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Deutschland
© Bojan - Fotolia.com

Welches Bild andere Nationen derzeit von Deutschland haben

Viele Nationen erwarten und erhoffen sich von Deutschland eine klare Führungsrolle angesichts der momentanen Konflikte in der Welt. Das ist das zentrale Ergebnis der dritten Deutschlandstudie, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH veröffentlicht hat. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängerstudien aus den Jahren 2012 und 2015 wird die Führungsrolle nicht mehr nur vorsichtig empfohlen, sondern angesichts der turbulenten Weltlage deutlich eingefordert. Dies gilt umso mehr als Gegengewicht zu den USA, Russland und China sowie als Fürsprecher Europas und als Schlichter in internationalen Konflikten. Es gehe dabei vor allen um die Verteidigung westlicher, freiheitlicher Werte. „Was die USA zu viel machen, macht Deutschland zu wenig. Sich zum Beispiel einmischen“, meint etwa eine Stimme aus Ghana. „Deutschland muss die Rolle als Hüter einer offenen und transparenten Gesellschaft annehmen“, fordert eine andere aus Brasilien. Für die Studie wurden insgesamt 154 Personen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, und Zivilgesellschaft in 24 Ländern dazu befragt, wie sie Deutschland sehen.

Deutschland als Vorreiter in Umweltschutz und Technologien

In diesen Ländern befragte die GIZ die Umfrageteilnehmer.

„Von unserer ersten Erhebung 2012 bis zur aktuellen Studie zeigt sich immer deutlicher, dass Deutschland international zahlreiche Aufgaben zugedacht und zugetraut werden. Vom Umweltschutz bis zum Krisenschlichter, vom Transfer neuer Technologien bis zum Schutz der Menschenrechte, vom Retten der EU bis zum Unterstützen der Vereinten Nationen – es bleibt wenig, was man Deutschland nicht gedanklich überträgt und zutraut“, resümiert Christoph Beier, stellvertretender Vorstandssprecher der GIZ, die Ergebnisse der qualitativen Befragung.

Große Anerkennung erhält Deutschland im Ausland für den Umgang mit flüchtenden Menschen seit dem Jahr 2015. Er hat das Bild vom tüchtigen, effizienten Deutschen weichgezeichnet und um eine menschliche Facette ergänzt. „Was Deutschland gemacht hat, ist ein Vorbild für andere“, hält man im Iran fest und aus Vietnam heißt es mit Blick auf die Flüchtlingskrise: „Eine Million Migranten: Das sind in meinen Augen – wenn man es geschickt anstellt – eine Million Netzwerkpartner für künftiges Geschäft.“ So manch ein Befragter hatte den Eindruck, dass das sonst so planvoll agierende Deutschland hier scheinbar ohne erkennbare Strategie vorgegangen ist. Und in Polen merkt man kritisch an: „Nach der enthusiastischen Welle der Willkommenskultur wurde sich nicht mit dem radikal Fremden auseinandergesetzt.“

Nachholbedarf bei Digitalisierung

Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Zwar gilt der Wirtschaftsstandort Deutschland weiterhin als hervorragend. Doch fragen sich viele der Interviewten, ob Deutschland in Zeiten der Digitalisierung nicht den Anschluss verliert, wie dieser Jordanier: „Wenn man vom Erfolg der Vergangenheit im Maschinenbau und der Autoindustrie zu verwöhnt ist, besteht das Risiko, künftige Erfolgsfelder bei der Informations- und Kommunikationstechnologie zu verschlafen.“ Großen Nachholbedarf sehen Befragte bei der Bereitschaft, Neues auszuprobieren und auch Misserfolge wegzustecken. Nur wenn Deutschland hier dazulernt, so meinen sie, wird es auch in zwei Jahrzehnten noch zur Spitzengruppe der Wirtschaftsnationen zählen.

An den Stereotypen der Deutschen hat sich seit der letzten Deutschlandstudie nicht viel verändert. Vieles scheint konstant, wird aber ergänzt durch Neues. Wieder herrscht große Einigkeit darüber, dass man Dinge in Deutschland sorgfältig, gezielt und mit großer Ernsthaftigkeit erledigt und auf Planänderungen etwas unflexibel reagiert. Und: Effizient muss es sein. Deshalb verfallen die Deutschen noch lange nicht in hektischen Aktionismus, sondern sie bereiten ein Vorhaben gründlich vor, versuchen alle Eventualitäten einzukalkulieren und mit Lösungen zu versehen.

Kühl im Job, emotional beim Fußball

Deutsche wirken, so der Eindruck, am Anfang etwas reserviert, entpuppen sich aber auf den zweiten Blick als Freunde fürs Leben. So kühl der Deutsche seine Geschäfte abwickelt, so emotional fiebert er mit seiner favorisierten Fußballmannschaft mit und so herzlich gibt er sich im Privatleben. Die Deutschen trinken im Sommer kühles Bier und essen im Winter Sauerkraut, das sie im Sommer vorausschauend eingelegt haben; Sauerkraut wird bevorzugt zur Bratwurst serviert, gerne aber auch zu anderen deftigen Fleischspeisen.

Deutsche verhalten sich meist zivilisiert, stehen in der Warteschlange oder an der roten Ampel, selbst bei Nacht, denn sie lieben ihre Regeln. Und Regeln gibt es für fast alles; sie scheinen die Deutschen irgendwie zu befreien. Sie planen ihre Urlaube mit derselben Strenge, mit der sie ihrer Arbeit nachgehen. Denn der Urlaub soll schließlich schön werden. Höchstens dort verliert der Deutsche seine Hemmungen, aber erst, nachdem er genötigt wurde, eine Flasche Wodka zu trinken. Oft auch dann nicht.

Sogar Kinderkriegen wird geplant

Ein Blick auf nicht so oft bemühte Bilder über Deutsche macht die Beschreibungen vielfältiger, die Stereotype etwas differenzierter. So etwa, dass die „Planungswut“ der Deutschen selbst bei der Heirat oder beim Kinderkriegen greife. Oder dass die bildungsbeflissenen Deutschen tatsächlich noch so etwas Altmodisches wie Bücher bei sich tragen – und auch lesen!

Deutschland
Foto: congerdesign auf pixabay.com

Beobachtet wird auch, dass die Deutschen Wert auf gutes Essen legen, bevorzugt aus biologischem Anbau. Deutsche Autos gelten als solide und luxuriös, werden aber interessanterweise auch mit Inflexibilität und Dickköpfigkeit (ihrer Entwickler) in Verbindung gebracht. Diese Wahrnehmung passt zum stellenweise als arrogant empfundenen Auftreten von Deutschland im Ausland.

Die Deutschen lassen im Ausland Kuchen backen, dessen Rezept und Zutaten sie am liebsten gleich mitliefern. Auf lokalen Geschmack wird wenig Rücksicht genommen. Nach dem Motto: Was daheim gegessen wird, eignet sich auch anderswo. Dazu passt der Vorwurf, dass Deutsche lieber über (von ihnen) schon gelöste Probleme sprechen als über ungelöste Herausforderungen.

Deutsche Disziplin ist anstrengend

Die permanente Disziplin der Deutschen wird als anstrengend empfunden, zum Beispiel in der Eurokrise gegenüber Griechenland, aber auch generell. Dann wieder beweisen die Deutschen erstaunliche Lockerheit, wenn es um eine gute Work-Life-Balance geht. Alles in allem aber gelten sie als zu ernst und zu selbstkritisch. Sie sollten sich dann und wann auch mal selbst loben. Gründe dafür gibt es viele: Die Deutschen werden als freundlich und großzügig beschrieben und international als Stimme der Vernunft. Man hält sie auch für vertrauenswürdig und hilfsbereit, nicht zuletzt in anderen Weltgegenden und wegen der Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge.

Doch neben allzu Bekanntem und mäßig Bekanntem scheinen die Deutschen immer wieder auch für Überraschungen gut. Die Gleichberechtigung der Frau zum Beispiel halten einige der Befragten für eine aufgesetzte Sache – obwohl sich die Deutschen doch große Mühe geben, ein moderner Staat zu sein. Verblüfft registrieren sie außerdem, dass eine kleine Gruppe Wohlhabender viel Reichtum auf sich vereinigt, ausgerechnet in einem Land, das so viel Wert auf Gleichheit und Gerechtigkeit legt. Erstaunt fragt man sich auch, wie es in diesem Land zu Terrorattacken kommen konnte, findet im nächsten Augenblick jedoch gut, dass die Deutschen differenziert urteilen und einzelne arabischstämmige Täter nicht automatisch mit der gesamten arabischen Welt gleichsetzen.

Die vollständige Studie ist zum Download verfügbar unter www.giz.de/deutschlandbild