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Mitarbeiterentsendung nach China

Entsendung nach China: Kompliziert, aber machbar

China ist eines der wichtigsten Entsendungsländer für deutsche Unternehmen. Doch in Sachen soziale Absicherung der Expatriates passieren noch immer gravierende Fehler. Ein Beispielfall skizziert, wie richtig vorgegangen werden sollte.

Ilona Schröder leitet die Personalabteilung der Bau- und Gummi GmbH gerade ein Jahr lang, als die Geschäftsführung sie bittet, den Personaltransfer des Projektmanagers Herrn Wolf nach Peking in China zu organisieren. Dort soll dieser für die nächsten drei Jahre tätig sein. Ihre Vorgesetzten hatten gehört, dass es so Einiges zu beachten gäbe, aber grundsätzlich würden sie vor allem in Bezug auf Herrn Wolfs Versicherungen gerne alles weiter so handhaben wie bisher. So in etwa lautet der Auftrag an Schröder. Also beginnt sie zu recherchieren und ihr passiert genau das, was nahezu jedem geschieht, der etwas intensiver in ein Thema einsteigt: Schröder bemerkt, dass sich ihr bei jeder neuen Information mindestens zehn weitere Fragen stellen und ist am Ende verunsichert. Sie weiß nur, dass ihr Unternehmen eine Fürsorgepflicht gegenüber Herrn Wolf hat und dieser die Bau- und Gummi GmbH in die Haftung nehmen kann. Und zwar dann, wenn seine Entsendung in sozialversicherungstechnischer Hinsicht nicht rechtssicher abläuft.

Entsenderichtlinien vereinbaren

Wie also vorgehen? Das A und O einer solchen Betrachtung ist zunächst die individuelle Situation des Mitarbeiters. Wie ist er im Augenblick krankenversichert – gesetzlich, freiwillig oder privat, hat er Familie und wenn ja, bleibt diese in Deutschland oder kommt sie mit, besteht sein Arbeitsvertrag mit der deutschen Gesellschaft oder mit der Niederlassung in Peking und viele weitere Fragen. Und so sieht es bei Herrn Wolf aus: Seinen unbefristeten deutschen Arbeitsvertrag haben seine Chefs um eine Entsendevereinbarung ergänzt. In dieser ist unter anderem festgelegt, wie hoch die Auslandszulage ist, wie viele Heimflüge ihm die Firma bezahlt und wie teuer die Mietwohnung sein darf. Sein Gehalt bezieht er von der chinesischen Niederlassung des Unternehmens. Frau und Kinder hat er nicht, was – wie sich später herausstellt – aus organisatorischer Sicht für den Arbeitgeber günstig ist. Was mit Herrn Wolfs Sozialversicherung passieren soll, erschließt sich allerdings aus der Entsendevereinbarung erstmal nicht.

Rechtsgrundlage ist entscheidend

Dafür muss Frau Schröder in erster Linie klären, welches Recht überhaupt greift. Sie erfährt, dass grundsätzlich die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates gelten, es sei denn es gibt eine entsprechende Vereinbarung zwischen Deutschland und China. Tatsächlich besteht ein so genanntes Sozialversicherungsabkommen (SVA) zwischen beiden Ländern – nur schließt es die Regionen Hongkong und Macao nicht ein. Ein weitere Einschränkung: Das Abkommen umfasst nur die Renten- und Arbeitslosenversicherung, nicht jedoch die anderen Zweige der Sozialversicherung. Aber immerhin: Dank dieser Regelung könnte Herr Wolf theoretisch weiterhin in der deutschen Arbeitslosen- und Renteversicherung bleiben. Das bedeutet: Sollte Herr Wolf nach seiner Rückkehr aus China beispielsweise unverschuldet arbeitslos werden, bekommt er in jedem Fall Arbeitslosengeld und wenn er erwerbsunfähig werden sollte, erhält er eine Invalidenrente– vorausgesetzt seine Firma regelt seinen Auslandseinsatz ordnungsgemäß.

Genauer Blick ins Sozialversicherungsabkommen

Frau Wolf schaut lieber noch einmal genauer in das Abkommen und entdeckt Artikel 8. Dieser besagt, dass es sich bei Herrn Wolfs Versetzung um keine „echte“ Entsendung handelt, da seine Tätigkeit innerhalb eines Konzerneinsatzes stattfindet. Die Konsequenz: Herr Wolf muss in China arbeitslosen- und rentenversichert werden. Keine besonders gute Option, denn die Leistungen aus der chinesischen Absicherung sind im Vergleich zur Bundesrepublik minimal. Aber es gibt die Möglichkeit einer Ausnahmevereinbarung, mit der Frau Schröder dafür sorgen kann, das Herr Wolf in seiner Heimat versichert bleibt. Für diese Sonderregelung muss Frau Schröder einen Antrag auf die Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) einreichen. Und damit dieser stattgegeben wird hat Herr Wolf etliche Kriterien (siehe Infokasten) zu erfüllen.

Ausnahmevereinbarung möglich

Frau Schröder schafft es schließlich die Ausnahme zu erwirken, steht jedoch noch immer vor dem ungelösten Problem, was mit Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung von Herrn Wolf passieren soll. Die Lösung: Da das Abkommen diese Sozialversicherungszweige nicht erfasst, muss Frau Schröder deutsches Recht anwenden; konkret das vierte Sozialgesetzbuch (SGB IV). Unter Paragraf Vier (Entsendeparagraf) sind Bedingungen formuliert, wann ein Mitarbeiter tatsächlich als „entsandt“ im Sinne des SGB gilt. Denn eine „echte“ Entsendung nach China ermöglicht es, das Herr Wolf weiter in Deutschland kranken-, pflege und unfallversichert bleibt. Dieses Prinzip nennt sich „Ausstrahlung“ der deutschen Sozialversicherungspflicht. Dafür muss seine Firma aber sämtliche der folgenden Kriterien erfüllen:

1.      Der Arbeitnehmer muss sich auf Weisung seines Arbeitgebers ins Ausland begeben, um dort für ihn eine Tätigkeit zu erbringen.

2.      Das inländische Beschäftigungsverhältnis muss fortbestehen. (Indikatoren: Verantwortung für Expat, bestehender Arbeitsvertrag, Gehaltsbelastung bei der entsendenden Firma)

3.      Es sind die Entsendefristen des Gastlandes anzuwenden. In China betragen diese 48 Monate. Eine Verlängerung der Entsendung ist prinzipiell nicht möglich.

Entsendeparagraf greift nicht immer

Frau Schröder erkennt, dass im Falle von Herrn Wolf gleich zwei wichtige Bedingungen nicht zutreffen: Zum einen ist sein Auslandseinsatz auf drei Jahre befristet und zum anderen belastet die Bau- und Gummi GmbH sein Gehalt an die Konzerntochter in China. Das bedeutet er müsste theoretisch in China kranken-, pflege und unfallversichert sein. Doch das Land kennt noch keine obligatorische Versicherungspflicht in diesen Zweigen. Damit bleibt nur eins: Das entsendende Unternehmen muss Herrn Wolf privat absichern. Da er auch auf Dienstreisen und Heimatbesuchen umfassenden Schutz genießen soll, sorgt Frau Schröder dafür, dass Kranken- und Unfallversicherung eine weltweite Gültigkeit und einen ähnlichen Leistungsumfang haben wie gesetzlichen Absicherungen. Denn Herr Wolf soll in China möglichst nicht schlechter gestellt sein als zu Hause.

GKV-Anwartschaft nicht immer empfehlenswert

Hätte er noch mitversicherte Familienangehörige, die zu Hause bleiben, wäre sein Fall für Frau Schröder komplizierter und teuerer geworden. Denn in seiner gesetzlichen deutschen Krankenversicherung kann er nicht bleiben. Dies hätte für seine mitversicherte Familie bedeutet, dass sie keinen Krankenversicherungsschütz haben. Die Firma hätte dann Frau und Kinder mit einer privaten Krankenversicherung auffangen müssen. So bleibt nur noch zu entscheiden, ob Herr Wolf seine GKV ruhend stellt (Anwartschaft) oder austritt. Da seit mehreren Jahren eine Krankenversicherungspflicht besteht, müssen die Kassen auch Rückkehrer aus dem Ausland wieder aufnehmen – auch wenn diese in der Zwischenzeit erkrankt sind. Damit spart sich Herr Wolf die Kosten für die Anwartschaftsversicherung.

Frau Schröder bleibt jetzt nur noch, Ihre Vorgesetzten darüber zu informieren, dass in punkto Sozialversicherung bei Herrn Wolf leider doch nicht alles wie bisher organisiert werden kann. Die gute Nachricht ist aber, dass der nun eingeschlagene Weg rechtlich korrekt ist.

Kriterien für eine Ausnahmevereinbarung

  • Entsendedauer ist von Vornherein länger als 48 Monate geplant und
  • Die Entsendung ist von Vornherein zeitlich befristet und
  • Während der Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht eine arbeitsrechtliche Bindung (zum Beispiel in Form eines ruhenden Arbeitsverhältnisses) zum Arbeitgeber in Deutschland fort und
  • Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellen gemeinsam einen begründeten Antrag für den verbleib des Arbeitnehmers in der deutschen Sozialversicherung.

Quelle: Bund der Auslands-Erwerbstätigen (BDAE) e.V.

Foto: © mark huls – Fotolia.com