vorbereitung sowie der richtigen Versicherung gehört auch ein Gesundheitscheck dazu. Nur gesunde Mitarbeiter können Ihre Fähigkeiten voll entfalten und verlässlich Geld für das Unternehmen verdienen. Das ist in den dynamischen Märkten (Emerging Markets) noch wichtiger als in Europa.

Das Erkrankungsrisiko steigt mit den neuen Herausforderungen und der kulturellen Entfernung zur Heimat. Krankheiten, die sich Entsandte bei beruflichen Tätigkeiten in den Tropen zugezogen haben, können Berufskrankheiten werden. Diese ziehen oft eine teure, langwierige und nervige Entschädigungspflicht nach sich.

„Tropentauglichkeitsprüfung“ kann verpflichtend sein

Deutsche Mitarbeiter die in Regionen mit besonderen klimatischen Bedingungen entsandt werden benötigen nach §2, „ArbMedVV“ (Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge) eine Gesundheitsuntersuchung nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz 35 (G35). Damit sind meist Länder mit tropischem oder subtropischem Klima gemeint. „Tropentauglichkeitsuntersuchung“  heißt sie daher oft. „Tropisches Klima belastet den menschlichen Körper aus gemäßigten Klimazonen und erfordert eine erhebliche Akklimatisation“ weiß Dr. Dieter Weigel, Arbeitsmediziner an der Berliner Charité. Aber auch die sehr kalten Zonen an den Polen beispielsweise sind ebenso Regionen mit besonderen klimatischen Bedingungen. Die Rohstoffindustrie etwa arbeitet oft in diesen eisigen Gegenden.

Der Arbeitnehmer wird vom Gesetzgeber davor geschützt, keine Arbeiten in bestimmten Regionen zu verrichten, die bei Ihm bestehende Krankheiten verschlimmern können. Der Fokus der Untersuchung liegt dabei auf einem funktionierenden Herz-Kreislaufsystem, Schwächen des Blut- und Immunsystems sowie Nervenleiden und Impfschutz. Auch bei bestimmten Medikamenten ist Vorsicht geboten. Eine ausführliche Beratung über Risiken der Tropen gehört ebenfalls dazu. Dabei bleiben die medizinischen Details streng vertraulich zwischen Arzt und Patient. Der Arbeitgeber erhält nur die Mitteilung ob der Mitarbeiter tauglich ist oder nicht. Ärztliche Auflagen sind aber möglich. So kann angeordnet werden, dass ärztliche Behandlung vor Ort gewährleistet sein muss oder bestimmte Kontrollen erforderlich sind. Auch dies erfährt der Arbeitgeber, jedoch ohne Details. Eine Wiederholung der Untersuchung sollte nach drei Jahren erfolgen.

Gesundheitsprüfung schützt auch Arbeitgeber

Den Arbeitgeber schützt die Untersuchung vor unberechtigten Forderungen, Ansprüchen oder sogar Klagen. Er kann dokumentieren das bestimmte Leiden bereits vor Aufnahme der Auslandstätigkeit bestanden. Der Arbeitgeber kommt damit seiner Fürsorgepflicht nach. Auch wird bescheinigt, dass der Arbeitnehmer die körperliche Fitness hat, unter harten klimatischen Bedingungen, oft in entlegenen Regionen zu arbeiten. Das Risiko teurer medizinisch bedingter Heimreisen wie bei Nils Neuner wird damit erheblich vermindert.

Nach Beendigung einer Auslandstätigkeit von mehr als einem Jahr ist eine Rückkehrer-Untersuchung durchzuführen. Der Arbeitgeber wird hiermit von seiner Verantwortung für eventuelle spätere Krankheiten und Forderungen entbunden. Die Kosten einer Untersuchung liegen bei rund 200 Euro und sind vom Arbeitgeber zu tragen.

Der Autor:

Dr. Andreas Grasteit ist Arzt in Hamburg und Gründer von Dr. Grasteit-German Healthcare International. Er hat viele Jahre im Ausland praktiziert.

Kontakt: info@dr-grasteit.de

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Foto: © Gerhard Seybert – Fotolia.com