Skip to main content
Ad

„Stars wie Angelina Jolie verschaffen uns Gehör“

Wie verändern sich weltweite Krisen, was passiert mit Spenden und welche Bedeutung haben Promis für die UNO-Flüchtlingshilfe? Darüber sprach Expat News mit Geschäftsführer Dirk Sabrowski.

EXPAT NEWS: Wie viele Flüchtlinge gibt es weltweit und existiert eine bestimmte Kategorisierung?

Sabrowski: Die Zahlen ermitteln die Vereinten Nationen, die derzeit von 15,2 Millionen Flüchtlingen und etwa 27 Millionen Vertriebenen innerhalb eines Landes ausgehen. Hinzu kommen noch circa sechs Millionen Staatenlose, das heißt, Menschen ohne Staatsbürgerschaft, sowie etwa eine Million Asylbewerber. Basis für die Definition ist die Genfer Flüchtlingskonvention. Danach sind anerkannte Flüchtlinge Menschen, die aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen gewaltsam vertrieben worden sind und deshalb die Grenzen ihres Heimatlandes übertreten haben. Eine neue Rolle außerhalb dieser Konvention spielen Personen, die innerhalb ihres Staates aus einer bestimmten Region flüchten müssen, etwa aufgrund von innenpolitischen Konflikten oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

EXPAT NEWS: Die UNO-Flüchtlingshilfe entwickelt und organisiert diverse Hilfsprojekte. Können Sie einige beispielhaft nennen?

Sabrowski: Dabei handelt es sich um weltweite Projekte, die unser Partner das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, das UNHCR, plant und durchführt. Dieses hat auf der ganzen Welt lokale Partnerorganisationen, die für die Umsetzung sorgen. Oft ist es gar nicht möglich, von langer Hand zu planen, weil Soforthilfe gefordert ist. Beispielsweise war dies bei den Flutopfern in Pakistan der Fall. Dort engagieren wir uns, weil dieses Land zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen hat. So leben in Pakistan allein 1,7 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan.

Im Krisenfall ist es dann die Aufgabe des UNHCR, alle Hilfsmannschaften vor Ort zu koordinieren, also zu klären, wer wann was macht. Das Flüchtlingswerk sorgt beispielsweise seit jeher dafür, dass zunächst Lager aufgebaut werden, in denen die Menschen vorübergehend unterkommen und wo medizinische Hilfe geleistet werden kann. Besonders wichtig ist es, die Kommunikation zwischen den Einsatzkräften zu steuern, um eine entsprechende Hilfsinfrastruktur aufzubauen.

EXPAT NEWS: Hat sich Ihre Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Sabrowski: Durchaus. Die Koordination und das Zusammenwirken der Helfer untereinander waren zwar schon immer gut. Aber die Krisen haben sich verändert. Es gibt beispielsweise keine klassischen Kriege mehr, bei denen sich zwei Länder bekämpfen und die Menschen in ein drittes Land fliehen. Heute sind die Krisen vor allem innerstaatliche Konflikte, es gibt interne kriegerische Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und religiösen Gruppen sowie Ethnien. Früher waren die „Krisen alten Stils“ europäisch. Heute sind viele Auseinandersetzungen eine Folge des Kolonialismus oder der Globalisierung und haben eine hohe Komplexität.

EXPAT NEWS: Ein typischer Satz von Spendenkritikern lautet: „Das Geld kommt doch sowieso nicht an.“ Wie entkräften Sie solche Thesen und wie stellt die UNO Flüchtlingshilfe sicher, dass der Spendeneinsatz tatsächlich den Betroffenen zugute kommt?

Sabrowski: Es mag immer mal wieder Skandale geben, aber dass die Hilfe ankommt, kann man am besten durch Fakten belegen. Wir prüfen natürlich mit dem UNHCR, was mit den Spendengeldern geschieht. Wichtig ist vor allem, dass die NGOs (Non Government Organisations) nicht an den Staat spenden, sondern konkrete Hilfsprojekte ins Leben rufen und das Geld gezielt einsetzen. Man darf sich keinen großen Geldtopf vorstellen, der in das jeweilige Land getragen wird und aus dem sich dann jeder Bedürftige bedient. Zunächst werden beantragte Projekte genau unter die Lupe genommen und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Während der Laufzeit finden regelmäßig Vor-Ort-Besichtigungen statt, um zu schauen, ob das jeweilige Projekt erfolgreich ist. Schließlich gibt es eine regelmäßige Berichterstattung, in die bei Bedarf eingesehen werden kann. Auch auf unserer Website dokumentieren wir die Ergebnisse vieler unserer Hilfseinsätze.

EXPAT NEWS: In einem aktuellen Projekt helfen Sie Flüchtlingsfrauen im Ostkongo dabei, sich in der Landwirtschaft eine eigene Existenz aufzubauen. Wie entwickeln Sie mit Ihrem Team Konzepte, die darauf ausgelegt sind, dass Flüchtlinge sich selbst helfen können?

Sabrowski: Wir sind dabei sehr stark auf die Länderexperten unserer Projektpartner vor Ort angewiesen. Denn was beispielsweise für den Kongo eine gute Hilfsaktion war, muss nicht automatisch für Somalia gelten. Diese Experten kennen die Historie des jeweiligen Landes ganz genau. Sie wissen um die Strukturen, um Konflikte der einzelnen Bevölkerungsgruppen. Wir müssen das Land und die Menschen verstehen, um zielgerichtet helfen zu können. Im Kongo haben wir große Chancen bei Ackerbau und Viehzucht gesehen. Dort werden Flüchtlingsfrauen konkret für Tätigkeiten in der Landwirtschaft geschult. Sie erhalten dann beispielsweise Saatgut oder ein Nutztier und bauen sich damit eine Existenz auf.

EXPAT NEWS: Deutschland hat eine große Asyltradition. Flüchtlinge, die hierzulande aufgenommen werden, erhalten Unterstützung vom Staat. Warum ist es dennoch notwendig, private Projekte zur Förderung von Flüchtlingen in Deutschland finanziell zu unterstützen?

Sabrowski: Unser Asylsystem ist sehr komplex, deshalb zielt unsere Hilfe auch vielmehr auf eine Begleitung der Betroffenen während des Asylverfahrens. Asylbewerber sind häufig vor einem menschenverachtenden Staat geflohen und müssen sich nun mit den Behörden eines anderen Staates auseinandersetzen, sich rechtfertigen, um hierzulande Schutz zu bekommen. Wir stellen ihnen Personen an die Seite, die beispielsweise zunächst einmal darüber aufklären, welche Möglichkeiten es bei Asylgesuchen überhaupt gibt. Dies sind auch integrationsfördernde Schritte, die aus unserer Sicht von Seiten des Staates zu kurz kommen. Des Weiteren fördern wir Traumazentren, in denen Flüchtlinge psychologische Hilfe erhalten. Auch das kann ein wichtiger Weg sein, um zur Integration der Betroffenen in Deutschland beizutragen. Dort leistet der Staat noch nicht genug.

EXPAT NEWS: Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, plädiert dafür, bei der Anwerbung von hochqualifizierten Fachkräften auch exzellent ausgebildete Flüchtlinge zu berücksichtigen. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?

Sabrowski: Das ist eine überfällige Debatte und ich hoffe, dass Herr Löning da etwas bewegen kann. Es gibt so viele Flüchtlinge mit einer hervorragenden Ausbildung, die seit Jahren in Deutschland lediglich geduldet werden und nicht arbeiten dürfen. Das ist eine gezielte Verhinderung von Integration. Wir brauchen diese Menschen auch für unsere Gesellschaft. Es ist unverständlich, dass ein solch großes Potenzial nicht genutzt wird. Wir müssen diesen gut ausgebildeten Menschen unbedingt die Tür zum Arbeitsmarkt öffnen.

EXPAT NEWS: Zum 30-jährigen Jubiläum Ihrer Organisation hat ein Vertreter der Vereinten Nationen folgenden Satz gesagt: „Wer konkrete Hilfe braucht, kann nicht darauf warten, dass die Welt sich ändert, wer helfen will, darf nicht in Zynismus verfallen.“ Was steckt aus Ihrer Sicht und aus der Philosophie der Flüchtlingshilfe hinter dieser Aussage?

Sabrowski: Er bezog sich dabei auf das Mandat des UNO Flüchtlingswerks, wonach wir uns auf eine schnelle Hilfe für Flüchtlinge konzentrieren, während die Lösung eines Konflikts oft langwierig sein kann. An erster Stelle steht für uns der Schutz der Flüchtlinge und ihrer Rechte. Das bedeutet, Soforthilfe leisten und nach dauerhaften Lösungen suchen, wie Flüchtlinge auch wieder re-integriert werden können. Und wir ergreifen keine Partei für bestimmte Flüchtlingsgruppen oder Ethnien, sondern ausschließlich für Opfer. Der Zynismus bezieht sich wahrscheinlich auf das Agieren vieler Staaten, die Flüchtlingsgruppen als Druckmittel für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele nutzen, indem sie mit dem Schicksal von Menschen spielen.

EXPAT NEWS: Im Rahmen einer Spendenaktion für die Flutopfer aus Pakistan hattem Sie auf Ihrer Homepage ein Video eingebettet, in dem der Hollywoodstar Angelina Jolie öffentliche Unterstützung einfordert. Wie wichtig ist das Engagement von Prominenten für Ihre Arbeit?

Sabrowoski: Für uns ist es sehr bedeutsam, weil bekannte Persönlichkeiten wie Angelina Jolie unserer Organisation ein Gesicht geben und uns mehr Gehör verschaffen. So erkennen die Menschen, dass diese Personen, die sie bewundern und respektieren, sich uns anschließen. Viele Prominente setzen sich auch persönlich für Hilfsprojekte ein, was aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrades oft eine große Medienwirksamkeit zufolge hat. Selbstverständlich prüfen wir vor dem Engagement eines Stars dessen Glaubwürdigkeit. Wir wollen uns nicht für eigennützige Zwecke instrumentalisieren lassen.

Mehr Infos unter: www.uno-fluechtlingshilfe.de