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Österreich führt – bei Benachteiligung von Migrantenkindern

Für Nachkommen von türkischen Migrantinnen und Migranten aus niedrigen Bildungsschichten ist es in Österreich besonders schwer, eine höhere Bildung zu erlangen. Das zeigt ein sozialwissenschaftlicher Ländervergleich mit Frankreich und Schweden, dessen Ergebnisse jetzt als Buch veröffentlicht wurden. Sie sind überraschend eindeutig: Wenn es um die Benachteiligung der türkischen Migrantenkindern im Bildungssystem geht, führt Österreich den Ländervergleich eindeutig an. Der Vergleich liefert jedoch nicht nur diese Tatsache, sondern darüber hinaus Gründe für dieses Ungleichgewicht. Demnach sind die Intensität der Wechselwirkung zwischen Strukturen des Schulsystems und familiären Ressourcen sowie der Zeitpunkt, zu dem diese Interaktion beginnt, wesentlich. Im österreichischen Bildungssystem wird sie früher als in anderen Ländern notwendig. Gerade aber türkische Familien können oftmals die Ressourcen nicht zur Verfügung stellen, die solche Wechselwirkungen erfordern.

Familie & Schule

Aus der Publikation wird deutlich, dass Rahmenbedingungen nationaler Bildungssysteme – wie etwa das gesetzliche Eintrittsalter in vorschulische Einrichtungen und damit der Zeitraum, in dem die Eltern das Lernen des Kindes alleinverantwortlich beeinflussen – zu Wechselwirkungen mit familiären Ressourcen führen. Darüber hinaus ist auch der zeitliche Umfang der schulischen Betreuung von Bedeutung. Auch hier verliert Österreich im Vergleich zu Frankreich und Schweden aufgrund des hier vorherrschenden Halbtagssystems. Dies macht eine nachmittägliche Betreuung weiterer schulischer Leistungen der Kinder durch die Familie notwendig. Aufgrund des oftmals niedrigen Bildungsniveaus der Eltern kann die erwartete Betreuung in türkischen Familien aber oftmals nicht ausreichend beziehungsweise optimal geleistet werden.

Ebenso entscheidend für den Bildungserfolg der Kinder ist auch der Zeitpunkt, an dem über den weiteren Bildungsweg entschieden wird. In Österreich ist dieser sehr früh. – Der Einfluss der Eltern und ihrer Bildungsgeschichte ist zu diesem Zeitpunkt noch sehr groß.

Aufbau-Arbeit

Dass der Autor Philipp Schnell Zusammenhänge zwischen familiären Situationen und Rahmenbedingungen des Bildungssystems identifizieren konnte, ist mit seinem einmaligen Zugang zu Daten der sogenannten TIES-Studie (The Integration of the European Second Generation) zu erklären. Mittels dieser umfassenden Studie wurde in 15 Städten aus acht europäischen Ländern (inklusive Frankreich, Schweden und Österreich) eine Erhebung über die Lebenswelten von Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund durchgeführt, die sich auf die Jahre 2007 und 2008 stützte. So standen Informationen zu einer Vielzahl von inner- und außerfamiliären Faktoren zur Verfügung. Diese reichten von der Migrationsgeschichte der Eltern und ihrer sozio-ökonomischen Stellung bis zu Freundschaftsnetzwerken der Kinder und Betreuung in den Schulen.

Systemanalyse

Diese Daten wurden von dem Autor für die nun veröffentlichte Studie mit detailreichen Analysen über die nationalen Bildungssysteme ergänzt. Dabei wurden familiäre Daten sowie Besonderheiten der jeweiligen Bildungssysteme in den Zusammenhang mit den Bildungserfolgen der Jugendlichen gestellt. Auch wenn der Vergleich verdeutlicht, dass der Bildungsstand der Kinder noch immer am stärksten von dem der Eltern sowie deren beruflicher Position beeinflusst wird, wird durch die Daten ebenso deutlich, dass auch bildungspolitische Rahmenbedingungen einen großen Einfluss haben.

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Buchinformationen:

Philipp Schnell: Educational Mobility of Second-generation Turks: Cross-national Perspectives; Amsterdam University Press; ISBN 9789089646514

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Titelbild: © Shutterstock / Zurijeta